Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 321



110 II 321

64. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. März 1984 i.S. E. gegen N.
(Berufung) Regeste

    Errungenschaftsgemeinschaft (Art. 216 und 217 ZGB).

    Ein Ehemann darf für den Unterhalt der Familie nur insoweit auf die
gemeinsame Errungenschaft zurückgreifen, ohne die Einwilligung der Ehefrau
einzuholen, als dieser Unterhalt im Rahmen des Üblichen bleibt (E. 1).

Sachverhalt

    A.- Der im Jahre 1924 geborene Hans E. und die im Jahre 1936 geborene
Ruth N. gingen am 3. März 1965 miteinander die Ehe ein, der zwei Kinder
entsprossen. Am 11. Mai 1967 schlossen die Ehegatten einen öffentlich
beurkundeten und von der Vormundschaftsbehörde genehmigten Ehevertrag,
in welchem sie unter anderem das während der Ehe erworbene Vermögen
dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft im Sinne von Art. 239
ZGB unterstellten.

    Das Bezirksgericht Zürich schied mit Urteil vom 22. Mai 1980 die Ehe
der Parteien in Gutheissung der Klage der Ehefrau gestützt auf Art. 142
ZGB. Es sprach die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder der Klägerin zu
und regelte das Besuchsrecht des Beklagten sowie seine Unterhaltspflicht
gegenüber den Kindern. Der Klägerin wurde ein Unterhaltsbeitrag
gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB zugesprochen. In güterrechtlicher Hinsicht
wurde der Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter dem Titel Sondergut
Fr. 120'000.--, unter dem Titel eingebrachtes Gut Fr. 39'000.-- und unter
dem Titel Vorschlagsanteil Fr. 76'431.40 zu bezahlen.

    Der Beklagte erhob Berufung und die Klägerin Anschlussberufung
an das Obergericht des Kantons Zürich betreffend die güterrechtliche
Auseinandersetzung und den Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau. Mit Urteil
vom 24. Mai 1983 verpflichtete das Obergericht den Beklagten unter anderem,
der Klägerin folgende Beträge zu bezahlen:
   a) als Sondergut:            Fr. 120'000.-- b) als eingebrachtes
   Gut:    Fr.  39'000.-- c) als Vorschlagsanteil:     Fr. 104'061.70

    Gegen dieses Urteil führt der Beklagte beim Bundesgericht Berufung und
beantragt unter anderem, der Klägerin sei lediglich ein Vorschlagsanteil
von Fr. 34'860.45 (anstatt Fr. 104'061.70) zuzusprechen.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und setzt den
der Klägerin zustehenden Vorschlagsanteil auf Fr. 90'466.45 fest.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Entsprechend den Anträgen in der Berufungsschrift ist nur noch die
Formulierung der Indexklausel, welche der Berechnung des Rentenanspruchs
der Klägerin zugrunde gelegt werden soll, und die Höhe des ihr nach
Güterrecht zustehenden Vorschlagsanteils streitig.

    Der Beklagte wirft dem Obergericht in erster Linie vor, es
habe den Vorschlagsanteil der Klägerin falsch berechnet. Wenn es in
Übereinstimmung mit der ersten Instanz angenommen habe, dass eine während
des Scheidungsprozesses eingetretene Verminderung der Errungenschaft
der Ehegatten bei der Vorschlagsberechnung grundsätzlich ausser acht
bleiben müsse und nur bei Vorliegen besonderer Umstände Berücksichtigung
finden könne, habe es gegen Bundesrecht verstossen. Der Ehemann sei nach
schweizerischem Recht weder unter dem Güterstand der Güterverbindung noch
der Gütergemeinschaft verpflichtet, Vorschlag zu äufnen. Unter beiden
Güterständen sei er auch frei, über seine Ersparnisse zu verfügen. Nichts
anderes ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 107
II 127 sowie aus der von HINDERLING (Schweizerisches Ehescheidungsrecht,
Zusatzband zur 3. Aufl., S. 161) und LEMP (N. 27 zu Art. 212 und 213 ZGB
und N. 8 zu Art. 214 ZGB) vertretenen Auffassung.

    Dabei übersieht der Beklagte allerdings, dass sich sowohl das
Bundesgericht wie auch die erwähnten Autoren an den zitierten Stellen
nur mit dem gesetzlichen Güterstand der Güterverbindung befassen,
nicht aber mit dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, der
unbestrittenermassen aufgrund des Ehevertrags vom 11. Mai 1967 für die
Parteien und mit Wirkung gegen Dritte gilt. Diesem Unterschied kommt
aber für die Frage, ob der Ehemann über die Errungenschaft verfügen
konnte, entscheidende Bedeutung zu. Bei der Güterverbindung steht die
Errungenschaft im ausschliesslichen Eigentum des Ehemannes, während
sie bei der Errungenschaftsgemeinschaft beiden Ehegatten zur gesamten
Hand zusteht (Art. 239 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 215 ff. ZGB). Im
Ehevertrag der Parteien vom 11. Mai 1967 wird denn auch unter Ziffer 5
ausdrücklich die in Art. 216 und 217 ZGB enthaltene Regelung der Verwaltung
und Verfügung über das Gemeinschaftsgut wiedergegeben. Die gemeinsame
Errungenschaft soll danach durch den Ehemann verwaltet werden, der aber
nur im Rahmen der ordentlichen Verwaltung ohne Zustimmung der Ehefrau über
das Gesamtgut verfügen kann. Daran ändert auch nichts, dass dem Ehemann
gemäss Art. 160 Abs. 2 ZGB die Pflicht obliegt, für den Unterhalt der
Familie aufzukommen. Ein Ehemann darf zu diesem Zweck nur insoweit ohne
Einwilligung der Ehefrau über die gemeinsame Errungenschaft verfügen, als
der Unterhalt der Familie im Rahmen des Gewöhnlichen bleibt (LEMP, N. 15
zu Art. 217 ZGB). Wenn die kantonalen Instanzen demnach davon ausgegangen
sind, dass das Erwerbseinkommen der Ehegatten und der Vermögensertrag des
Ehemannes grundsätzlich ausreichen, um den Unterhalt beider Ehegatten
während des Scheidungsprozesses knapp zu decken, so dass ein Rückgriff
auf die gemeinsame Errungenschaft für den Unterhalt einer besonderen
Rechtfertigung bedürfe, so ist darin keine Verletzung von Bundesrecht
zu erblicken.

    Zwar ist den Ausführungen in der Berufungsschrift zu entnehmen, dass
der Beklagte der Meinung ist, die Klägerin sei von der Vorinstanz bevorzugt
worden, indem ihr hohe Unterhaltsbeiträge zugesprochen worden seien. Dem
ist aber entgegenzuhalten, dass die Vorinstanz bei der Berechnung des
Unterhaltsbeitrages für die Klägerin von einem monatlichen Gesamteinkommen
der Ehegatten von Fr. 4'780.--, das sich aus dem Verdienst des Beklagten
von Fr. 4'380.-- und einem Beitrag der Klägerin an die ehelichen Lasten
von Fr. 400.-- zusammensetzt, ausgegangen ist. Unter Berücksichtigung
der Steuern setzte sie den Unterhaltsbedarf des Beklagten auf Fr. 2'446.--
und denjenigen der Klägerin auf Fr. 2'372.-- fest. Da der Unterhalt beider
Ehegatten aus dem Gesamteinkommen nicht ganz gedeckt werden konnte, mutete
die Vorinstanz dem Beklagten zu, den monatlichen Fehlbetrag von Fr. 66.--
bzw. Fr. 38.-- seinem Vermögen zu entnehmen. Wenn aber die Ehefrau
trotz ihres gesetzlichen Anspruchs auf ehelichen Unterhalt nur gerade
auf die Deckung ihres unumgänglichen laufenden Bedarfs verwiesen wurde,
so musste sich auch der Ehemann dieselbe Beschränkung gefallen lassen,
denn sonst wäre er und nicht etwa die Klägerin zu Lasten der gemeinsamen
Errungenschaft bevorzugt worden.