Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 255



110 II 255

52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Mai 1984 i.S. S.
gegen Staat Indien (Berufung) Regeste

    Diplomatische Immunität, Staatenimmunität und Gerichtsbarkeit bei
Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen einem Missionsmitglied
mit der Nationalität eines Drittstaates und dem Entsendestaat.

    1. Der Grundsatz der diplomatischen Immunität verlangt keine
Ermächtigung des Entsendestaates für Klagen des Missionsmitglieds (Art. 31
Ziff. 1 und 2, 32 Ziff. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische
Beziehungen vom 18. April 1961) (E. 2).

    2. Arbeitsverhältnis eines Italieners, der bei der indischen Botschaft
in der Schweiz zuerst als Radiotelegraphist, später als Bürogehilfe tätig
war, im vorliegenden Fall dem nichthoheitlichen Tätigkeitsbereich des
Entsendestaates zugeordnet und folglich die schweizerische Gerichtsbarkeit
bejaht (E. 3-5).

Sachverhalt

    A.- Mit Schreiben vom 11. Dezember 1957 offerierte die indische
Botschaft in Bern dem italienischen Staatsangehörigen S., ihn als
Radiotelegraphisten anzustellen. S., der bis dahin in Rom gewohnt hatte, im
November 1957 in die Schweiz eingereist war, sich da zunächst als Tourist
aufgehalten hatte und im Dezember 1957 nach Bern gekommen war, erklärte
sich mit dem Angebot einverstanden und nahm die Arbeit am 13. Januar 1958
auf. Noch im gleichen Monat liess er sich definitiv in Bern nieder.

    Im Verlauf der Zeit erfüllte S. immer weniger technische Aufgaben
als Telegraphist und übernahm dafür untergeordnete Büroarbeiten; er hatte
insbesondere die eingehenden Telexmeldungen aus der technischen Sprache in
stilistisch gutes Englisch zu übertragen, französische Zeitungstexte und
italienische Korrespondenz ins Englische zu übersetzen sowie Photographien
herzustellen. Ab 1976 war er schliesslich nur noch als Bürogehilfe tätig.

    Das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 1979.

    B.- Daraufhin klagte S. aus dem Arbeitsvertrag gegen den Staat Indien
auf Zahlung eines Fr. 20'000.- übersteigenden Betrags. Der Appellationshof
des Kantons Bern, der das Verfahren auf die Vorfrage des Geltungsbereichs
der staatlichen und diplomatischen Immunität beschränkt hatte, wies
am 25. Mai 1983 die Klage ohne Prüfung ihrer materiellen Begründetheit
zurück, weil er fand, der Anspruch falle zwar nicht unter die staatliche
Immunität des Beklagten, jedoch unter die diplomatische Immunität des
Klägers, weshalb er der Beurteilung durch die schweizerische und bernische
Gerichtsbarkeit entzogen sei.

    Der Kläger hat Berufung eingereicht und beantragt, das Urteil
des Appellationshofs aufzuheben, die schweizerische Gerichtsbarkeit zu
bejahen und die Sache an die kantonale Instanz zur materiellen Beurteilung
zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Appellationshof verneint die Gerichtsbarkeit deshalb,
weil der Kläger als Mitglied des Verwaltungs- und technischen
Personals der indischen Botschaft gemäss dem Wiener Übereinkommen über
diplomatische Beziehungen von 18. April 1961 (SR 0.191.01) die persönliche
(diplomatische) Immunität genossen und der Beklagte auf die diplomatische
Immunität nicht dadurch verzichtet habe, dass er dem Kläger erlaubt hätte,
Klage zu erheben.

    Die Annahme, auch Klagen bedürften der Ermächtigung des
Entsendestaates, belegt die Vorinstanz mit einem Gutachten des Bundesamtes
für Justiz, Sektion für internationales Privatrecht, vom 6. Mai 1983,
das jedoch diese These nicht näher begründet. Gemäss Art. 31 Ziff. 1 des
Wiener Übereinkommens steht dem diplomatischen Vertreter die Immunität von
der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates zu; er ist nicht verpflichtet,
als Zeuge auszusagen (Art. 31 Ziff. 2). Dass er umgekehrt ohne Einwilligung
des Entsendestaates keine Klagemöglichkeit hat, kann dem Wortlaut
von Art. 31, aber auch den anderen Bestimmungen des Übereinkommens,
nicht entnommen werden. Art. 32 Ziff. 3 enthält vielmehr ein Argument
für die selbständige Klagebefugnis des Diplomaten, indem er vorsieht,
dass ein Diplomat, der Klage erhoben hat, sich einer Widerklage, die mit
der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht unter Berufung
auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit entziehen kann. Zu beachten
ist ferner Art. 2 Abs. 3 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und seiner Majestät dem
König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der
Dominien jenseits der Meere, namens des Dominions Indien, vom 14. August
1948 (SR 0.142.114.231). Auch er schränkt die Klagemöglichkeit ebenfalls
in keiner Weise ein.

    Die Lehre, soweit sie sich überhaupt dazu äussert, neigt mehrheitlich
ebenfalls dazu, eine selbständige Klagebefugnis zu bejahen. VERDROSS/SIMMA
(Universelles Völkerrecht, S. 458) behandeln die Immunität unter der
Überschrift "Vorrechte der Missionsmitglieder und ihrer Angehörigen im
Empfangsstaat"; das können sie nur dann, wenn sie in der Immunität einen
Schutz vor Prozessen, nicht aber eine Beschränkung der Klagebefugnis
erblicken. KUMMER (Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. Aufl. S. 29)
erklärt ausdrücklich, dass die gerichtsbefreite Person in der Schweiz
klagen kann (vgl. ferner BERBER, Lehrbuch des Völkerrechts, I. Band
2. Aufl., S. 187; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl.,
S. 81; DERSELBE, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht
der Schweiz, S. 3; MENZEL/IPSEN, Völkerrecht, 2. Aufl. S. 278; PERRENOUD,
Régime des privilèges et immunités des missions diplomatiques étrangères
et des organisations internationales en Suisse, Diss. Lausanne 1949,
S. 187; gegenteilig anscheinend BINDSCHEDLER, in SJIR 1961/XVIII,
S. 38/39; SEIDL-HOHENVELDERN, Völkerrecht, S. 220 N. 741 und vor allem
der dort zitierte RGZ 111, 149; SUY, in Österreichische Zeitschrift für
öffentliches Recht, Bd. XII S. 107). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz
kann deshalb die Gerichtsbarkeit nicht unter Hinweis auf die diplomatische
Immunität des Klägers verneint werden.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen bleibt, ob die Begründung und der Vollzug des
umstrittenen Arbeitsverhältnisses zur hoheitlichen Tätigkeit des
Beklagten zu zählen sind; denn nach der herrschenden Rechtsprechung
und Lehre unterliegt der fremde Staat dann nicht der inländischen
Zivilgerichtsbarkeit, wenn er hoheitlich handelt (acta iure imperii im
Gegensatz zu acta iure gestionis: BGE 106 Ia 147 E. a mit Verweisung auf
Literatur; 104 Ia 374 E. a, 86 I 29 E. 2, 56 I 237 ff., 44 I 54; ferner
SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen im Recht der Staatenimmunität, in
Festschrift Beitzke, Berlin 1979, S. 1081 ff.; HERNDL, Zur Problematik der
Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, in Festschrift Verdoss, Berlin 1980,
S. 426; MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 2. Aufl. S. 298).

    Der Appellationshof geht auf diese Fragen einlässlich ein. Er
berücksichtigt, dass Arbeits- und Wohnort des Klägers während mehr
als 20 Jahren Bern gewesen sei und dass dort das Arbeitsverhältnis
begründet und anschliessend auch erfüllt worden sei; es liege somit ein
Rechtsgeschäft und kein Hoheitsakt vor, und die staatliche Immunität des
Beklagten entfalle, zumal auch die Schweiz übereinstimmend mit andern
Staaten ausländisches Botschaftspersonal mit niedrigen Funktionen gemäss
dem Recht am konkreten Arbeitsort, d.h. fast ausnahmslos nach Privatrecht
anstelle. Der Beklagte findet demgegenüber, die Anstellung des Klägers
habe die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe bezweckt und sei deshalb als
Hoheitsakt zu betrachten, genau so wie die Tätigkeiten, die der Kläger
in Ausübung seiner dienstlichen Pflichten verrichtet habe.

    a) Bei der Abgrenzung der acta iure imperii von den acta iure gestionis
steht die Frage im Vordergrund, ob der Staat als Privatrechtssubjekt,
wie ein Privater gehandelt hat (BGE 106 Ia 147 E. a, 56 I 247 E. 2,
44 I 54). Namhafte Autoren erblicken darin in Übereinstimmung mit
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Frage der Natur des
Rechtsverhältnisses (BGE 106 Ia 145 E. b und c, 104 Ia 374 E. a mit
Verweisung, 56 I 247 oben; MÜLLER/WILDHABER, S. 298; SCHAUMANN, in
Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, Die Immunität
ausländischer Staaten nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozessrecht,
S. 103 ff.; SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen, S. 1087). Dabei
ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass ein
ernsthaftes Indiz für einen Akt iure gestionis vorliegt, wenn der fremde
Staat mit dem Privaten ausserhalb seines Staatsgebiets in Beziehung
getreten ist (BGE 104 Ia 371 oben, 86 I 29 oben). Ferner hat sich die
Qualifikation der Handlung am Sinn und Zweck der staatlichen Immunität zu
orientieren. Dieser besteht in erster Linie im Schutz der hoheitlichen
Funktionen des ausländischen Staates im Aussenbereich, in zweiter Linie
im Schutz der Souveränität und Unabhängigkeit des ausländischen Staates
sowie in der Verhütung internationaler Konflikte (SCHAUMANN, S. 63, 93;
HERNDL, S. 443; SUY, in Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht,
Bd. XII S. 110). Dabei sind den die Immunität rechtfertigenden Gründen das
Interesse des Gerichtsstaates auf Ausübung seiner Gerichtshoheit und jenes
des Klägers auf Rechtsschutz gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen
(SCHAUMANN, S. 60 f., 93; GAMILLSCHEG, Internationales Arbeitsrecht,
S. 190). Die Tendenz in der neueren Lehre und Rechtsprechung geht
eher dahin, den Bereich der staatlichen Immunität einzuschränken;
namentlich die schweizerische Praxis neigt seit jeher in diese Richtung
(HERNDL, S. 423, 437; vgl. ferner HABSCHEID, in Berichte der deutschen
Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, Die Immunität ausländischer Staaten
nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozessrecht, S. 217; Abs. 3 der
Präambel des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität, das
für die Schweiz am 7. Oktober 1982 in Kraft getreten ist (SR 0.273.1);
allgemein und zur indischen Praxis im besonderen auch SINCLAIR, in Académie
de droit international, Recueil des cours 1980 Bd. II, S. 194 ff.).

    b) Das Bundesgericht hatte sich bisher noch nie zur Frage zu äussern,
ob die Begründung und Weiterführung eines Arbeitsverhältnisses zwischen
einem ausländischen Staat und einem Botschaftsangestellten, der nicht
Angehöriger dieses ausländischen Staates ist, als actum iure imperii
anzusehen sei. In BGE 86 I 29 E. 3 wurde ein Vertrag, mit dem der
Eigentümer sein Haus als Botschaftsgebäude vermietet hatte, als actum
iure gestionis qualifiziert. Das Bundesgericht berücksichtigte dabei als
Indiz, dass der ausländische Staat das Geschäft auf dem Gebiet eines
andern Staates getätigt hatte und die diplomatischen Beziehungen zum
andern Staat nicht betroffen waren. Ähnlich entschied im Ergebnis das
deutsche Bundesverfassungsgericht zu einem Vertrag über Reparaturarbeiten
an den Heizungsanlagen eines Botschaftsgebäudes (BVerfGE 16 (1964), 27,
wiedergegeben bei MÜLLER/WILDHABER, S. 299 ff.). Anstelle des fremden
Staates hätte irgendein Privater beide Verträge abschliessen können.
Ebenso hätte im vorliegenden Fall anstelle des Beklagten irgendein Dritter
den Kläger als Radiotelegraphisten anstellen können. Kein hinreichendes
Kriterium ist, ob das zum Zweck der Nachrichtenvermittlung in einer
diplomatischen Mission erfolgt ist, denn wollte man in dieser Art ganz
generell auf den Zweck abstellen, so hätte auch in den beiden zitierten
höchstrichterlichen Entscheidungen die Staatenimmunität bejaht werden
müssen. Es genügt daher nicht, anzunehmen, der Betrieb einer Mission
gehöre zu den hoheitlichen Aufgaben eines Staates und die Anstellung
von Personal zu diesem Zweck sei deshalb ein Akt iure imperii (so aber
offenbar HERNDL, S. 431/32; ferner ausländische, namentlich ältere
italienische Entscheidungen: vgl. bei GAMILLSCHEG, S. 404 f.; SCHAUMANN,
S. 99/100). Der Zweck des Rechtsverhältnisses kann ein beachtenswerter,
jedoch für sich allein kein hinreichender Hinweis auf die Rechtsnatur
eines Verhältnisses sein (SCHAUMANN, S. 101 ff., 111, 124; CAHIER,
Le droit diplomatique contemporain, 2. Aufl. S. 238). Kauf- und
Mietverträge beispielsweise bleiben nichthoheitlicher Natur, auch wenn
sie ein Botschaftsgebäude zum Gegenstand haben (SCHAUMANN, S. 81, 100,
111 ff., 148; SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen, S. 1088 ff.). Der
Entsendestaat wird namentlich nicht in seiner Tätigkeit auf fremdem
Staatsgebiet beeinträchtigt, wenn Streitigkeiten aus derartigen Verträgen
der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates unterliegen.

Erwägung 4

    4.- Arbeitsverhältnisse sind analog den erwähnten Miet-
und Kaufverträgen zu qualifizieren. Kann der Entsendestaat bei
Botschaftsangehörigen mit höheren Funktionen ein namhaftes Interesse
daran haben, dass Rechtsstreitigkeiten, in die sie verwickelt sind, nicht
vor fremden Gerichten ausgetragen werden, so liegen die Verhältnisse bei
Angestellten mit niedrigen Chargen wesentlich anders. Die Gerichtsbarkeit
kann hier in der Regel jedenfalls dann bejaht werden, wenn der Angestellte
nicht Angehöriger des Entsendestaates ist und sich am Ort der Botschaft
hat anwerben und anstellen lassen (ebenso Urteil des italienischen
Kassationshofs vom 24.5.1956 und des Zivilgerichts Neapel vom 2.12.1957,
bei GAMILLSCHEG, S. 406). Der Entsendestaat wird damit in der Erfüllung
seiner Aufgaben nicht behindert.

    a) Ob der Kläger zu Beginn seiner Anstellung in einer untergeordneten
Funktion tätig war, könnte allenfalls zweifelhaft sein. Nach der
schweizerischen Regelung für die analoge Funktion der Telegraphisten
wäre die Frage zu bejahen (vgl. nachstehend d). Später jedenfalls
verrichtete der Kläger während vielen Jahren eindeutig untergeordnete
Arbeiten. Inwiefern der Streit über Ansprüche aus seiner Tätigkeit
insgesamt vor einem fremden Gericht die Interessen des Beklagten,
namentlich die Erfüllung seiner diplomatischen Aufgaben, gefährdet
oder gar behindert, ist nicht einzusehen und wird vom Beklagten auch
nicht dargetan. Seiner Berufung auf die staatliche Immunität stehen
vielmehr gewichtige und letztlich überwiegende Interessen des Klägers
gegenüber. Er hatte als italienischer Staatsangehöriger von allem Anfang
an keine Beziehung zu Indien, und auch seine Tätigkeit in der Mission
konnte, weil sie hauptsächlich untergeordneter Art war, keine solche
herstellen. Er wurde überdies ausserhalb des Entsendestaates angeworben
und angestellt. Es ist ihm deshalb nicht zuzumuten, dass er sein Recht
vor indischen Gerichten suchen muss.

    b) Gegen die Annahme eines hoheitlichen Rechtsverhältnisses sprechen
auch die Umstände des Briefs der indischen Botschaft vom 11. Dezember
1957 an den Kläger, wonach er den "standing administrative regulations
applicable to the locally recruited employees in this Mission" unterstehen
sollte. Die Vorinstanz schliesst nicht aus, dass die "administrative
regulations" allenfalls Aufschluss über die Natur des Rechtsverhältnisses
hätten geben können. Der Beklagte brachte sie jedoch nicht bei, so dass die
Vorinstanz zu Recht annehmen durfte, es liege ein weiteres Indiz für ein
actum iure gestionis vor. Ausserdem machte er weder im kantonalen Verfahren
noch vor Bundesgericht geltend, der Prozess über die eingeklagten Ansprüche
zwänge ihn, staatliche Geheimnisse preiszugeben. Gleichwohl behauptet er in
der Berufung weiterhin, es komme indisches öffentliches Recht zur Anwendung
und eine andere Lösung widerspreche dem Wiener Übereinkommen. Er vermag
jedoch keine Bestimmung des Übereinkommens zu nennen, aus der sich das
ergeben soll. Im Schreiben vom 3. Februar 1983 erklärte der Botschafter
der Beklagten:

    "According to the general practice based on administrative resolutions
   all members of the administrative and technical staff of a diplomatic
   mission and enjoying the immunities provided for in the Vienna
   Convention on Diplomatic Relations are regarded to be officers of
   the Government whose position is not susceptible to be determined or
   modified by way of contractual stipulations."

    Der Nachweis, dass der Kläger von der geltend gemachten Praxis bei
Abschluss des Anstellungsvertrages Kenntnis hatte, fehlt indessen, so
dass sie ihm unter den bekannten Umständen nicht nachträglich vorgehalten
werden darf.

    c) Das Bundesamt für Justiz weist in seinem Gutachten im Sinne
eines weiteren Anhaltspunktes auf das Europäische Übereinkommen über
Staatenimmunität (SR 0.273.1) hin. Dieses Übereinkommen ist im Verhältnis
zwischen der Schweiz und Indien nicht anwendbar; allein es können ihm auch
Staaten beitreten, die nicht Mitglieder des Europarates sind (Art. 37). Das
Bundesgericht nahm auf es als Ausdruck der Entwicklungstendenz des
Völkerrechts bereits Bezug, als ihm die Schweiz noch nicht beigetreten
war (BGE 104 Ia 368 E. a, 372/73). Das heisst freilich nicht, das
Übereinkommen spiegle den gegenwärtigen Stand des Völkergewohnheitsrechts
wieder. So erklärte das Bundesgericht im Zusammenhang mit einem
Vollstreckungsverfahren, dem Übereinkommen lägen Anschauungen zugrunde,
die mit seiner Rechtsprechung nicht ohne weiteres vereinbar seien (Urteil
vom 20. Juli 1979 i.S. République Arabe d'Egypte gegen Cinetelevision
International Registered Trust et Office des poursuites de Genève, in SJIR
1981/XXXVII, S. 211). Das Übereinkommen kann ferner dort von vornherein
nicht Ausdruck des bestehenden Völkergewohnheitsrechts sein, wo es einem
seiner wesentlichen Ziele entsprechend die Schwierigkeiten aus dem Weg
räumen will, die in der Vergangenheit bei der Bestimmung des Ausmasses der
gerichtlichen Immunität aufgetreten sind (dazu vgl. Botschaft in BBl 1981
II S. 982, 984). Das gilt insbesondere für Art. 5 des Übereinkommens,
der eine "besondere Regelung" enthält und allein aus der Sicht der
Vertragsparteien gerechtfertigt erschien (Botschaft, S. 986). Gemäss
Abs. 1 dieser Bestimmung besteht für Verfahren zwischen einem Staat und
einer natürlichen Person über einen Arbeitsvertrag, der im Gerichtsstaat
zu erfüllen ist, keine Immunität von der Gerichtsbarkeit. Nach Abs. 2
lit. b gilt diese Regel allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehöriger des Gerichtsstaates war
noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte. Man könnte
sich nun streiten, wo der Kläger im Dezember 1957 seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hatte. Wäre das Rom gewesen, so läge ein Argument zur Bejahung
der Immunität vor. Die Frage kann freilich offen gelassen werden, denn die
Auffassung, dass im vorliegenden Fall auf den gewöhnlichen Aufenthalt im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sei, überzeugt kaum. Zumindest
für langjährige Anstellungsverhältnisse muss eine Ausnahme möglich sein, um
so mehr, als nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Tatsache, dass
der ausländische Staat mit dem Privaten ausserhalb seines Staatsgebiets in
Beziehung getreten ist, ein ernsthaftes Indiz für einen Akt iure gestionis
liegt (BGE 104 Ia 371 oben, 86 I 29 oben).

    Mit der Vorinstanz ist daher in Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens ein
Indiz für ein nichthoheitliches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien
zu erblicken.

    d) Nach Auffassung des Bundesamtes für Justiz im erwähnten Gutachten
erlaubt die Praxis der europäischen Staaten, namentlich jene der Schweiz,
nicht, ein hoheitliches Rechtsverhältnis anzunehmen. Die Weisung 240
des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
unterwerfe das Anstellungsverhältnis der nicht der Angestelltenordnung
unterstellten ausländischen Lokalangestellten im Ausland in der Regel dem
privaten Lokalrecht, und nur soweit dieses keine Bestimmungen enthalte,
fänden die Normen der Weisung Anwendung. Die Erwägung trifft zu. Die
Weisung gilt regelmässig für die am Ort der Botschaft angestellten
ausländischen Staatsangehörigen mit untergeordneten Funktionen,
namentlich für Büropersonal (Sachbearbeiter, Telephonisten, Übersetzer,
Bürogehilfen; vgl. auch CAHIER, S. 86). Art. 1 Abs. 3 der Verordnung über
das Dienstverhältnis der Angestellten der allgemeinen Bundesverwaltung
und der Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe vom 10. November 1959
(Angestelltenverordnung) sieht ausdrücklich vor, dass, wenn das EDA
Ausländer nach ausländischem Recht anstellt, die Angestelltenverordnung
nur im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Personalamt zur Anwendung
kommt. Art. 7 des Reglements des schweizerischen diplomatischen und
konsularischen Dienstes vom 24. November 1967 (SR 191.1) ermächtigt
seinerseits die Missions- und Postenchefs, im Rahmen der Gesetzgebung
des Empfangsstaates an Ort und Stelle Hilfspersonal schweizerischer
oder ausländischer Staatsangehörigkeit anzustellen. Die Dienstverträge
unterliegen dem schweizerischen Recht, wenn anwendbare Gesetzesvorschriften
fehlen. Gemäss schweizerischer Ordnung ist der Vertrag zwischen
den Parteien daher eindeutig als privatrechtliches Rechtsgeschäft zu
qualifizieren (siehe ferner RHINOW, Privatrechtliche Arbeitsverhältnisse in
der öffentlichen Verwaltung, in Festschrift Vischer, S. 429 Anm. 2), womit
ein weiteres Indiz für die Annahme eines Akts iure gestionis vorliegt.

Erwägung 5

    5.- In Würdigung aller relevanten Elemente ist das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien daher dem nichthoheitlichen Tätigkeitsbereich des
Beklagten zuzuordnen und folglich die schweizerische Gerichtsbarkeit zu
bejahen, da auch die dazu notwendige Binnenbeziehung der Streitsache zum
schweizerischen Staatsgebiet unbestrittenermassen vorliegt.