Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 V 207



110 V 207

32. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juli 1984 i.S. Kloter gegen Öffentliche
Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons
Thurgau für die Arbeitslosenversicherung Regeste

    Art. 26 Abs. 1 AlVG, Art. 15 Abs. 1 AVIG. Voraussetzungen, unter denen
die Frage nach einer allfälligen Vermittlungsunfähigkeit nicht mehr zu
prüfen ist bei Versicherten, die auf einen bestimmten Termin anderweitig
disponiert haben und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während
relativ kurzer Zeit zur Verfügung stehen (Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Peter Kloter war seit 4. Mai 1981 als technischer Leiter bei
der Firma H. in Müstair tätig gewesen. Wegen einer Umstrukturierung des
Betriebes wurde im Oktober 1981 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses
auf ca. Ende April 1982 vereinbart. Am 26. April 1982 erhielt der
Versicherte von der Firma Gebr. Sulzer AG in Winterthur die Zusage,
am 17. Mai 1982 eine Stelle als Betriebstechniker antreten zu können.

    Nachdem Peter Kloter seinen Wohnsitz von Müstair nach Wellhausen
verlegt hatte, ersuchte er die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons
Thurgau am 3. Mai 1982 um Ausrichtung von Taggeldern und unterzog sich von
diesem Tag an der Stempelkontrolle. Die Arbeitslosenkasse verneinte mit
Verfügung vom 26. Mai 1982 die Anspruchsberechtigung für die Stempeltage
vom 3. bis 14. Mai 1982, weil der Versicherte im Hinblick auf seinen
Stellenantritt am 17. Mai 1982 nicht als vermittlungsfähig gelten könne.

    B.- Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die
Arbeitslosenversicherung wies die hiegegen erhobene Beschwerde unter
Hinweis auf die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts ab (Entscheid
vom 26. Juli 1982).

    C.- Peter Kloter führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
es sei ihm für die Zeit vom 1. bis 16. Mai 1982 Arbeitslosenentschädigung
auszurichten.

    Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und
Arbeit beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vermittlungsfähigkeit bildet eine wesentliche Voraussetzung
für die Anspruchsberechtigung (Art. 24 Abs. 2 lit. c in Verbindung
mit Art. 26 Abs. 1 AlVG, hier anwendbar gemäss Art. 118 Abs. 2 AVIG;
Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG). Danach
muss der Versicherte während der Dauer des Arbeitsausfalles aufgrund
seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie seiner persönlichen
Verhältnisse vermittlungsfähig sein (vgl. den altrechtlichen Art. 13
Abs. 1 lit. c AlVG) bzw. bereit, in der Lage und berechtigt sein, eine
zumutbare Arbeit anzunehmen (Art. 15 Abs. 1 AVIG).

    Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts ist ein
Versicherter, der auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat
und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer
Zeit zur Verfügung stünde, in der Regel nicht vermittlungsfähig. In
einem solchen Fall sind nämlich die Aussichten, zwischen der Aufgabe
der alten und dem Antritt der neuen Stelle von einem dritten Arbeitgeber
angestellt zu werden, verhältnismässig gering (ARV 1982 Nr. 2 S. 30, 1978
Nr. 5 S. 14 und Nr. 28 S. 113, 1977 Nr. 16 S. 81; nicht veröffentlichtes
Urteil Stähli vom 6. September 1976). Namentlich im Urteil Stähli hat das
Eidg. Versicherungsgericht einen Versicherten als nicht vermittlungsfähig
bezeichnet, obschon er zur Arbeitsaufnahme grundsätzlich bereit war; denn
er hatte beabsichtigt, schon rund drei bis vier Wochen nach Beginn der
ihm vom Arbeitsamt vermittelten Stelle einen Umschulungskurs zu besuchen.

    Das Eidg. Versicherungsgericht hat jedoch wiederholt darauf
hingewiesen, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht dazu führen darf,
jenen arbeitslosen Versicherten zu bestrafen, der eine geeignete, aber
nicht unmittelbar freie Stelle findet und annimmt (ARV 1981 Nr. 20
S. 88 mit Hinweisen; nicht veröffentlichte Urteile Meier vom 30. Juni
1983, Junod vom 9. Juni 1982, Zaugg vom 17. März 1981 und Schmutz
vom 7. September 1979). Es handelt sich dabei um jenen Versicherten,
der in Erfüllung seiner Schadenminderungspflicht alle jene Vorkehren
getroffen hat, die man vernünftigerweise von ihm erwarten darf, damit
er so rasch als möglich eine neue Stelle antreten kann. Einem solchen
Versicherten ist es nicht zuzumuten, im Hinblick auf einen - theoretisch
zwar möglichen, praktisch jedoch wenig wahrscheinlichen - früheren
Stellenantritt mit dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages zuzuwarten
und dadurch das Risiko einer allenfalls noch längern Arbeitslosigkeit auf
sich zu nehmen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Frage nach einer
allfälligen Vermittlungsunfähigkeit wegen des bevorstehenden Antrittes
der neuen Stelle nicht mehr zu prüfen. Nichts anderes gilt im Ergebnis
auch für den Fall, dass die neue Stelle durch das Arbeitsamt vermittelt
wurde. Vorbehalten bleiben allerdings diejenigen Fälle, in denen ein
Versicherter wegen anderer persönlicher Umstände (wie z.B. Krankheit) in
der Zeit zwischen dem Ende der alten und dem Beginn der neuen Anstellung
vermittlungsunfähig wird.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer war von der Beendigung seiner Tätigkeit
bei der Firma H. hinweg (30. April 1982) arbeitslos. Am 26. April 1982
hatte er die Zusage der Firma Gebr. Sulzer AG erhalten, auf den 17. Mai
1982 eine neue Stelle als Betriebstechniker antreten zu können. Damit
hatte der Beschwerdeführer zwar auf einen in naher Zukunft liegenden
Zeitpunkt eine feste berufliche Disposition getroffen und stand deshalb
für eine Übergangsbeschäftigung nur noch während rund zwei Wochen zur
Verfügung. Indessen hatte er sich laut unbestrittenen Feststellungen
der Vorinstanz schon seit November 1981 "in vorbildlicher Weise" um
eine neue Arbeitsstelle bemüht. Diesen eigenen Bemühungen war es denn
auch zu verdanken, dass er die neue Stelle auf den 17. Mai 1982 fand. Es
bestehen keine Anhaltspunkte, welche die Annahme rechtfertigen würden,
dass ihm ein früherer Stellenantritt möglich gewesen wäre. Vielmehr ist
aufgrund der vorliegenden Umstände sowie der glaubhaften Darlegungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
alles ihm Zumutbare vorgekehrt hat, um möglichst bald eine neue Stelle
antreten zu können. Es durfte daher von ihm nicht erwartet werden,
im Hinblick auf einen - praktisch kaum wahrscheinlichen - früheren
Stellenantritt mit der Annahme der neuen Beschäftigung zuzuwarten oder die
Offerte gar auszuschlagen, weil er sonst eine noch längere Arbeitslosigkeit
hätte befürchten müssen. Bei diesen Gegebenheiten braucht die Frage
nach einer allfälligen Vermittlungsunfähigkeit wegen des bevorstehenden
Stellenantritts nicht geprüft zu werden. Im übrigen enthalten die Akten
keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer wegen anderer
persönlicher Umstände in der Zeit zwischen dem Ende der alten und dem
Beginn der neuen Anstellung vermittlungsunfähig gewesen wäre. Somit steht
ihm grundsätzlich Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung zu,
sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind, was von
der Kasse noch abzuklären ist.