Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 IV 59



110 IV 59

20. Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1984 i.S. B. c.
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 56 BG über die Binnenschiffahrt vom 3. Oktober 1975; Art. 5 des
Übereinkommens vom 1. Juni 1973 über die Schiffahrt auf dem Bodensee.

    1. Indem der Bundesrat durch Beschluss vom 17. März 1976 die Verordnung
über die Schiffahrt auf dem Bodensee in der von der Internationalen
Schiffahrtskommission ausgearbeiteten Fassung erlassen ("in Kraft gesetzt")
hat, verletzte er weder Zuständigkeitsvorschriften, noch nahm er eine
unzulässige Subdelegation vor (E. 2b).

    2. Durch das Verbot gemischgeschmierter Motoren von über 10-PS-Leistung
(Art. 13.11 der Bodensee-Schiffahrts-Ordnung) hat der Bundesrat die
Delegationsnorm in materieller Hinsicht nicht überschritten (E. 2c).

Sachverhalt

    A.- a) Durch Beschluss vom 17. März 1976 (SR 747.223.11) hat der
Bundesrat in Ausführung von Art. 5 des Übereinkommens vom 1. Juni 1973
über die Schiffahrt auf dem Bodensee und gestützt auf Art. 56 Abs. 2 des BG
vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschiffahrt die von der Internationalen
Schiffahrtskommission am 13. Januar 1976 verabschiedete Verordnung über die
Schiffahrt auf dem Bodensee (SR 747.223.1, Bodensee-Schiffahrts-Ordnung =
BSO) auf den 1. April 1976 in Kraft gesetzt. b) Art. 13.11 BSO bestimmt:

    "Motoren mit Gemischschmierung dürfen nur dann verwendet werden, wenn
   der Kraftstoff nicht mehr als 2% Öl enthält (Mischungsverhältnis
   1:50). Die

    Gesamtleistung dieser Motoren darf 10 PS (DIN) je Fahrzeug nicht
   übersteigen."

    Nach der Übergangsbestimmung Art. 16.04 Abs. 2 lit. d BSO ist der
zweite Satz dieser Vorschrift für bereits zugelassene oder nach bisherigem
Recht einer Zulassung nicht unterliegende Fahrzeuge am 1. April 1981 in
Kraft getreten.

    B.- B. wurde vom Bezirksamt Steckborn durch Strafverfügung vom
5./6. Oktober 1983 wegen Verwendung eines gemischgeschmierten Motors
von über 10-PS-Leistung gemäss Art. 48 BG über die Binnenschiffahrt
(Widerhandlung gegen Art. 13.11 BSO) mit Fr. 50.- gebüsst.

    Die dagegen erhobene Einsprache wies die Bezirksgerichtskommission
Steckborn ab. Die Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau
bestätigte am 23. Mai 1984 die Busse im Berufungsverfahren.

    C.- B. führt gegen die Verurteilung Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, der Entscheid der Rekurskommission des Obergerichtes sei aufzuheben
und die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer am 1. Oktober 1983 mit seinem Motorboot den Untersee
befuhr. Das Boot war mit einem gemischgeschmierten Aussenbordmotor von
19,7 PS ausgerüstet. Dass damit die Vorschrift von Art. 13.11 BSO nicht
eingehalten wurde, auch wenn das Mischungsverhältnis 1:100 (nur 1% Öl)
betragen haben mag, ist unbestritten.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, die BSO sei
von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und daher ungesetzlich
(unten lit. b). In zweiter Linie wird eingewendet, Art. 13.11 BSO sei auf
jeden Fall materiell rechtswidrig, weil er ausserhalb der massgeblichen
Delegationsnorm liege (unten lit. c).

    a) Mit diesen Rügen wird die vorfrageweise Prüfung der
Gültigkeit (Gesetzmässigkeit) der zur Anwendung gebrachten Norm
verlangt. Gemäss ständiger Praxis hat der Richter die Gesetzmässigkeit
von Verordnungsvorschriften zu prüfen (BGE 108 IV 108/109, 105 IV 254
E. 2a, 103 IV 193). Auf das Begehren um akzessorische Normenkontrolle
ist einzutreten.

    b) Gemäss Art. 56 BG über die Binnenschiffahrt (SR 747.201) erlässt
der Bundesrat die Ausführungsvorschriften nach Anhören der Kantone und
der interessierten Verbände. "Er kann die durch das internationale Recht
bedingten Vorschriften für die Schiffahrt erlassen."

    Über die Schiffahrt auf dem Bodensee besteht ein Übereinkommen zwischen
den Uferstaaten vom 1. Juni 1973 (in Kraft getreten am 1. Januar 1976
SR 0.747.223.11; AS 1976 I S. 19). Gemäss Art. 5 dieses Übereinkommens
verpflichten sich die Vertragsstaaten, "einheitliche Vorschriften
(Schiffahrtsvorschriften) über die Sicherheit und die Leichtigkeit
des Verkehrs sowie über die Abwendung von Gefahren und Nachteilen" zu
erlassen. Es wird gemäss Art. 19 eine Internationale Schiffahrtskommission
gebildet, welche u.a. Empfehlungen für einheitliche Schiffahrtsvorschriften
auszuarbeiten und Änderungen geltender Vorschriften vorzuschlagen hat.

    Die kraft dieses Übereinkommens amtierende Internationale
Schiffahrtskommission hat die vom Bundesrat durch BRB vom 17. März 1976
in Kraft gesetzte Verordnung über die Schiffahrt auf dem Bodensee als
einheitliche Regelung ausgearbeitet und beschlossen. Der formelle Erlass
entsprechender Vorschriften ist innerstaatlich unbestrittenermassen Sache
des Bundesrates. Die Schweiz ist jedoch durch Art. 5 des Übereinkommens
verpflichtet, zu einer einheitlichen Regelung Hand zu bieten. Eine solche
wurde durch das Inkraftsetzen der Vorschriften erreicht, welche von der
Internationalen Schiffahrtskommission, einer durch das Übereinkommen
völkerrechtlich hiefür vorgesehenen Institution, ausgearbeitet worden
waren. Der BRB spricht zwar nur von Inkraftsetzung, das ändert jedoch
nichts daran, dass der hiefür zuständige Bundesrat - in Erfüllung des
zwischenstaatlichen Übereinkommens - damit die von der Internationalen
Schiffahrtskommission beschlossenen und den Uferstaaten vorgeschlagenen
Vorschriften für die Schweiz auch formell als Ausführungsverordnung
erlassen hat. Die ungenaue Ausdrucksweise ("Inkraftsetzung") dürfte
darauf zurückzuführen sein, dass der Bundesrat wegen der bestehenden
zwischenstaatlichen Abmachungen die vorgeschlagenen Normen im Prinzip
übernehmen musste, so dass inhaltlich die BSO nicht als Verordnung des
Bundesrates erscheint, obschon sie es formell ist. Die BSO wurde - wie
jede andere bundesrätliche Verordnung - in der Gesetzessammlung publiziert
und ist damit geltendes schweizerisches Recht geworden.

    Beim Verfahren, das zum Erlass der BSO führte, wurden keine
Zuständigkeitsvorschriften verletzt und keine unzulässige Subdelegation
vorgenommen. Die Internationale Schiffahrtskommission hat die Verordnung
gemäss dem zwischenstaatlichen Übereinkommen als einheitliche Ordnung für
den Bodensee ausgearbeitet, der Bundesrat als für die Schweiz zuständige
Rechtsetzungsinstanz genehmigte diese Verordnung durch BRB vom 17. März
1976 und setzte sie in Kraft. Ob es - trotz der völkerrechtlichen
Verpflichtung zur Übernahme der einheitlichen Schiffahrtsvorschriften -
angezeigt gewesen wäre, den schweizerischen Erlass der Verordnung (neben
der Inkraftsetzung) auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, kann hier
offenbleiben. Der Sinn des BRB vom 17. März 1976 steht ausser Zweifel:
Damit wurde die BSO ins schweizerische Recht aufgenommen, erlassen und in
Kraft gesetzt. Die Rechtsgeltung der BSO wird dadurch, dass allenfalls
eine deutlichere sprachliche Formulierung dieses formellen Vorgangs
möglich gewesen wäre, nicht in Frage gestellt.

    c) Die Rüge einer Überschreitung der Delegationsnorm in materieller
Hinsicht wird in der Nichtigkeitsbeschwerde folgendermassen begründet:
Art. 13.11 BSO bezwecke zweifellos den Schutz der Umwelt gegen
Beeinträchtigungen durch die Schiffahrt (im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. e
des Übereinkommens über die Schiffahrt auf dem Bodensee). Eingehende
neuere Untersuchungen hätten nun aber ergeben, dass - entgegen früheren
Auffassungen und Befürchtungen - die Kohlenwasserstoffemissionen
der Bootsmotoren keine Gefahr für das Wasser darstellen; nach diesen
Forschungsarbeiten liessen sich weder im Wasser noch in den Sedimenten
des Bodensees schädigende Kohlenwasserstoffe feststellen, welche von
Bootsmotoren stammen. Sei aber die befürchtete Beeinträchtigung der Umwelt
nicht gegeben, so decke die Delegationsnorm den Art. 13.11 BSO nicht;
die Vorschrift sei rechtswidrig.

    Bei der Prüfung der Frage, ob Art. 13.11 BSO dem von Art. 5 Abs. 2
lit. e des Übereinkommens vorgeschriebenen Zweck dient, darf der Richter
nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen. Er
hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob sich die Exekutive mit dem
Erlass der Verordnungsnorm eines Mittels bedient hat, das objektiv dem
durch das Übereinkommen verfolgten Zweck dient, d.h. ob das Verbot
gemischgeschmierter Motoren, die eine Leistung von mehr als 10 PS
erbringen, zum Schutz der Umwelt überhaupt geeignet ist (BGE 108 IV 73
E. 2b mit Hinweisen).

    Der Beschwerdeführer anerkennt, dass nach früheren Auffassungen
die Kohlenwasserstoffemissionen der Bootsmotoren eine Gefahr für das
Wasser darstellten. Aber auch nach 1981 gab es noch - gemäss den vom
Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren beigebrachten wissenschaftlichen
Abhandlungen - "grosse Diskussionen" über die Richtlinien, welche die
Grösse der auf dem See benutzbaren Motoren regeln. Auch über die Frage
nach Art und Herkunft der Kohlenwasserstoffe in Sedimenten des Bodensees
ist man sich keineswegs einig. Eine umfangreiche, vom Beschwerdeführer
selber eingereichte Studie kommt im übrigen nur zum Schluss, "dass
schädliche Auswirkungen aus Kohlenwasserstoffkonzentrationen, abgelassen
aus Aussenbordmotoren, äusserst unwahrscheinlich (also immerhin möglich)
sind", auf jeden Fall würden sie durch andere Effekte und schädigende
Faktoren "maskiert und im Vergleich dazu unbedeutend gering sein". Es
ist nun aber nicht Aufgabe des Strafrichters, vorfrageweise zu prüfen,
ob die von der zuständigen Behörde erlassene Regelung den neuesten,
oft umstrittenen Erkenntnissen entspricht. Allenfalls eingetretenen
Wandlungen der herrschenden Auffassung und Entwicklungen der Technik
hat die rechtsetzende Instanz zu gegebener Zeit Rechnung zu tragen,
nicht die mit der Rechtsanwendung betraute Behörde.

    Bei Art. 13.11 BSO kommt dazu, dass die Vorschrift - wie bereits
dargelegt - auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung beruht und nicht
einseitig von einem Uferstaat ausser Kraft gesetzt oder modifiziert werden
sollte. Dies stände im Widerspruch zu der aus Art. 5 des Übereinkommens
über die Bodensee-Schiffahrt sich ergebenden Verpflichtung zu einer
einheitlichen Ordnung der Schiffahrt auf dem Bodensee.

    Die am Schluss der Beschwerdeschrift beigefügten Bemerkungen darüber,
dass die spezifischen Ölemissionen bei einem Mischungsverhältnis 1:100 -
wie vom Beschwerdeführer verwendet - nur halb so gross seien wie bei der
Mischung 1:50, enthalten keine sachlichen Gründe gegen die Rechtmässigkeit
und Verbindlichkeit von Art. 13.11 BSO; denn damit wird nicht dargetan,
dass es schlechterdings unzweckmässig sei, zum Schutz des Wassers Motoren
mit einer Leistung von über 10 PS generell zu untersagen, und zwar auch
bei Verwendung eines Kraftstoffes mit günstigerem Mischungsverhältnis,
als es bei kleinern Motoren erlaubt ist (1:50).

    Bei dieser Sachlage hält sich Art. 13.11 BSO im Rahmen der dem
Bundesrat in Art. 5 des Übereinkommens eingeräumten Kompetenz und ist
die auf Art. 48 des BG über die Binnenschiffahrt gestützte Verurteilung
des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.