Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 228



110 II 228

47. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juni 1984 i.S.
Unverteilter Nachlass des N. gegen S. und Erben der H. (Berufung) Regeste

    Art. 590 ZGB; Art. 527/8 und 537 ZGB.

    Nicht die Nichtanmeldung, sondern die Nichtaufnahme in das Inventar
löst die Präklusionsfolgen nach Art. 590 ZGB aus. Sind die Ansprüche im
Inventar verzeichnet, so gehen sie auf die Erben unabhängig davon über,
wer sie angemeldet hat oder auf wessen Veranlassung sie aufgenommen worden
sind (E. 2).

    Nachlass, Pflichtteile und verfügbare Quote berechnen sich nach dem
Wert am Tag der Eröffnung des Erbganges (E. 7b). Der mit der Herabsetzung
verbundene Rückerstattungsanspruch ist obligatorischer Natur (E. 7c).

    Ist der Gegenstand der Zuwendung nicht mehr vorhanden, so ist der
gutgläubige Empfänger, soweit noch bereichert, höchstens bis zum Betrag
des Erlöses erstattungspflichtig. Mit Bezug auf den bösgläubigen Empfänger
gilt diese Einschränkung nicht: Er hat für den objektiven Schätzungswert
zur Zeit des Erbganges einzustehen (E. 7d, e).

Sachverhalt

    A.- S. und H. haben mit separater Klage die Herabsetzung der von Frau
E. zu ihren Lebzeiten an N. gemachten Zuwendungen um Fr. 12'000'000.-
verlangt. Beklagter ist der Nachlass des 1975 verstorbenen N.

    Mit Urteil vom 21. April 1981 hat das Zivilgericht Z. die
Klagen teilweise dahingehend gutgeheissen, dass - unter Herabsetzung
der Zuwendung von 300 Genussscheinen durch die Erblasserin an N. -
der beklagte Nachlass verurteilt wurde, dem Kläger S. Fr. 3'813'564.-
und den Erben der H. Fr. 51'588.- zu bezahlen.

    Das Appellationsgericht A. hat am 8. Juni 1983 das erstinstanzliche
Urteil insoweit abgeändert, als es die Herabsetzung der Zuwendung von
325 Genussscheinen sowie des Schulderlasses von Fr. 500'000.- verfügt
und demzufolge den beklagten Nachlass zur Zahlung von Fr. 12'000'000.-
an S. und von Fr. 9'601'412.- an die Erben von Frau H. verurteilt hat.

    Gegen das Urteil des Appellationsgerichts hat der Nachlass des
N. Berufung an das Bundesgericht erklärt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Wie schon vor den kantonalen Instanzen, so wendet der beklagte
Nachlass auch vor Bundesgericht ein, die Kläger und Berufungsbeklagten
hätten im Verfahren zur Aufnahme eines öffentlichen Inventars über
den Nachlass des N. ihre Ansprüche nicht angemeldet und diese daher
verwirkt. Hiezu steht fest, dass die Ansprüche der Kläger auf Veranlassung
des Testamentsvollstreckers der Frau E. im Inventar verzeichnet sind.

    Die kantonalen Instanzen sind in Übereinstimmung mit TUOR/PICENONI
(N. 1 zu Art. 583 ZGB) der Auffassung, nicht die Nichtanmeldung, sondern
die Nichtaufnahme in das Inventar löse die Präklusionsfolgen nach Art. 590
ZGB aus. Sind die Ansprüche im Inventar verzeichnet, so gingen sie auf
die Erben unabhängig davon über, wer sie angemeldet habe oder auf wessen
Veranlassung sie aufgenommen worden seien. Diese Auffassung erscheint
als zutreffend.

    Der Zweck des öffentlichen Inventars liegt in der genauen und sicheren
Kenntnis des Erbschaftsstandes, damit die Erben die ihnen von Art. 588 ZGB
zur Verfügung gestellte Wahl sachgemäss treffen können (TUOR/PICENONI,
N. 3 und ESCHER, N. 1 zu den Vorbemerkungen zum dritten Abschnitt
"Das öffentliche Inventar"; PIOTET, Traité de droit privé suisse,
Bd. IV, S. 714 f.). Gewiss ist es in erster Linie Sache der Gläubiger,
der öffentlichen Aufforderung folgend, ihre Forderungen anzumelden
(Art. 582 ZGB); von Amtes wegen werden nur Forderungen und Schulden
in das Inventar aufgenommen, die aus öffentlichen Büchern oder aus den
Papieren des Erblasses ersichtlich sind (Art. 583 ZGB). Unterlässt ein
Gläubiger die Anmeldung seiner Forderung, entfällt die Haftung der
Erben oder beschränkt sich, wenn die Inventarisierung ohne Schuld des
Gläubigers unterblieb, auf die Bereicherung (Art. 590 Abs. 1 und 2
ZGB). Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass die Aufnahme von
Forderungen in das Inventar unbeachtlich wäre, wenn sie auf Veranlassung
eines - von den Erben nicht beauftragten - Dritten erfolgt. Durch das
Inventar soll, wie gesagt, der Stand der Erbschaft möglichst lückenlos
festgestellt werden; doch sollen durch die Inventarisierung nicht a
priori die Gläubiger benachteiligt werden, welche die Anmeldung ihrer
Forderungen unterlassen haben. Insbesondere sollen nicht jene Gläubiger
ihre Ansprüche verlieren, die zwar die Anmeldung unterlassen haben,
deren Forderung aber von einem Dritten - allenfalls in Überschreitung
seiner Befugnisse (als Willensvollstrecker) - angemeldet und in der Folge
in das Inventar aufgenommen wurde. Der (eher theoretischen) Möglichkeit,
dass die Gläubiger die im Inventar verzeichnete Forderung überhaupt nicht
geltend machen wollen, kann auf andere Weise Rechnung getragen werden, so
durch die Ansetzung einer Deliberationsfrist nach Massgabe von Art. 587
Abs. 2 ZGB. Auch ist entgegen dem vom beklagten Nachlass eingereichten
Gutachten der Fall, wo die Behörde von einer Forderung Kenntnis erhält,
die weder aus den öffentlichen Büchern noch aus den Papieren des Erblassers
hervorgeht und somit keine Pflicht zur Aufnahme von Amtes wegen besteht,
nicht identisch mit dem Fall, wo die Aufnahme auf ausdrückliche Anmeldung
hin (wenn auch nicht seitens der Erben) erfolgt ist.

Erwägung 7

    7.- Bezüglich der Berechnung der Rückleistung vertreten die kantonalen
Instanzen abweichende Auffassungen.

    a) Nach der Meinung des Zivilgerichtes ist Art. 630 Abs. 1 ZGB analog
anzuwenden, wonach die Ausgleichung nach dem Wert der Zuwendungen zur Zeit
des Erbganges oder, wenn die Sache vorher veräussert worden ist, nach dem
dafür erzielten Erlös erfolgt. Diese Regel sei bei allen Veräusserungen
zu berücksichtigen, weil Art. 527 Ziff. 1 ZGB für die Herabsetzung von
Zuwendungen an Nachkommen ausdrücklich auf die Ausgleichung verweise und
nicht anzunehmen sei, dass Zuwendungen an Dritte anders behandelt werden
sollen als solche an Nachkommen. Das Zivilgericht hat deshalb die vor
dem Tod von Frau E. veräusserten Titel mit dem erzielten Erlös oder,
wenn dieser nicht mehr festgestellt werden konnte, mit dem Höchstkurs
zur Zeit der Veräusserung eingesetzt.

    Nach der Auffassung des Appellationsgerichtes verweist Art. 527 Ziff. 1
nicht auf die Ausgleichungsregeln, sondern stellt lediglich klar, dass
nur herabsetzbar ist, was nicht schon der Ausgleichung unterliegt. Für
die Berechnung der Zuwendungen, die der Herabsetzung unterliegen, sei -
entsprechend der Regel von Art. 537 Abs. 2 ZGB - der Wert im Zeitpunkt des
Erbganges massgebend. Unter dem Vorbehalt von Art. 528 Abs. 1 ZGB gelte
das auch, wenn Zuwendungen inzwischen veräussert worden sind. Wolle man
für Zuwendungen, die vor der Eröffnung des Erbganges veräussert worden
sind, auf den Erlös abstellen, so müsste dieser selbst dann massgebend
sein, wenn Ersatzanschaffungen vorgenommen worden sind, die in der Folge
eine Wertsteigerung erfahren haben. Es wäre aber nicht richtig, wenn der
bösgläubige Empfänger diesen Mehrwert für sich behalten könnte. Vielmehr
seien nach dem geltenden Recht die vom bösgläubigen Empfänger veräusserten
Zuwendungen zum Wert einzusetzen, den sie am Todestag der Erblasserin
hatten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die von N. veräusserten
Genussscheine bis zum Tode der Erblasserin im Wert gestiegen, seither
aber wieder um rund die Hälfte gefallen sind.

    b) Die Auffassung des Appellationsgerichts deckt sich mit der
Lehre (TUOR, N. 17 zu Art. 474 und N. 7 zu Art. 475 ZGB, N. 36 zu den
Vorbemerkungen zu Art. 522-533 ZGB, N. 6 zu Art. 537 ZGB; TUOR/PICENONI,
N. 6 zu Art. 537 ZGB; ESCHER, N. 3 zu Art. 475 ZGB, N. 23 zur Einleitung
zu Art. 522-533 ZGB, N. 4, 6 und 7 zu Art. 537 ZGB; PIOTET, Traité de
droit privé suisse, Bd. IV, S. 426) und mit der Rechtsprechung (BGE 102
II 332). Mit dem "Stande des Vermögens" (Art. 474 Abs. 1 ZGB) oder dem
"Stande der Erbschaft" (Art. 537 Abs. 2 ZGB) zur Zeit des Todes des
Erblassers wird auch der Wert zu dieser Zeit gemeint (TUOR/PICENONI,
N. 6 und ESCHER, N. 6 zu Art. 537 ZGB), wobei sich das Schweizerische
Zivilgesetzbuch für eine von anderen Gesetzgebungen abweichende Lösung
entschieden hat (TUOR/PICENONI, aaO). Ausdrücklich führen TUOR (N. 9 zu
Art. 528 ZGB) und ESCHER (N. 7 zu Art. 537 ZGB) aus, dass auf den Wert
zur Zeit des Erbganges auch dann abzustellen ist, wenn die zugewendete
Sache vor dem Erbgang veräussert worden ist. Zweck der Herabsetzung
ist die Rekonstruktion des Vermögensstandes, "wie er beim Tod des
Erblassers vorhanden gewesen wäre, wenn dieser in seinen Verfügungen
nicht vorgegriffen hätte" (TUOR, N. 4 zu Art. 474 ZGB). Professor PIOTET
wendet sich in seinem jüngst erschienenen Aufsatz (De la restitution
après réduction successorale, ZSR 103/1984 I, S. 105 ff.) zwar dagegen,
dass der Wert massgeblich sein solle, den der Vermögensgegenstand für
den Erblasser hätte, wenn die Zuwendung nicht stattgefunden hätte; aber
auch er scheint grundsätzlich vom Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges
auszugehen (vgl. insbesondere den Titel: IV. Détermination du montant
réductible au moment de l'ouverture de la succession, pour calculer les
réserves et la quotité disponible). Nachlass, Pflichtteile und verfügbare
Quote berechnen sich nach dem Wert am Tag der Eröffnung des Erbganges.

    c) Über die rechtliche Natur des mit der Herabsetzung verbundenen
Rückerstattungsanspruchs gehen die Meinungen auseinander. Zum Teil wird
die Klage als Erbschaftsklage, zum Teil als Bereicherungsklage oder
als besondere, durch das Herabsetzungsurteil begründete persönliche
Klage bezeichnet, wobei auch zwischen gutgläubigem und bösgläubigem
Zuwendungsempfänger unterschieden wird (TUOR, N. 2 und ESCHER, N. 2-5 zu
Art. 528 ZGB; PIOTET, Traité de droit privé suisse, Bd. IV, S. 443).

    Zutreffend erscheint die Auffassung, dass es sich um einen
obligatorischen Anspruch handelt. Die Erbschaftsklage ist eine der
Eigentumsklage nachgebildete Vindikation, mit welcher die Herausgabe
der Erbschaft oder einer Erbschaftssache verlangt wird; sie steht der
Erbengemeinschaft als einer Gesamthandschaft und nicht nur einzelnen in
ihren Pflichtteilsrechten verletzten Erben zur Verfügung. Demgegenüber
bezweckt die Herabsetzungsklage - richte sie sich gegen einen gutgläubigen
oder einen bösgläubigen Empfänger - die Wiederherstellung der Pflichtteile,
ohne indessen das derweilige Eigentum des Zuwendungsempfängers (der
z.B. aufgrund einer rechtmässigen und rechtsbeständigen Schenkung
Eigentümer geworden ist) in Frage zu stellen. Ähnlich bewirkt die
Anfechtungsklage nach Art. 285 ff. SchKG nicht die Ungültigkeit
der angefochtenen Rechtshandlung und nicht eo ipso den Übergang des
Eigentums vom Anfechtungsbeklagten auf den Schuldner. Der Gläubiger erhält
lediglich das Recht, die durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworbenen
Vermögensgegenstände bis zum Betrag seiner Forderung realisieren zu
lassen, wie wenn sie (noch) zum Vermögen des Schuldners gehörten (BGE 98
III 46). Damit ist jedoch über die Art und den Umfang der Rückerstattung
noch nichts gesagt.

    d) Die Lehre vertritt die Auffassung, dass die Rückleistung in natura
zu erfolgen hat, soweit der Gegenstand der Zuwendung noch vorhanden ist
(TUOR, N. 21 und ESCHER, N. 7 zu Art. 528 ZGB für den gutgläubigen
Empfänger; TUOR, N. 8 und ESCHER, N. 4 und 6 zu Art. 528 ZGB für den
bösgläubigen Empfänger, wobei Escher auf den bösgläubigen Bedachten
die Grundsätze der Erbschaftsklage als anwendbar erklärt). Ist der
Gegenstand der Zuwendung nicht mehr vorhanden, so ist der gutgläubige
Empfänger, soweit noch bereichert, höchstens bis zum Betrag des Erlöses
erstattungspflichtig (TUOR, N. 21 und ESCHER, N. 8 zu Art. 528 ZGB;
BGE 76 II 200 E. 9). Mit Bezug auf den bösgläubigen Empfänger gilt diese
Einschränkung nicht: Er hat für den objektiven Schätzungswert zur Zeit
des Erbganges einzustehen (TUOR, N. 9 zu Art. 528 ZGB). Das scheint
früher auch die Auffassung von PIOTET (Traité de droit privé suisse,
Bd. IV, S. 435) gewesen zu sein; doch tritt er heute dafür ein, dass
der bösgläubige Zuwendungsempfänger besser gestellt sein müsse als der
mit der Erbschaftsklage ins Recht Gefasste und deshalb nur den Erlös zu
erstatten habe, den der Verkauf des zugewendeten Gegenstandes vor Eintritt
des Erbfalles ihm eingebracht hat (ZSR 103/1984 I, S. 115 f.). Jedenfalls
ist die Rückerstattung in natura mit dem Zweck und der Ausgestaltung der
Herabsetzungsklage, die als persönliche Klage keinen Aussonderungsanspruch
gewährt und bloss die wertmässige Wiederherstellung der Pflichtteile
herbeiführen will, nicht vereinbar.

    Freilich wurde früher bezüglich des Anspruchs aus ungerechtfertigter
Bereicherung gelehrt, es sei das Empfangene, soweit in natura noch
vorhanden, zurückzugeben (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 64 OR). Mit
Recht weisen indessen u.a. GUHL/MERZ/KUMMER (7. Aufl., S. 203) und
von TUHR/PETER (Bd. I, S. 502) darauf hin, dass wenn die Sache beim
Bereicherten noch vorhanden ist, die Vindikations- und nicht die
Bereicherungsklage Platz greife.

    Nun ist aber die Herabsetzungsklage, wie dargelegt, keine (dingliche)
Aussonderungsklage. Die Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung
anderseits sind auf die Herabsetzungsklage nach der klaren gesetzlichen
Regelung (Art. 528 Abs. 1 ZGB) nur anwendbar, insofern sich der
Zuwendungsempfänger in gutem Glauben befindet. Gegen eine ausdehnende
Anwendung dieser Grundsätze spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die
Zuwendungen, die Gegenstand der Herabsetzung sind, obligationenrechtlich
gültig sind, also - entgegen Art. 62 Abs. 2 OR - auf einem gültigen
Grund beruhen.

    Es ist somit der Vorinstanz zu folgen, welche den beklagten Nachlass
in vollem Umfang zu einer Geldleistung verpflichtet hat.

    e) Für die noch vorhandenen Genussscheine hat die Vorinstanz
richtigerweise den Wert im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges eingesetzt
(Art. 537 Abs. 2 ZGB). Entgegen der Auffassung, die in dem vom beklagten
Nachlass eingereichten Gutachten vertreten wird, kann nicht auf den
Wert der zugewendeten Gegenstände im Zeitpunkt des Herabsetzungsurteils
abgestellt werden; und es ist auch nicht möglich, die in der Zwischenzeit
eingetretenen Wertveränderungen zu berücksichtigen, wenn der Pflichtteil
- wie im vorliegenden Fall - in einer Geldsumme besteht (PIOTET, Traité
de droit privé suisse, Bd. IV, S. 427). Art. 526 ZGB kann nicht analog
herangezogen werden.

    Bezüglich der nicht mehr vorhandenen, von N. veräusserten Genussscheine
erhebt das vom beklagten Nachlass eingereichte Gutachten verschiedene
Einwendungen. Namentlich wendet es sich - wie nun auch Professor PIOTET in
seiner jüngsten Publikation zu dieser Frage (ZSR 103/1984 I, S. 110 f.) -
dagegen, dass sich der Umfang der Rückleistung nach dem Wert bestimme,
den der zugewendete Gegenstand hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt
und jener noch Bestandteil des Nachlasses wäre.

    Es trifft zu, dass das Gesetz (Art. 528 und 537 Abs. 2 ZGB) den Fall
des bösgläubigen Empfängers nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich regelt und
insbesondere keine Vorschrift darüber enthält, wie eine vor Eröffnung des
Erbganges veräusserte Zuwendung zu behandeln ist, das heisst, ob sie mit
dem Wert zur Zeit der Eröffnung des Erbganges oder mit dem Verkaufswert
einzusetzen ist. Richtig dürfte ebenfalls die Auffassung sein, dass der
bösgläubige Zuwendungsempfänger für Zufall nicht einzustehen braucht
(TUOR, N. 11 zu Art. 528 ZGB). Er ist rechtmässiger Eigentümer der ihm
übertragenen Vermögensgegenstände und darf deshalb einem bösgläubigen
Besitzer (Art. 940 ZGB) nicht gleichgestellt werden. Doch ist in diesem
Zusammenhang der im Gutachten zugunsten des beklagten Nachlasses vertretene
Standpunkt, die Kurserhöhung der Genussscheine sei auf blossen Zufall
zurückzuführen, ebensowenig haltbar wie die im Gegengutachten vertretene
Meinung, ein Verkauf bei steigenden Kursen - dazu in einem Zeitraum von
dreissig Jahren zwischen 1940 und 1970 - stelle einen Verkauf zur Unzeit
dar, der ein Verschulden beinhalte.

    Der gewichtigste Einwand zugunsten des beklagten Nachlasses liegt
darin, dass auch der bösgläubige Zuwendungsempfänger, im Gegensatz etwa
zum Beklagten in der Erbschaftsklage, Eigentümer der ihm übertragenen
Vermögensgegenstände wird und daher über diese rechtmässig verfügen
kann. Indessen ändert dies nichts daran, dass der bösgläubige Empfänger
bewusst zur Verletzung der Pflichtteile Hand geboten hat. Unter diesem
Gesichtspunkt wäre es unbefriedigend, wenn der Pflichtteilserbe sich
bloss mit dem Erlös aus einem vor Eröffnung des Erbganges vollzogenen
Verkauf - mag diesem auch kein Verschulden anhaften, wie es bei einem
Verkauf zur Unzeit oder unter dem Normalpreis der Fall wäre - begnügen
müsste, ist doch von der Vermutung auszugehen, dass der Gegenstand der
Zuwendung im Nachlass geblieben wäre, wenn der bösgläubige Empfänger
sich nicht zu einem erkennbar anfechtbaren Geschäft bereit gefunden
hätte (ESCHER, N. 7 zu Art. 537 ZGB). Auch wäre es ungerecht, wenn der
bösgläubige Empfänger nur für den Verkaufspreis einzustehen hätte, ihm
allein aber die Werterhöhung einer Ersatzanschaffung zugute käme. Er, der
bösgläubige Zuwendungsempfänger, soll die Gefahr einer Werterhöhung bis
zur Eröffnung des Erbganges tragen, wie anderseits der Pflichtteilserbe
sich mit einer in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverminderung
abzufinden hat. Schutz verdient in erster Linie der Pflichtteilserbe
und nicht der bösgläubige Empfänger, der in Kenntnis der Verletzung von
Pflichtteilsrechten und der Herabsetzbarkeit der Zuwendung die erhaltenen
Vermögensgegenstände ganz oder zum Teil veräussert hat. Zu Recht wird in
dem von den Berufungsbeklagten eingereichten Gutachten deshalb gesagt, der
bösgläubige Zuwendungsempfänger habe erbrechtlich zu einem Verkauf keine
Veranlassung; denn er muss - ausser bei Verschulden - für eine allfällige
Wertverminderung zwischen dem Zeitpunkt der Zuwendung und der Eröffnung
des Erbganges nicht eintreten. Im vorliegenden Fall behauptet der beklagte
Nachlass jedenfalls nicht, der Verkauf der Wertschriften sei durch die
Grundsätze einer sorgfältigen Vermögensverwaltung geboten gewesen, weil
(wegen der Entwicklung der Börsenkurse) ein drohender Verlust abgewendet
werden musste.