Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 476



110 II 476

90. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1984
i.S. W. X. AG gegen Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft und
"Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (Berufung) Regeste

    Art. 418u Abs. 1 OR, Verweigerung des Anspruchs auf
Kundschaftsentschädigung wegen Unbilligkeit.

    Gestützt auf die Billigkeitsklausel von Art. 418u Abs. 1 OR kann
der Richter die Kundschaftsentschädigung nicht nur herabsetzen, sondern
verweigern, wenn sie durch Altersvorsorgeleistungen des Auftraggebers
zugunsten des Agenten abgegolten worden ist.

Sachverhalt

    A.- Die W. X. & Co. wurde 1970 als Rechtsnachfolgerin der von
W. X. als Einzelfirma betriebenen Versicherungsagentur gegründet. Die
Kollektivgesellschaft betätigte sich als Generalagentin für die
Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft und die "Winterthur"
Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft AG. Gesellschafter waren
W. X. sowie zwei seiner Söhne. Im Hinblick auf das altersbedingte
Ausscheiden von W. X. und die Weiterführung der Agentur durch die
Söhne führte die Kollektivgesellschaft mit der Regionaldirektion
der "Winterthur" seit 1977 Verhandlungen über den Abschluss
eines neuen Agenturvertrages. Nachdem diese gescheitert waren,
kündigte die Kollektivgesellschaft die Agenturverträge mit den
beiden Versicherungsgesellschaften auf 31. Juli bzw. 30. Juni
1979. Die Vertragsverhältnisse wurden dann aber in gegenseitigem
Einverständnis per 7. Mai 1979 aufgehoben. Am 4. Juli 1979 wurde die
Kollektivgesellschaft aufgelöst; deren Aktiven und Passiven übernahm die
neu gegründete W. X. AG. Seit Juli 1979 ist die W. X. AG als Agentin für
die Zürich-Versicherungsgesellschaft tätig.

    Im April 1980 erhob die W. X. AG beim Handelsgericht des Kantons
Zürich Klage gegen die Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft
(Beklagte 1) und die "Winterthur" (Beklagte 2) mit der Begründung,
Anspruch auf Kundschaftsentschädigungen und auf Nachzahlung bestimmter
Provisionen zu haben. Von der Beklagten 2 verlangte sie insbesondere
eine Kundschaftsentschädigung von Fr. 244'646.45.

    Mit Urteil vom 14. November 1983 wies das Handelsgericht beide
Klagen ab.

    Dieses Urteil focht die Klägerin mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde
an, auf die das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 13. April 1984
mit der Begründung nicht eintrat, alle damit erhobenen Rügen könnten mit
der Berufung beim Bundesgericht geltend gemacht werden.

    Die Klägerin legte gegen das Urteil des Handelsgerichts Berufung
ein, die aus Gründen, die im veröffentlichten Teil des Entscheides nicht
wiedergegeben werden, teilweise gutgeheissen wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 418u Abs. 1 OR hat der Agent, soweit es nicht
unbillig ist, Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn durch seine
Tätigkeit der Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich erweitert worden ist
und diesem aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen Kundschaft auch
nach Auflösung des Agenturverhältnisses erhebliche Vorteile erwachsen. Der
Anspruch besteht nicht, wenn der Agenturvertrag aus einem vom Agenten zu
vertretenden Grund aufgelöst worden ist (Art. 418u Abs. 3 OR).

    Das Handelsgericht verweigert den gegenüber der Beklagten 2 geltend
gemachten Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung von Fr. 244'646.45
mit der Begründung, die Klägerin habe die Kündigung des Agenturvertrags
mit der Beklagten 2 selbst zu vertreten; es führt überdies in einer
Eventualerwägung aus, der Zuspruch der Entschädigung sei unbillig,
weil sie durch Altersvorsorgeleistungen der Beklagten 2 zugunsten von
W. X. abgegolten worden sei. Mit der Berufung werden beide Begründungen
angefochten. Da sich zeigen wird, dass die Eventualerwägung Bundesrecht
nicht verletzt, braucht auf die Hauptbegründung nicht eingegangen zu
werden.

Erwägung 3

    3.- Das Handelsgericht hält fest, es sei unbestritten, dass der
Kundenkreis der Beklagten 2 durch die Tätigkeit der Kollektivgesellschaft
wesentlich erweitert worden sei und ihr aus der Geschäftsverbindung mit
der angeworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses
erhebliche Vorteile erwüchsen. Deren Wert bemisst es auf Fr. 500'000.--. Im
angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, der am 10. Oktober 1982
verstorbene W. X. habe von der Pensionskasse für Agenten der Beklagten
2 seit 1. März 1978 eine Rente von jährlich Fr. 51'000.-- bezogen. Zur
Zeit der Auflösung des Agenturvertrags habe der Barwert der Rente nach
der Berechnung der Beklagten 2 Fr. 732'107.-- betragen; davon seien
die persönlichen Beiträge des W. X. von Fr. 33'771.60 abzuziehen. Bei
der Aufrechnung mit dem Wert der angeworbenen Kundschaft stellt das
Handelsgericht dann aber auf die Behauptung der Klägerin ab, dass der
Barwert der Rente, welcher den Leistungen der Beklagten 2 entspreche,
nur rund Fr. 600'000.-- betrage.

    Mit der Berufung werden diese Annahmen betragsmässig nicht in Frage
gestellt. Die Klägerin macht lediglich darauf aufmerksam, dass sie von der
Beklagten 2 unter dem Titel der Kundschaftsentschädigung nur Fr. 244'646.45
verlange, also bedeutend weniger als ihr grundsätzlich zustehen würde.

    a) Die Klägerin wirft dem Handelsgericht die Verletzung von Art. 418u
Abs. 1 OR sowie Art. 2 und 4 ZGB vor. Sie vertritt die Auffassung, die
Voraussetzungen für die Verweigerung der Kundschaftsentschädigung wegen
Unbilligkeit seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, auf die sich das
Handelsgericht beruft, kann bei der Beurteilung, ob der Zuspruch
einer Kundschaftsentschädigung unbillig ist, berücksichtigt werden,
dass der Agent besonders hohe Vergütungen erhalten hat, dass das
Vertragsverhältnis lange gedauert hat oder der Auftraggeber besonders
günstige Fürsorgeleistungen erbracht hat (BGE 103 II 286; 84 II 533,
541). Die Vorinstanz stellt ausschliesslich auf die Leistungen für
die Altersvorsorge von W. X. ab und lässt offen, ob andere Umstände
wie insbesondere die nach Behauptung der Beklagten 2 ungewöhnlich
hohen Provisionssätze den Zuspruch einer Kundschaftsentschädigung
ebenfalls als unbillig erscheinen liessen. In der Literatur ist die
Ansicht vorherrschend, dass Vorsorgeleistungen des Auftraggebers an
den Agenten unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu berücksichtigen
sind (J.-C. BURNAND, Le contrat d'agence et le droit de l'agent
d'assurances à une indemnité de clientèle, Diss. Lausanne 1977,
S. 118 f.; KURT BRUNNER, Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und
Vermittlungsagent und seine Drittwirkungen, Diss. Zürich 1981, S. 240;
GERHARD HORST LEISS, Der Anspruch des Agenten auf Entschädigung für
die Kundschaft in rechtsvergleichender Darstellung, Diss. Bern 1965,
S. 134; MEIER/MEYER-MARSILIUS, Der Agenturvertrag, 2. Auflage, S. 78;
JEAN-MARIE HANGARTNER, in Schweiz. Versicherungs-Zeitschrift 1958/59,
S. 281, mit Hinweisen auf die ältere Literatur). Die gleiche Meinung
wurde bei den parlamentarischen Beratungen vertreten (Sten.Bull. 1948 N
770). Rechtsvergleichend ist von Interesse, dass die Praxis des Deutschen
Bundesgerichtshofes zu § 89b Abs. 1 HGB, der inhaltlich Art. 418u Abs. 1 OR
entspricht, damit übereinstimmt. Danach können Leistungen des Unternehmers
zum Zweck der Altersversorgung des Handelsvertreters ganz oder teilweise
auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden (Urteile des BGHZ vom
23. Juni 1966, 19. November 1970 und 18. Februar 1982, in Entscheide des
BGHZ Bd. 45 S. 268 ff., Bd. 55 S. 45 ff. und in NJW 1982 S. 1814). Im
übrigen wird die Anrechenbarkeit derartiger Vorsorgeleistungen mit der
Berufung dem Grundsatz nach gar nicht bestritten. Es erübrigen sich daher
Ausführungen zur Frage, welche anderen Umstände im vorliegenden Fall von
Bedeutung sein könnten und ob sie auch in ihrer Gesamtheit betrachtet die
Verweigerung der Kundschaftsentschädigung wegen Unbilligkeit rechtfertigen
würden.

    b) Die Klägerin hält die Anrechnung der Vorsorgeleistungen
für unzulässig, weil Ansprecherin der Kundschaftsentschädigung die
Kollektivgesellschaft bzw. sie selbst als deren Rechtsnachfolgerin und
nicht W. X. persönlich sei. Seine Söhne hätten als Mitgesellschafter seit
1970 erheblich zur Erweiterung des Kundenkreises beigetragen. Jeder sei
in der Bearbeitung der Kundschaft selbständig gewesen und habe seinen
eigenen Kundenkreis besessen, den er auch selbst erarbeitet habe. Aus
der Produktionsstatistik für das Jahr 1978 ergebe sich zum Beispiel,
dass 72,9% der neu vermittelten Geschäfte auf die Söhne entfallen
seien. Die Vorsorgeleistungen an W. X. könnten deshalb, wenn überhaupt,
nur zum Teil berücksichtigt werden. Der Barwert der Rente für W. X.
betrage Fr. 600'000.--, während sich die Leistungen für die Altersvorsorge
der Söhne lediglich auf Fr. 4'135.-- bzw. Fr. 4'564.-- beliefen, demnach
unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht ins Gewicht fielen.

    Obschon die Vorsorgeansprüche nicht der Kollektivgesellschaft,
sondern den einzelnen Gesellschaftern zustanden und die Aufwendungen für
die Söhne gering waren, ist es in Anbetracht der besonderen Umstände des
vorliegenden Falles gerechtfertigt, die Vorsorgeleistungen der Beklagten
2 für W. X. gesamthaft dem von der Kollektivgesellschaft für die Beklagte
2 erwirtschafteten Vorteil gegenüberzustellen. Denn mit der Gewährleistung
einer reichlich bemessenen Pension für W. X. hat die Beklagte 2 unmittelbar
auch der Kollektivgesellschaft bzw. der Klägerin einen Vorteil erbracht,
ist doch anzunehmen, dass ein derartiger Familienbetrieb andernfalls
selbst für die Alterssicherung seines Seniorchefs erhebliche Auslagen
gehabt hätte. Aus diesem Grunde braucht nicht untersucht zu werden, ob
der Beitrag der Söhne an die Erweiterung des Kundenstammes durch die
Vorsorgeleistungen der Beklagten 2 an die Söhne selbst hinreichend
abgegolten worden ist. Für diese Betrachtungsweise spricht auch
der im Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofes vom 18. Februar 1982
hervorgehobene unmittelbare Zusammenhang zwischen der Versorgungszusage
des Auftraggebers an einen einzelnen Gesellschafter und dem Agenturvertrag
mit der Gesellschaft (NJW 1982 S. 1814).

    c) Die Klägerin bringt im weitern vor, entgegen der Auffassung des
Handelsgerichts sei nicht auf den Barwert der Rente abzustellen, weil
der am 10. Oktober 1982 verstorbene W. X. die Altersrente nur kurze Zeit
bezogen habe. Der Vorinstanz ist indes beizustimmen, dass der Barwert
der Rente im Zeitpunkt der Pensionierung abzüglich der persönlichen
Beiträge von W. X. massgebend sein muss, denn damit kann der Wert der
Leistungen, welche die Beklagte 2 im Hinblick auf die Alterssicherung von
Vater X. erbracht hat, am besten erfasst werden. Dass der Barwert nicht
nach den üblichen Grundsätzen hätte berechnet werden dürfen, wird mit der
Berufung nicht behauptet. Im übrigen hat das Handelsgericht dem Standpunkt
der Klägerin insoweit Rechnung getragen, als es zu ihren Gunsten am Wert
der Rente, wie er von der Beklagten 2 berechnet worden ist, einen Abzug
von rund Fr. 100'000.-- vorgenommen hat.

    d) Die Klägerin macht sodann geltend, was ehemals als "besonders
günstige Fürsorgeleistung" gegolten habe, sei heute mit dem Ausbau der
Pensionskassen üblich geworden; bei der Beurteilung der Billigkeit von
Kundschaftsentschädigungen seien die Massstäbe daher anders als früher
anzulegen.

    Wie es sich damit verhält, braucht im vorliegenden Fall nicht allgemein
entschieden zu werden. Wie bereits erwähnt, bestreitet die Klägerin nicht,
dass die Beiträge von W. X. an die Pensionskasse lediglich Fr. 33'771.60
betragen haben. Dies und der Umstand, dass die Kollektivgesellschaft
während mehreren Jahren auch nach Auffassung der Klägerin angemessene
Provisionen beziehen konnte, rechtfertigt es jedenfalls unter den
hier gegebenen Umständen, die Vorsorgeleistungen uneingeschränkt zu
berücksichtigen.

    e) Die Klägerin wendet schliesslich ein, das Handelsgericht hätte
die Kundschaftsentschädigung gestützt auf die Billigkeitsklausel nicht
verweigern, sondern nur herabsetzen dürfen. Zur Begründung ihres Einwandes
beruft sie sich auf die ratio legis von Art. 418u Abs. 1 OR und die
Meinung von GAUTSCHI (N. 4 zu Art. 418u Abs. 1 OR).

    Die Stellungnahme GAUTSCHIS kann jedoch von vornherein nicht massgebend
sein, denn er hält die Billigkeitsklausel für überflüssig, widersprüchlich
und absurd (N. 4b und c zu Art. 418u Abs. 1 OR). Seine grundlegende
Kritik hilft nicht weiter, wenn es darum geht, den Sinn dieser Klausel
zu bestimmen und die Frage zu beantworten, ob der Gesetzgeber damit dem
Richter die Möglichkeit geben wollte, die Kundschaftsentschädigung nicht
nur herabzusetzen, sondern ganz zu verweigern. Andere Autoren halten die
Verweigerung der Entschädigung für zulässig. So MEIER/MEYER-MARSILIUS,
die in Anlehnung an die bereits erwähnte Rechtsprechung des Deutschen
Bundesgerichtshofes davon ausgehen, dass der Anspruch dahinfallen
kann, wenn der Kapitalwert der Altersrente dessen Höhe übersteigt (aaO,
S. 78 N. 18). LEISS führt aus, gegen die Billigkeit sprechende Umstände
rechtfertigten in der Regel nur eine Herabsetzung, könnten aber in
Ausnahmefällen zum Wegfall des Anspruchs führen (aaO, S. 134). Die
Stellungnahme von BURNAND ist unklar; er schreibt zunächst, eine
Kundschaftsentschädigung sei nicht gerechtfertigt, wenn der Agent in
irgendeiner Form für seine Leistung hinreichend entschädigt worden sei,
spricht dann aber nur noch von einer Herabsetzung (aaO, S. 118). BRUNNER
scheint lediglich eine Reduktion für zulässig zu halten (aaO, S. 239
ff.). Eine einheitliche Lehrmeinung besteht somit nicht.

    Der Wortlaut von Art. 418u Abs. 1 OR lässt die Auslegung
des Handelsgerichts ohne weiteres zu. Auch die Äusserungen
in den parlamentarischen Beratungen sprechen nicht dagegen. Die
Billigkeitsklausel, die im Entwurf des Bundesrates nicht enthalten war,
geht auf einen Vorschlag der Kommission des Nationalrates zurück. Péclard,
Berichterstatter der Kommission, bezeichnete die Billigkeitsklausel
als Sicherheitsventil, das den Gerichten ermöglichen solle, sich
den Forderungen von Agenten zu widersetzen, die den Anspruch auf
Kundschaftsentschädigung zu missbrauchen versuchten (Sten.Bull. 1948 N
9). Der Ständerat hatte zunächst über die Bestimmung in der Fassung des
bundesrätlichen Entwurfs beraten, sie dann aber nach Rückweisung an die
Kommission in der vom Nationalrat geänderten Fassung angenommen, wobei
lediglich die Formulierung "soweit die Billigkeit es verlangt" durch
"soweit es nicht unbillig ist" ersetzt wurde. Stüssi, Berichterstatter
im Ständerat, hatte vor der Rückweisung darauf hingewiesen, dass in
bestimmten Fällen der Zuspruch einer Kundschaftsentschädigung stossend sei
(Sten.Bull. 1948 S 64). Bei der abschliessenden zweiten Beratung hatte
er dann erläutert, unbillig könne es sein, einen Anspruch zu stellen,
wenn zum Beispiel besondere Verhältnisse beim Auftraggeber oder beim
Agenten vorlägen, welche eine Abfindung sinn- oder zweckwidrig machten,
oder wenn dem Agenten anderweitige Vergünstigungen oder Vorteile durch
den Auftraggeber zukämen (Sten.Bull. 1948 S 250). Diesen Ausführungen ist
zu entnehmen, dass Stüssi - ähnlich wie Péclard - der Meinung war, die
Billigkeitsklausel ermögliche es dem Richter, die Kundschaftsentschädigung
nicht nur herabzusetzen, sondern zu verweigern, wenn zwar die übrigen
Voraussetzungen von Art. 418u Abs. 1 OR gegeben sind, der Agent aber
aus anderen Gründen für die dem Auftraggeber erbrachte Leistung genügend
entschädigt worden ist.

    Die parlamentarischen Beratungen zeigen eindeutig, dass der Richter
gestützt auf die Billigkeitsklausel die in Art. 418u Abs. 1 OR aufgezählten
Anspruchsvoraussetzungen erweitern kann; der Einwand der Klägerin, die
Klausel berühre nur das Anspruchsquantitativ, trifft daher nicht zu. Auch
der Sinn dieser Klausel verbietet nicht, die Kundschaftsentschädigung
mit der Begründung, sie sei durch Vorsorgeleistungen des Auftraggebers
abgegolten worden, ganz zu verweigern. Dass diese Zuwendungen nach
Rechtsprechung und herrschender Lehre zu berücksichtigen sind, ist
bereits dargelegt worden. Wie die Äusserungen im Parlament belegen,
sollte mit der Billigkeitsklausel insbesondere verhindert werden,
dass eine Kundschaftsentschädigung in Fällen ausgezahlt werden muss,
wo die Vorteile des Auftraggebers aus der Erweiterung des Kundenkreises
durch seine Leistungen an den Agenten aufgewogen werden, also bereits ein
Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Leistungen der Vertragspartner
besteht. Das Handelsgericht hat somit den Sinn und Zweck von Art. 418u
Abs. 1 OR nicht verkannt.