Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 287



110 II 287

59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. August 1984 i.S.
Winiker gegen Eng (Berufung) Regeste

    Art. 530 ff. OR. Gesellschaftsvertrag unter Käufern einer Liegenschaft.

    1. Unzulässige Berufung des einen Käufers auf Klauseln eines
gleichzeitig geschlossenen Vorvertrages, der alle erforderlichen Merkmale
eines Kaufvertrages aufweist (E. 1).

    2. Zweck der Gesellschaft, die Liegenschaft gemeinsam zu erwerben,
umzubauen und dann in Stockwerkeigentum überzuführen; Klage auf
Realerfüllung (E. 2a).

    3. Meinungsverschiedenheiten über die Art des Umbaues, welche die
Erfüllung und eine Einigung über die Nutzung der Liegenschaft erschweren;
Rechtsfolgen (E. 2b und c).

Sachverhalt

    A.- Am 29. Juli 1977 schloss Hans Wärtli als Verkäufer mit Georg Eng
und Anton Winiker als Käufern einen öffentlich beurkundeten Vorvertrag über
den Verkauf eines Wohn- und Geschäftshauses in Aarau. Unter "Bestimmungen
für den Kaufvertrag" vereinbarten die Parteien vorweg, dass die beiden
Käufer unter Vorbehalt freier Verständigung das Haus je zur Hälfte
zu Miteigentum erwerben sollten, dass der Kaufpreis von Fr. 837'500.-
mit Fr. 387'500.- von Eng und mit Fr. 450'000.- von Winiker bezahlt
werde und dass der Antritt am 3. April 1978 stattfinde. Zur Sicherung des
Kaufvertrages sahen die Parteien unter "Bestimmungen für diesen Vorvertrag"
eine Konventionalstrafe von Fr. 100'000.- vor. Die künftige Nutzung der
Liegenschaft und deren Umbau wurde durch eine "Vereinbarung unter den
Käufern" geregelt, die sich abschliessend zur Sicherung ihrer Ansprüche
aus dem Vorvertrag ein Kaufsrecht für die Zeit vom 3. April bis 30. Juni
1978 einräumen liessen.

    In der Folge kam es zwischen den beiden Käufern zu
Meinungsverschiedenheiten, weil Winiker einen Abbruch mit Neubau wünschte,
während Eng auf einem blossen Umbau bestand. Am 1. April 1978 schloss
Winiker mit Wärtli einen Kaufvertrag, nach welchem er am gleichen Tag
Alleineigentümer der Liegenschaft wurde. Eng erfuhr davon erst einige
Tage später. Durch vorsorgliche Massnahme erwirkte er daraufhin, dass
sein Miteigentumsrecht am 17. April 1978 im Grundbuch vorgemerkt wurde.

    B.- Mit Klage vom 27. Februar 1979 beantragte Eng dem Bezirksgericht
Aarau insbesondere, dass Winiker ihm zum Preise von Fr. 387'500.- das
Miteigentum an der Hälfte der Liegenschaft zu übertragen habe und das
Grundbuchamt zu den nötigen Eintragungen zu verhalten sei.

    Der Beklagte widersetzte sich diesen Rechtsbegehren. Das Bezirksgericht
und auf Appellation hin am 22. September 1983 auch das Obergericht des
Kantons Aargau hiessen die Begehren jedoch gut.

    C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts hat der Beklagte Berufung
eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach dem angefochtenen Urteil kann die Klage sich weder auf das mit
Wärtli vereinbarte Kaufsrecht noch auf die Verpflichtung des Beklagten
gegenüber Wärtli stützen, dem Kläger unter gewissen Bedingungen den
Miteigentumsanteil doch noch zu übertragen. Das Obergericht erblickt
dagegen im Vorvertrag der Parteien mit Wärtli einen eigentlichen
Kaufvertrag, der alle erforderlichen Merkmale aufweise und eine Klage
auf Zusprechung des Eigentums erlaube. Den Parteien sei es in erster
Linie um den Erwerb und die Nutzung der Liegenschaft gegangen, wobei das
Ausbaukonzept in seinen Einzelheiten nicht wesentlicher Vertragsinhalt
gewesen sei und auch nicht die Meinung bestanden habe, dass man sich
darüber noch vor dem eigentlichen Kauf einigen müsse. Falls der Beklagte
von Anfang an einen Neubau gewollt haben sollte, hätte er dies zum Ausdruck
bringen müssen; der Vorvertrag spreche jedenfalls eher für einen Umbau als
für einen Neubau. Dass lediglich ein Vorvertrag abgeschlossen worden sei,
habe einzig dem bis 31. März 1978 befristeten Vorkaufsrecht des Mieters
Baumgartner Rechnung getragen. Die Konventionalstrafe sei nur für den
hier nicht eingetretenen Fall vorgesehen worden, dass eine Partei die
Erfüllung des Vorvertrages verweigere.

    Der Beklagte will den Vorvertrag nicht als Hauptvertrag gelten lassen,
weil das gerade nicht dem Willen der Parteien entsprochen habe, sondern
den Vorkaufsfall ausgelöst hätte, den man habe vermeiden wollen. Auch die
vereinbarte Konventionalstrafe zeige, dass man Vor- und Hauptvertrag habe
auseinanderhalten wollen. Der Vorvertrag sei daher nicht einem Kaufvertrag
gleichzusetzen und er berechtige schon gar nicht zur Übertragung von
Miteigentum vom Beklagten auf den Kläger. Das angefochtene Urteil verletze
deshalb die Art. 22 Abs. 1 und 216 Abs. 2 OR sowie Art. 665 Abs. 1 ZGB.

    Auf diese Rügen wäre einzutreten, wenn es vorliegend um den Vollzug
des Vor- und Kaufvertrages der Parteien mit Wärtli ginge oder wenn Wärtli
vom Kläger wegen Vertragsbruchs belangt würde. Nachdem nun aber der
Beklagte inzwischen Alleineigentümer der Liegenschaft geworden ist und die
Klage sich ausschliesslich gegen ihn richtet, können die Rechtsbegehren
des Klägers sich nicht mehr auf den Vor- oder Kaufvertrag mit Wärtli
stützen. Die beiden Vorinstanzen stimmen darin überein. Der Beklagte kann
daher im vorliegenden Verfahren aus den Klauseln über das Kaufsrecht und
die Konventionalstrafe, die beide die Vereinbarungen mit Wärtli sichern
sollten, nichts zu seinen Gunsten ableiten.

Erwägung 2

    2.- Entscheidend sind vielmehr die Vertragsbeziehungen zwischen den
Parteien. Das Obergericht unterstellt sie den Regeln über die einfache
Gesellschaft (Art. 530 ff. OR). Zwar erwachse dem Kläger daraus kein
dinglicher Anspruch, doch könne er auf Einräumung des vereinbarten
Miteigentums klagen; der Beklagte habe eigenmächtig und bösgläubig
gehandelt, da er die Liegenschaft am 1. April 1978 zu Alleineigentum
erworben habe, also unmittelbar nach Ablauf des Vorkaufsrechts Baumgartners
(31. März 1978) und noch vor Beginn des Kaufsrechts der Parteien (3. April
1978), als eine entsprechende Vormerkung seitens des Klägers zu befürchten
gewesen sei.

    a) Im kantonalen Verfahren hat der Beklagte anerkannt, dass er mit
dem Kläger eine einfache Gesellschaft vereinbart habe. Davon geht er
offenbar auch noch in der Berufung aus; nach dem Vertrag vom 29. Juli
1977 liegt das Gesellschaftsverhältnis der Parteien jedenfalls auf
der Hand. Dazu gehörte nicht nur die "Vereinbarung unter den Käufern"
gemäss Abschnitt V des Vertrages, die Liegenschaft gemeinsam zu nutzen und
umzubauen und sie später in Stockwerkeigentum überzuführen; Gegenstand des
Gesellschaftsvertrages war auch der Erwerb der Liegenschaft zu hälftigem
Miteigentum an sich. Ein solcher Zweck verträgt sich durchaus mit dem
Begriff einer einfachen Gesellschaft im Sinn von Art. 530 OR (vgl. BGE
108 II 208 E. 4 mit Zitaten; WERNER VON STEIGER, in Schweizerisches
Privatrecht Bd. VIII/1 S. 332; SIEGWART, N. 52 vor Art. 530 OR).

    Die beiden Gesellschafter wollten gegen Bezahlung der festgelegten
Anteile die Liegenschaft zu Miteigentum erwerben. Der Beklagte hat dies
durch sein Verhalten jedoch verunmöglicht. Das Bezirksgericht fand,
der Kläger habe damit seinen Anspruch verloren; der Beklagte handle
aber rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf diesen Umstand berufe. Das
Obergericht ist dem zu Recht nicht gefolgt. Der Gesellschaftszweck ist
unbekümmert darum, dass der Beklagte inzwischen Alleineigentümer der
Liegenschaft geworden ist, gültig geblieben; er kann noch ohne weiteres
erreicht werden, indem der Kläger seinen Miteigentumsanteil nunmehr vom
Beklagten statt von Wärtli erwirbt. Formvorschriften stehen einem solchen
Anspruch nicht entgegen, da die Vereinbarungen unter den Beteiligten
am 29. Juli 1977 in ihrer Gesamtheit öffentlich beurkundet worden sind
(vgl. SIEGWART, N. 63 ff. zu Art. 530 OR). Eine Klage auf Realerfüllung ist
auch bei Sachleistungen aus einem Gesellschaftsvertrag möglich (SIEGWART,
N. 80 zu Art. 530 OR; W. VON STEIGER, S. 375). Selbst wenn nach Ansicht
des Beklagten der Vorvertrag mit Wärtli nicht dem eigentlichen Kaufvertrag
gleichzusetzen wäre, obschon er formell wie materiell alle Elemente
eines solchen Vertrages enthält, war am 29. Juli 1977 jedenfalls der
Gesellschaftsvertrag endgültig zustande gekommen.

    b) Der Beklagte beruft sich denn auch vor allem darauf, der
Gesellschaftsvertrag sei wegen versteckten Dissenses über einen
wesentlichen Punkt ungültig, was das Obergericht in Verletzung von
Art. 1 und 2 Abs. 1 OR zu Unrecht verneint habe. Er macht geltend, die
Vorstellungen der Parteien über die notwendige bauliche Umgestaltung,
die gesunden kaufmännischen und wirtschaftlichen Überlegungen standhalten
müsse, gingen stracks auseinander. Die beiden Architekten der Parteien
hätten im Vorprojekt vom 8. November 1977 einen Neubau vorgezogen,
wobei eine Umbauvariante vom 12. Dezember 1977 wirtschaftlich ungünstiger
gewesen sei. Der Kläger habe aber beides abgelehnt, weshalb nur noch eine
Pinselrenovation in Frage gekommen wäre. Eine Erfüllung des Vorvertrages
sei ohne entscheidende Umgestaltung des bestehenden Baues auch gar nicht
möglich. Dem Kläger stehe nämlich nach Vertrag nur etwa die Hälfte des
Parterres zu, das zu zwei Drittel für das Café Kiebitz beansprucht werde.
Die Umgestaltung habe auch bauliche Eingriffe in den obern Stockwerken
zur Folge.

    Dass der Dissens nach Ansicht des Beklagten nicht die objektiv
wesentlichen, sondern nur subjektiv wesentliche Punkte eines
Gesellschaftsvertrages betrifft, ändert nichts, weil das Zustandekommen
des Vertrages von der Einigung über diese und jene Punkte abhängt
(Art. 2 Abs. 1 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 93 f.; BGE 103
II 193). Entscheidend ist somit, was die Parteien als wesentlichen
Vertragsinhalt betrachtet haben. Die Vorinstanz nimmt aufgrund der
Parteiaussage des Beklagten und weiterer Umstände an, die Frage, ob die
Liegenschaft umgebaut oder ein Neubau erstellt werden sollte, sei beim
Vertragsschluss für die Parteien von zweitrangiger Bedeutung gewesen;
Einzelheiten seien zudem weiterer Verständigung vorbehalten worden. Hätte
der Beklagte von Anfang an einen Neubau geplant, so hätte das im Vertrag,
der eher für einen Umbau spreche, klar zum Ausdruck kommen müssen.

    Die darin enthaltene Feststellung des Obergerichts über den
wirklichen Willen der Parteien ist tatsächlicher Natur und daher für das
Bundesgericht verbindlich; soweit es um Auslegung rechtsgeschäftlicher
Willenserklärungen anhand des Vertragstextes geht, ist der Vorinstanz
ohne weiteres beizupflichten. Es ist offensichtlich und wird auch vom
Beklagten nicht ernsthaft bestritten, dass sich die von ihm behauptete
Notwendigkeit oder Zweckmässigkeit eines Neubaues erst nachträglich
ergeben hat. Dass er selbst von Anfang an nur einen Neubau gewollt habe,
wagt angesichts des Vertragstextes auch der Beklagte nicht zu behaupten. Er
macht bloss geltend, der Kläger sei von vorneherein nicht bereit gewesen,
die Liegenschaft wirtschaftlich einigermassen sinnvoll zu nutzen. Er
schweigt sich aber darüber aus, weshalb der Kläger hätte Miteigentum
erwerben wollen, ohne eine solche Nutzung zu beabsichtigen. Von einem
Dissens bei Vertragsschluss darüber, dass durch Umbauten eine sinnvolle
Nutzung der Liegenschaft ermöglicht werden sollte, kann daher im Ernst
keine Rede sein.

    c) Der Streit geht im Grund einzig darum, wie die Liegenschaft am
besten genutzt wird. Das festzulegen war gerade nicht Sinn und Zweck
des Gesellschaftsvertrages, der vielmehr eine Planung durch zwei von den
Parteien bezeichnete Architekten vorsah. Alles Weitere sollte, wie die
Vorinstanz zu Recht annimmt, später bereinigt werden. Was zu geschehen
hatte, wenn die Parteien sich darüber nicht einigen konnten, lässt das
Obergericht freilich offen. Das braucht jedoch auch im Berufungsverfahren
nicht näher untersucht zu werden. Soweit der Vertrag dazu keine Abreden
enthält, gelten die Regeln über die einfache Gesellschaft (Art. 530
ff. OR), insbesondere Art. 534 Abs. 1 OR, wonach Beschlüsse mit Zustimmung
aller Gesellschafter gefasst werden. Sollten die Parteien an diesem
Erfordernis endgültig scheitern, so müsste die Gesellschaft allenfalls
aufgelöst und liquidiert werden (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 1 OR).

    Unter diesen Umständen ist auch nicht zu untersuchen, ob die Aufteilung
des Parterres schwerwiegende bauliche Eingriffe erheischt. Insbesondere
kann offenbleiben, ob eine Aufteilung nach Hälften anstelle der bisherigen
Unterteilung des Parterres im Verhältnis von ungefähr eins zu zwei ohne
gänzlichen Umbau oder Neubau überhaupt möglich wäre, wie die Vorinstanz
annimmt, oder ob der Kläger das Parterre im Ausmass des bestehenden
Café Kiebitz beanspruchen kann, wie er offenbar meint. Die Auffassung
des Obergerichts über die Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages ist
bundesrechtlich so oder anders nicht zu beanstanden.

    Da von einem gültigen Gesellschaftsvertrag auszugehen ist, kann
der Kläger verlangen, dass die streitige Liegenschaft zur Hälfte ihm
zu Miteigentum übertragen wird. Das angefochtene Urteil ist daher zu
bestätigen.