Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 456



110 II 456

87. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1984 i.S. F.
gegen H. AG (Berufung) Regeste

    Art. 55 OR. Haftung des Geschäftsherrn für Schäden aus Produktemängeln.

    1. An den Befreiungsbeweis des Geschäftsherrn sind auch dann erhöhte
Anforderungen zu stellen, wenn die Arbeit der Hilfspersonen als solche
nicht gefährlich ist, Fehler bei der Herstellung des Produktes aber zu
einer Gefahr für Personen, die es bestimmungsgemäss verwenden, führen
können (E. 2b).

    2. Die vom Geschäftsherrn gemäss Art. 55 Abs. 1 OR verlangte Sorgfalt
beschränkt sich nicht auf richtige Auswahl, Überwachung und Instruktion
der Hilfspersonen, sondern der Geschäftsherr hat darüber hinaus für eine
zweckmässige Arbeitsorganisation und nötigenfalls für die Endkontrolle
seiner Erzeugnisse zu sorgen, wenn damit eine Schädigung Dritter verhindert
werden kann (E. 3a).

    3. Ist eine Endkontrolle der Produkte nicht möglich oder
unzumutbar, muss der Geschäftsherr eine Konstruktionsart wählen, die
Fabrikationsfehler und die sich daraus ergebende Schädigungsgefahr mit
hoher Wahrscheinlichkeit ausschliesst (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Christian F., Arbeitnehmer der Baufirma Gebrüder F. & B., erlitt
am 14. Oktober 1980 bei Bauarbeiten an der Allmendstrasse in Reutigen
einen Unfall. F. war zusammen mit anderen Arbeitern damit beschäftigt,
einen 690 kg schweren, exzentrischen Schachtrahmen aus armiertem Beton
mit Hilfe eines Baggers hochzuheben und auf dem Schacht anzubringen. Dabei
riss eine der beiden etwa in der Schwerelinie des Rahmens einbetonierten
Aufhängeschlaufen aus, worauf der Rahmen herabfiel und den rechten Fuss
von F. zerquetschte.

    Nach dem Unfall befand sich F. während rund drei Monaten im Spital
und war bis 25. Oktober 1981 arbeitsunfähig. Die Unfallverletzungen
führten zu einer schweren Deformation des rechten Fusses. F. muss einen
speziellen orthopädischen Schuh tragen und ist gehbehindert. Er arbeitet
heute wieder bei der gleichen Bauunternehmung als Maschinist, ist aber für
manuelle Arbeiten wie zum Beispiel Schaufeln und Pickeln nicht mehr voll
einsatzfähig. Die SUVA setzte am 13. Juni 1983 die Erwerbsunfähigkeit
von F. auf 30% fest und sprach ihm eine monatliche Invalidenrente von
Fr. 606.-- zu. Für die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit zahlte die SUVA
ein Krankengeld von 80% des ausgefallenen Lohnes aus.

    Im Februar 1983 erhob F. beim Appellationshof des Kantons Bern
Klage gegen die H. AG, welche den Schachtrahmen hergestellt hatte. Er
verlangte Schadenersatz von rund Fr. 69'000.-- und eine Genugtuung von
Fr. 15'000.--. Zur Begründung der Klage machte er geltend, die Beklagte
hafte aufgrund von Art. 55 OR, weil die Aufhängeschlaufe wegen eines
Fehlers bei der Herstellung des Schachtrahmens ausgerissen sei.

    Der Appellationshof wies die Klage am 31. August 1983 mit
der Begründung ab, die Beklagte habe beweisen können, dass sie alle
erforderlichen und zumutbaren Massnahmen getroffen habe, um das Ausreissen
der Aufhängeschlaufe zu verhindern.

    Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die gutgeheissen
wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz sind, soweit
sie im folgenden wiedergegeben werden, von keiner Partei bestritten.
Danach stellt die Beklagte verschiedene Arten von Schachtrahmen seit
mehr als zwanzig Jahren in Stückzahlen von heute jährlich insgesamt 200
bis 250 her. Für den Herstellungsvorgang bestehen keine schriftlichen
Anweisungen. Fabriziert werden die Rahmen von zwei langjährigen
und bewährten Arbeitern. Beide gelten als zuverlässig und werden
nicht speziell überwacht. Das Vorgehen bei der Rahmenherstellung ist
einfach. Zunächst wird in die entsprechende Form eine erste Schicht
Beton eingefüllt und eine Lage Armierungseisen eingelegt. Dann werden
die vorfabrizierten Aufhängeschlaufen eingesetzt, die aus acht Millimeter
dickem Armierungsstahl von ca. 45 cm Länge bestehen. Die Schlaufen weisen
die Form einer unten offenen Acht auf; der obere runde Teil dient als
Öse, die mit den zwei unteren Enden im Beton verankert wird. Nach dem
Einsetzen der Schlaufen wird eine weitere Schicht Beton eingeschaufelt,
die zweite Lage Armierung eingelegt und nochmals Beton eingefüllt, der
jedesmal gestampft oder vibriert wird. Dann wird mit einer Schablone
eine runde Vertiefung in den Rahmen gepresst, welche für das Einsetzen
des eisernen Gussdeckels bestimmt ist. Schliesslich wird der Rahmen nach
Erhärtung des Betons, d.h. nach ein bis zwei Tagen, mit einem Hubstapler
ins Freie gebracht und auf dem Fabrikgrundstück gelagert.

    Seit 1979 oder 1980 wird der unterste Teil der Schlaufenenden
in Form von Widerhaken nach oben gebogen. Zudem werden heute bei
exzentrischen Schachtrahmen anstelle von zwei Aufhängeschlaufen deren
drei eingesetzt. Der Rahmen, welchen die Beklagte der Firma Gebrüder F. &
B. am 1. September 1980 geliefert hatte, war mit zwei Schlaufen ohne
Widerhaken versehen. Wann genau und von welchem Arbeiter er hergestellt
wurde, ist nicht bekannt.

    Dieser Rahmen war rund ein Monat vor dem Unfall von Arbeitern
der Firma Gebrüder F. & B. an der Allmendstrasse auf das Schachtrohr
aufgesetzt worden. Auch damals hatte ein Bagger den Rahmen an einem
durch die Schlaufen gezogenen Seil hochgehoben und auf dem Schachtrohr
abgesetzt. Am Tag des Unfalls wurde der Rahmen wieder abgenommen, weil das
Schachtrohr verkürzt werden sollte. Für das Durchziehen des Drahtseiles
war es notwendig, die Schlaufen etwas hochzubiegen. Der Rahmen wurde dann
neben dem Schachtrohr abgesetzt. Nach der Verkürzung des Rohres wurde
der Rahmen vom Bagger hochgezogen und über dem Schacht in die richtige
Lage gebracht. Dabei stand der Kläger neben dem Rahmen, um beim Richten
zu helfen, und während des Absenkens ereignete sich der Unfall.

    Auch die Feststellungen des Appellationshofes über die Ursache des
Ausreissens der Aufhängeschlaufe sind von beiden Parteien unbestritten. Die
Vorinstanz stellte dazu auf ein Gutachten vom 17. Mai 1982, die Aussagen
des Gutachters und den Augenschein bei der Beklagten ab. Nach dem Gutachten
lagen drei Fabrikationsfehler vor. Erstens war die ausgerissene Schlaufe
um ca. 35o verdreht eingesetzt worden, wodurch ein Schlaufenende allein
den Grossteil der Last tragen musste; das heisst der Winkel zwischen
Betonoberfläche und Schlaufenenden betrug nicht wie normal etwa 55o,
sondern für das eine Ende ca. 20o und für das andere ca. 90o. Zweitens
waren die Schlaufenenden ungleich lang. Während das eine rund 15 cm mass,
wies das andere, beinahe senkrecht im Beton eingesetzte, eine Länge
von rund 11 cm auf. Drittens waren die Schlaufenenden nicht vollständig
vom Beton umgeben, weil die Schlaufe nicht genügend einvibriert worden
war. Diese Fehler waren von aussen nicht zu erkennen. Nach den Aussagen
des Gutachters hätte das kürzere Schlaufenende auch allein die Last tragen
können, wenn es vollständig von Beton umgeben gewesen wäre. Der Gutachter
gab an, die Schlaufe müsse nach dem Einsetzen, während des Härtens des
Betons verschoben und nachher der Beton nicht mehr vibriert oder gestampft
worden sein. Beim Augenschein stellte der Appellationshof fest, dass eine
Schlaufe in diesem Stadium des Herstellungsvorgangs durch ein blosses
Anschlagen mit der Pflasterkelle verschoben werden kann. Der Gutachter
hatte sich auch dazu geäussert, ob die Haftung zwischen Beton und Schlaufe
durch das Niederdrücken und Wiederaufbiegen der Schlaufe habe geschwächt
werden können. Er bezeichnete dies als möglich, aber nicht nachweisbar. Im
angefochtenen Urteil wird ausgeführt, das Gutachten enthalte insofern einen
Widerspruch, als an einer Stelle eine Schwächung der Haftbrücke zwischen
Stahl und Beton grundsätzlich für möglich gehalten werde, an einer anderen
Stelle aber festgehalten werde, das Um- und Wiederaufbiegen beanspruche
nur den Stahl; nach den Aussagen des Gutachters bei der Befragung müsse
die Schwächung jedoch für möglich gehalten werden. Im restlichen Teil
des Urteils kommt der Appellationshof nicht mehr auf diese Bemerkung
zurück; offenbar weil er die Frage für unerheblich hielt. Die Parteien
äussern sich nicht dazu. Unter diesen Umständen muss davon ausgegangen
werden, dass eine - nach Feststellung des Gutachters nicht nachweisbare -
Schwächung der Haftung zwischen Beton und Schlaufe durch das Niederdrücken
und Wiederaufbiegen als Ursache des Ausreissens ausser Betracht fällt.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 55 Abs. 1 OR haftet der Geschäftsherr für den Schaden,
den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer
dienstlichen oder geschäftlichen Verpflichtungen verursacht haben, wenn
er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt
zur Schadenverhütung angewendet hat, oder dass der Schaden auch bei
Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Der Appellationshof weist
zutreffend darauf hin, dass es sich dabei um eine Kausalhaftung handelt,
die kein Verschulden der Hilfsperson oder des Geschäftsherrn voraussetzt
(BGE 97 II 223 mit Hinweisen).

    In bezug auf den Befreiungsbeweis hält die Vorinstanz fest,
die vom Geschäftsherrn geforderte Sorgfalt werde im allgemeinen in
die Trilogie cura in eligendo, instruendo vel custodiendo gegliedert;
darüber hinaus könne sich der Geschäftsherr in der Regel nicht befreien,
wenn er die Arbeit in seinem Betrieb unzweckmässig organisiert habe,
ungeeignetes Material oder Werkzeug zur Verfügung gestellt, die Hilfsperson
überanstrengt oder zu Arbeiten angehalten habe, denen sie nicht gewachsen
sei oder die schlechthin gefährlich seien, ohne dass er gleichzeitig die
im Interesse Dritter erforderlichen Schutzmassnahmen getroffen habe. An
den Befreiungsbeweis seien strenge Anforderungen zu stellen, und die
geforderte Sorgfalt sei um so grösser, je wichtiger oder gefährlicher
die Arbeit der Hilfsperson sei. Vom Geschäftsherrn dürfe aber nicht
Unzumutbares verlangt werden. Gegen diese Ausführungen, die mit Lehre
und Rechtsprechung übereinstimmen, bringt der Kläger mit Recht nichts vor.

    a) Nach Auffassung des Appellationshofes kann der Beklagten
bezüglich Auswahl der Arbeiter, denen die Herstellung der Schachtrahmen
übertragen war, kein Vorwurf gemacht werden. Auch die Überwachung durch
den Vorarbeiter, der Stichproben gemacht habe, sei nicht ungenügend
gewesen. Die seit Jahren mit dem Arbeitsvorgang vertrauten Arbeiter hätten
beste Gewähr dafür geboten, die einfache und alltägliche Verrichtung
ordnungsgemäss auszuführen. Es sei weltfremd zu fordern, dass während
des gesamten Herstellungsvorgangs stets jemand hinter den Arbeitern hätte
stehen und sie überwachen müssen. Eine Verletzung der cura in instruendo
liege ebenfalls nicht vor. Die Arbeiter hätten aufgrund ihrer langen
Erfahrung den Produktionsvorgang bestens gekannt. Die einfache und ihnen
geläufige Arbeit habe nicht erfordert, dass ihnen stets die Weisung erteilt
werde, namentlich bei der Einbetonierung der Schlaufen besondere Vorsicht
walten zu lassen, denn das sei für die Arbeiter selbstverständlich gewesen.

    b) Diesen Erwägungen kann insoweit ohne Bedenken beigestimmt werden,
als sich die Beklagte auf ihre zuverlässigen, langjährigen Arbeiter
verlassen durfte, ohne sie ständig zu ermahnen und zu überwachen. Es stellt
sich aber die Frage, ob die Hilfspersonen ausreichend instruiert worden
sind. Ursache für die ungenügende Haftung zwischen der ausgerissenen
Schlaufe und dem Beton war nach der Aussage des Gutachters eine
Unachtsamkeit bei der Herstellung: Die Schlaufe war während des
Härtevorgangs versehentlich berührt und verschoben worden, und danach war
der Beton nicht noch einmal gestampft oder vibriert worden. Es sind auch
dann erhöhte Anforderungen an die Pflicht zur Erteilung von Anweisungen
zu stellen, wenn die Arbeit der Hilfspersonen als solche nicht gefährlich
ist, Fehler bei der Herstellung des Erzeugnisses aber zu einer Gefahr für
Leib und Leben der Personen, die es bestimmungsgemäss verwenden, führen
können (vgl. BGE 64 II 261/2). Dass das Ausreissen einer Aufhängeschlaufe
während des Hochhebens des 690 kg schweren Schachtrahmens fatale Folgen
haben konnte, musste der Beklagten bewusst sein. Es könnte deshalb mit
guten Gründen die Auffassung vertreten werden, sie hätte ihre Arbeiter
nachdrücklich darauf hinweisen müssen, dass auch ein geringfügiges
Versehen beim Härtevorgang die Funktionstüchtigkeit der Schlaufen in
Frage stelle. Mit der Vorinstanz ist aber davon auszugehen, dass unter den
gegebenen Umständen der Fabrikationsfehler durch das Erteilen derartiger
Anweisungen nicht hätte verhindert werden können.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger wirft dem Appellationshof vor, er habe unzureichend
geprüft, ob die Beklagte hafte, weil sie die Schachtrahmen nach der
Herstellung nicht habe kontrollieren lassen. Ein kurzes abruptes Hochheben
und Absenken der Rahmen an ihren Schlaufen durch einen Gabelstapler
hätte zur Prüfung der Festigkeit der Schlaufen genügt. Eng mit der
Kontrollpflicht hänge die zweckmässige Organisation des Betriebes
zusammen. Inhalt dieser "Organisationshaftung" sei sicher einmal der
korrekte Ablauf der Herstellungsphase. Weiter habe der Geschäftsherr aber
schon organisatorisch eine Kontrolle der Produkte vorzusehen. Die cura in
custodiendo umfasse die sorgfältige Ausführung der Kontrolle, das Gebot
der zweckmässigen Organisation jedoch das Vorsehen einer Kontrolle.

    Nach Ansicht des Appellationshofes hätte der Fabrikationsfehler
durch eine Kontrolle der Schlaufen nicht entdeckt werden können. Die
Vorinstanz leitet diese Annahme aus dem Umstand ab, dass die Schlaufen
mindestens zweimal gehalten hatten. Der mangelhafte Schachtrahmen müsse als
sogenannter Ausreisser betrachtet werden, dessen Fehler durch zumutbare
Kontrolle nicht feststellbar gewesen sei. Im übrigen könne auch nicht
behauptet werden, der Betrieb der Beklagten sei unzweckmässig organisiert
gewesen.

    a) In BGE 90 II 90 wurde festgehalten, der Geschäftsherr habe zur
Haftungsbefreiung insbesondere nachzuweisen, dass er seinen Betrieb
zweckmässig organisiert habe. Für die Beurteilung jenes Falles war diese
Frage aber ohne Bedeutung. In einem früheren Entscheid zu Art. 62 alt
OR wurde der Direktion eines Betriebes ein Verschulden vorgeworfen,
weil sie die Arbeit der Hilfspersonen mangelhaft organisiert hatte. Der
Mangel wurde darin gesehen, dass keine Personen bezeichnet worden waren,
welche regelmässig eine bestimmte Arbeit auszuführen hatten und daher damit
vertraut waren, sondern dass die Arbeiter vielfach wechselten und einige
von ihnen dazu berufen wurden, die mit der Sache nur ganz ausnahmsweise
zu tun hatten (BGE 31 II 701). Unter dem Begriff des Organisationsmangels
wurde somit das Fehlen von Anweisungen darüber verstanden, wer die Arbeit
regelmässig auszuführen habe. In der Literatur zur Produzentenhaftung,
auf welche sich die Einwände des Klägers abstützen, wird dagegen der
Begriff der Organisation wesentlich weiter gefasst. Diese Autoren gehen
davon aus, die Arbeitsabläufe bei der industriellen Massenproduktion
seien derart kompliziert und für einen Aussenstehenden unübersichtlich,
dass der Beitrag des einzelnen Arbeiters unter dem Aspekt der Haftung
des Herstellers für Schäden aus mangelhaften Erzeugnissen in den
Hintergrund trete. Wichtiger als die Frage, ob der Geschäftsherr den
Fehler des einzelnen Arbeiters hätte verhindern können, sei deshalb, ob
er den Betrieb so organisiert habe, dass keine fehlerhaften Produkte das
Unternehmen verlassen. Folgerichtig wird daher verlangt, eine zweckmässige
Organisation habe auch die Kontrolle der fertigen Produkte zu umfassen
(BARBARA MERZ, Analyse der Haftpflichtsituation bei Schädigung durch
Medikamente, Diss. ZH 1980, S. 27 ff.; HANS NATER, Die Haftpflicht des
Geschäftsherrn gemäss OR 55 angesichts der wirtschaftlich-technischen
Entwicklung, Diss. ZH 1970, S. 62 ff.; FRANZ BURKI, Produktehaftpflicht
nach schweizerischem und deutschem Recht, Diss. BE 1976, S. 145 ff.).

    Diese Überlegungen können nicht ohne weiteres auf den vorliegenden
Sachverhalt übertragen werden. Sie sind auf Produktionsverhältnisse
zugeschnitten, wie sie in Grossbetrieben mit weitgehend automatisierten
Arbeitsabläufen gegeben sein mögen. Zudem wird von den erwähnten Autoren,
die de lege ferenda eine strenge Produzentenhaftung postulieren,
im allgemeinen zu wenig beachtet, dass die Anforderungen an den
Befreiungsbeweis des Geschäftsherrn gemäss Art. 55 Abs. 1 OR nach den
tatsächlich gegebenen Umständen bestimmt werden müssen; es geht daher
nicht an, die vom Geschäftsherrn im Einzelfall geforderte Sorgfalt an
Massstäben zu messen, die auf allgemeinen Annahmen über die Arbeitsabläufe
bei der Herstellung von Massenprodukten beruhen. Aus dem gleichen
Grunde darf die Tatsache, dass nachträglich - das heisst aufgrund der
Kenntnis über die Ursache des Produktemangels - im allgemeinen leicht
festzustellen ist, durch welche Massnahme der Fehler hätte entdeckt
und der Schaden verhindert werden können, nicht dazu verleiten, von
vornherein unerfüllbare Anforderungen an den Befreiungsbeweis zu stellen
(vgl. EMIL W. STARK, Einige Gedanken zur Produktehaftpflicht, in Festgabe
für Karl Oftinger, S. 292 f.). Auf die erwähnten Lehrmeinungen kann
dagegen auch im vorliegenden Fall insoweit abgestellt werden, als sie
mit Recht unterstreichen, dass sich die vom Geschäftsherrn gemäss Art. 55
Abs. 1 OR verlangte Sorgfalt nicht auf richtige Auswahl, Überwachung und
Instruktion der Hilfspersonen beschränkt, sondern der Geschäftsherr darüber
hinaus für eine zweckmässige Arbeitsorganisation und nötigenfalls für
die Endkontrolle der Produkte zu sorgen hat, wenn damit eine Schädigung
Dritter verhindert werden kann. Der Appellationshof hat dem zu wenig
Beachtung geschenkt und zudem nicht berücksichtigt, dass der allgemeine
Grundsatz des Haftpflichtrechts, wonach die Schaffung oder Unterhaltung
gefährlicher Zustände zum Ergreifen von Schutzmassnahmen verpflichtet,
auch für die Geschäftsherrenhaftung wegleitend sein muss (OFTINGER,
Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. II/1, 3. Auflage, S. 154/5).

    b) Wie bereits festgehalten, musste der Beklagten bewusst sein, dass
Herstellungsfehler, die sich auf die Festigkeit der Aufhängeschlaufen
auswirkten, zu einer Gefahr bei der Handhabung der Schachtrahmen führen
konnten. Die Arbeiter, die sich vor allem beim Ausrichten des Rahmens auf
dem Schachtrohr im direkten Gefahrenbereich des Rahmens befinden, müssen
darauf vertrauen können, dass die Aufhängeschlaufen unter allen Umständen
der Belastung standhalten. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, alle
nötigen und zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um Herstellungsfehler zu
verhindern, oder zu verunmöglichen, dass mangelhafte Erzeugnisse verkauft
wurden. Wird mit der Vorinstanz angenommen, ein Fabrikationsfehler,
wie er im vorliegenden Fall unterlief, hätte selbst mit einer anderen
Organisation des Herstellungsvorgangs nicht vermieden werden können,
so drängte sich die Vornahme einer Endkontrolle auf.

    Die Beklagte bestreitet nicht, dass sie die Festigkeit der
Aufhängeschlaufen nicht prüft. Sie bringt indes vor, die Schachtrahmen
würden nach der Fertigung aus der Fabrikhalle auf den Lagerplatz
transportiert, indem sie an den Schlaufen angehoben und weggeführt
würden. Dieser bewährte innerbetriebliche Vorgang komme einer Testanordnung
nahe. Der Kläger weist demgegenüber mit Recht darauf hin, dass bei einer
eigentlichen Kontrolle zu prüfen wäre, ob die Schlaufen einer höheren
als der normalen Belastung standhalten. Aus diesem Grund überzeugt auch
das Argument des Appellationshofes nicht, dass eine Kontrolle nichts
gebracht hätte, weil die mangelhafte Schlaufe vor dem Unfall mindestens
zweimal gehalten habe; denn das besagt nichts darüber, ob der Mangel
auch bei höherer Belastung nicht entdeckt worden wäre. Unklar ist
aber, wie eine zweckmässige, vom Aufwand her zumutbare und technisch
realisierbare Endprüfung zu gestalten wäre. Der Vorschlag des Klägers
scheint zwar tauglich zu sein, es fragt sich aber, ob die Kontrolle auf
diese Weise durchgeführt werden könnte, ohne dass gerade durch die Prüfung
die Verankerung der Schlaufe im Beton - von aussen nicht erkennbar -
gelockert und damit erst die Gefahr eines späteren Unfalls geschaffen
würde. Ob mit anderen Untersuchungsmethoden, wie etwa Durchleuchten, eine
ungenügende Haftung der Schlaufen im Beton festgestellt werden könnte,
ist bisher nicht geklärt worden.

    Die Frage, wie eine Nachkontrolle auszugestalten wäre, kann jedoch
offen bleiben. Denn sollte es keine tauglichen und zumutbaren Möglichkeiten
einer derartigen Prüfung gegeben haben, so durfte die Beklagte nicht darauf
verzichten, ohne durch eine sicherere Konstruktion die Gefahr, dass eine
Schlaufe ausreisst, auf ein Minimum zu reduzieren. Mit anderen Worten
hätte also die Beklagte die Konstruktion der Schachtrahmen so verändern
müssen, dass ein Ausreissen der Schlaufen auch dann mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschliessen war, wenn deren Festigkeit
nicht geprüft wurde oder geprüft werden konnte. Dass eine sicherere
Konstruktion ohne grossen Mehraufwand möglich ist, beweisen die Änderungen,
welche die Beklagte seit 1979 oder 1980 bezüglich der Aufhängeschlaufen
vorgenommen hat. Sie versieht seither die Schlaufen mit Widerhaken und
setzt bei exzentrischen Rahmen statt zwei deren drei ein. Die Widerhaken
vermindern die Gefahr, dass die Schlaufen bei ungenügendem Einvibrieren
ausreissen, und die dritte Schlaufe bietet mehr Sicherheit für den Fall,
dass eine der Schlaufen der Belastung nicht standhält.

    c) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Beklagte im
Hinblick auf die Funktion der Schlaufen, ein Einsetzen der Schachtrahmen
ohne Schädigung der beteiligten Arbeiter zu ermöglichen, verpflichtet war,
entweder durch eine Nachkontrolle allfällige Fehler bei der Produktion
aufzuspüren, oder, wenn sie eine solche Kontrolle nicht vornehmen wollte
oder konnte, eine sicherere Konstruktion zu wählen. Ihre Haftung ist
demnach aufgrund von Art. 55 Abs. 1 OR zu bejahen. Damit braucht die vom
Appellationshof verneinte Frage, ob die Klage auch auf Art. 41 OR gestützt
werden könnte, nicht entschieden zu werden.