Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 484



110 II 484

91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1984
i.S. X. gegen Bank Y. (Berufung) Regeste

    Bürgschaft. Internationales Privatrecht.

    1. Formerfordernisse. Rechtswahl; Zulässigkeit der alternativen
Anknüpfung an die Formvorschriften des Abschlussorts (E. 1).

    2. Zustimmung des Ehegatten. Beurteilung nach Bürgschaftsstatut oder
nach Heimatrecht? (Frage offen gelassen; E. 2).

Sachverhalt

    A.- X., Wirtschaftsprüfer in Frankfurt a.M. unterzeichnete dort am
16. Oktober 1979 gegenüber der Bank Y., Basel, eine Erklärung, mit welcher
er die Solidarbürgschaft für alle Forderungen der Bank aus bestehenden
oder künftigen Krediten an Z., USA, bis zum Höchstbetrag von US-Dollar
114'411.66 zuzüglich Zins und Kosten übernahm. Das dabei verwendete
bankeigene Formular erklärt unter Ziffer 9 für alle Streitigkeiten das
schweizerische Recht als anwendbar und den Gerichtsstand Basel-Stadt
als massgeblich.

    B.- Am 19. November 1981 erhob die Bank beim Zivilgericht Basel-Stadt
gegen X. Klage auf Zahlung des Bürgschaftsbetrags nebst 19% Zins seit
27. Oktober 1980. Der Beklagte wendete ein, dass die Bürgschaft den
Formerfordernissen des anwendbaren schweizerischen Rechts nicht genüge
und dass überdies die Hauptschuld längst beglichen sei. Das Zivilgericht
hiess die Klage am 31. Mai 1983 für US-Dollar 114'411.66 nebst 7% Zins
seit 27. Oktober 1980 gut; das Appellationsgericht verwarf am 23. März
1984 eine Berufung des Beklagten und erhöhte auf Anschlussberufung des
Klägers den Zins auf 15% seit 27. Oktober 1980.

    C.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts Berufung
erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das
Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beklagte macht geltend, seine Bürgschaftserklärung
unterstehe schweizerischem Recht und sei mangels öffentlicher Beurkundung
ungültig. Nach dem angefochtenen Urteil besagt indes die Rechtswahl der
Parteien nicht, dass auch für die Form ausschliesslich schweizerisches
Recht anwendbar sei. Nach Lehre und Rechtsprechung gelte auch hier der
Grundsatz des favor negotii, wonach es genüge, dass die Formvorschriften
entweder des Vertragsstatuts oder des Abschlussorts erfüllt seien. Anders
verhalte es sich allenfalls, wenn die Parteien ausdrücklich oder erkennbar
auch für die Form ein bestimmtes Recht anwendbar erklärt hätten, etwa
zum Schutz einer Partei, doch sei das hier nicht geschehen und auch nicht
dargetan, dass der Beklagte des besonderen Schutzes der schweizerischen
Formvorschriften bedurft hätte.

    a) Nach Ansicht des Beklagten erstreckt sich die Rechtswahl
grundsätzlich auch auf die Vertragsform. Eine eindeutige und ausnahmslose
Rechtswahl lasse anders als das objektive Vertragsstatut keine alternative
Anknüpfung an den Abschlussort zu. Für eine stillschweigende Abweichung
der Parteien von ihrer Rechtswahl bestünden vorliegend keine Anhaltspunkte.

    Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre genügt die Wahrung der
Formvorschriften des Abschlussorts unbekümmert darum, ob materiell ein
objektiv ermitteltes oder ein von den Parteien vereinbartes Vertragsstatut
gilt, sofern nicht zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung die
ausschliessliche Anknüpfung an das Vertragsstatut gebieten (BGE 110
II 159 E. 2c mit Hinweisen; VISCHER, Internationales Privatrecht, in
Schweiz. Privatrecht I S. 683, ebenso VISCHER/VON PLANTA, Internationales
Privatrecht, S. 189; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung N. 107, 169 ff.;
DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé
suisse, Bd. 1, S. 42; GIOVANOLI, N. 8, Vorbemerkungen zu Art. 492-512 OR).

    Unerheblich sind demgegenüber Betrachtungen über das Fehlen oder
Vorliegen eines besonderen Schutzbedürfnisses des Beklagten, zumal die
Formvorschrift des Art. 493 OR nicht um der öffentlichen Ordnung willen
aufgestellt worden ist (BGE 93 II 383 f.; vgl. auch BGE 110 II 160). Wenn
die Formen des Abschlussorts als ausreichend betrachtet werden, ist dies
eine Erleichterung aus praktischen Gründen und unabhängig davon, ob es sich
um mildere Formen handelt (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 170).

    b) Verfehlt ist der Versuch des Beklagten, als Abschlussort Basel
geltend zu machen. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist beim
Vertragsschluss unter Abwesenden auf das Recht des Ortes abzustellen,
wo die entsprechende Erklärung, insbesondere die Bürgschaftserklärung,
abgegeben wurde (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 128, 186 und
314; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl., S. 100; vgl. auch VISCHER/VON PLANTA,
S. 190). Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ist nach verbindlicher
Feststellung der Vorinstanz in Frankfurt ausgestellt worden.

    c) Das Appellationsgericht stellt fest, dass nach dem
somit massgebenden deutschen Recht einfache Schriftlichkeit der
Bürgschaftsverpflichtung genügt und dass es dabei auch keiner
zahlenmässigen Angabe eines Höchstbetrags bedarf. Das wird mit der
Berufung nicht bestritten und könnte vom Bundesgericht auch nicht überprüft
werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Die Bürgschaftsverpflichtung erweist
sich daher als formgültig, ohne dass entschieden zu werden braucht,
welche Bedeutung der unbezifferten Nennung von Zinsen und Kosten in der
Bürgschaftsurkunde nach schweizerischem Recht zukäme.

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte beruft sich sodann auch insoweit auf schweizerisches
Recht, als er Ungültigkeit seiner Bürgschaftsverpflichtung infolge
fehlender Zustimmung seiner Ehefrau geltend macht (Art. 494 OR). Das
Appellationsgericht nimmt an, es handle sich dabei nicht um ein
Formerfordernis, sondern um eine Beschränkung der Handlungs- bzw.
Geschäftsfähigkeit, die sich nach Heimatrecht beurteile. Das führe wie
die Analogie zu den Formvorschriften zum deutschen Recht, das eine solche
Vorschrift nicht kenne.

    a) Für den Beklagten geht es nicht um eine Frage der Form, sondern
der Voraussetzungen einer Bürgschaft, die nach dem Bürgschaftsstatut
und nicht nach der Staatsangehörigkeit zu beurteilen sei. Er kann sich
dafür auf die Meinung GIOVANOLIS berufen, der das Zustimmungserfordernis
dem Bürgschaftsstatut unterstellen will (N. 11, Vorbemerkungen zu
Art. 494-512 OR), obschon auch er darin eine Beschränkung der Geschäfts-
bzw. Handlungsfähigkeit erblickt (N. 3 zu Art. 494 OR). Letzterem ist
beizupflichten (vgl. auch SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 181
und 315; SCYBOZ, Garantievertrag und Bürgschaft, in Schweiz. Privatrecht
VII/2, S. 392 f.; BGE 79 II 84). Das führt nach allgemeiner Regel zur
Anwendung des Heimatrechts (VISCHER/VON PLANTA S. 53; SCHÖNENBERGER/JÄGGI,
Allg. Einleitung, N. 141; vgl. auch BGE 88 II 1 ff. und 99 II 241
ff. zu Art. 177 Abs. 3 ZGB). Art. 33 des Entwurfs zum Bundesgesetz über
das internationale Privatrecht bringt als bewusste Neuerung das Recht des
Wohnsitzes (Botschaft BBl 1983 I, S. 332). Im übrigen möchte auch GIOVANOLI
Bedenken gegen seine Lösung dadurch Rechnung tragen, dass er Analogie zur
Anknüpfung für die Formvorschriften vorschlägt (N. 12, Vorbemerkungen zu
Art. 492-512 OR). Das führt wie die vorherrschende Meinung hier wiederum
zum deutschen Recht. Es ist unbestritten und verbindlich festgestellt,
dass dieses ein solches Erfordernis nicht kennt. Eine abschliessende
Stellungnahme erübrigt sich indes.

    b) Nach dem angefochtenen Urteil bedürfte der Beklagte auch
dann nicht der Zustimmung seiner Ehefrau, wenn schweizerisches Recht
anwendbar wäre, weil ihm Kaufmannseigenschaft zukomme und er deshalb wie
eine im Handelsregister eingetragene Person zu behandeln wäre. Nach dem
erstinstanzlichen Urteil, auf welches das Appellationsgericht verweist,
steht nämlich fest, dass der Beklagte als Mitglied des Aufsichtsrats,
Beirats, Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung einer Vielzahl von
ausländischen Gesellschaften wirkte. Was der Beklagte in der Berufung
dagegen vorbringt, bezieht sich teils auf tatsächliche Verhältnisse, teils
auf Gegebenheiten des deutschen Rechts; beides ist nicht statthaft (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG). Es ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte in
einer Art tätig ist, welche in der Schweiz zu einem Handelsregistereintrag
im Sinne von Art. 494 Abs. 2 OR führen würde.

    Die Einwendungen gegen die Gültigkeit der Bürgschaftserklärung
erweisen sich daher als unzutreffend, soweit sie als schweizerisches
Recht überprüfbar sind.