Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 II 209



110 II 209

43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juli 1984 i.S. Staub gegen
Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 218 OR; Sperrfrist für die Veräusserung von landwirtschaftlichen
Grundstücken.

    Der Eigentumswechsel kraft Erbrechts setzt die Sperrfrist des Art. 218
OR nicht neu in Gang.

Sachverhalt

    A.- Am 17. November 1980 starb Albert Eberle-Künzle. Er
hinterliess als Erben seine Ehefrau Anna Eberle-Künzle sowie fünf
Kinder. Im Nachlass befindet sich das landwirtschaftliche Heimwesen
"Schönau", Parzelle Nr. 2147, Niederuzwil, das vom Erblasser im
Jahre 1950 erworben worden war. Am 13. September 1983 schloss Anna
Eberle-Künzle als Willensvollstreckerin im Namen der Erben mit Markus
Staub einen Kaufvertrag ab, gemäss welchem dieser die "Schönau" zum
Preis von Fr. 640'000.- erwerben sollte. Am 15. September 1983 gab
das Grundbuchamt Uzwil dem Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St.
Gallen vom Kaufvertrag Kenntnis und ersuchte es um Prüfung der Frage, ob
die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 218bis
OR gegeben seien. Mit Verfügung vom 28. September 1983 lehnte es das
Volkswirtschaftsdepartement ab, die vorzeitige Veräusserung des Heimwesens
zu bewilligen. Ein von Markus Staub gegen diese Verfügung eingereichter
Rekurs wurde vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen mit Beschluss vom
10. Januar 1984 abgewiesen.

    B.- Gegen den Beschluss des Regierungsrats hat Markus Staub beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, es
sei festzustellen, dass der Verkauf des landwirtschaftlichen Heimwesens
"Schönau" keiner Bewilligung gemäss Art. 218bis OR bedürfe, eventuell
sei die Bewilligung gemäss dieser Bestimmung zu erteilen.

    Der Regierungsrat beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde, währenddem das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
auf Gutheissung schliesst.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 218quater OR ist gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheide über die Anwendung der Art. 218, 218bis und 218ter OR
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Der
Beschwerdeführer ist als Käufer des landwirtschaftlichen Heimwesens durch
den angefochtenen Entscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse
an dessen Aufhebung im Sinne von Art. 103 lit. a OG. Auf die Beschwerde
ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 218 Abs. 1 OR dürfen landwirtschaftliche Grundstücke
während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet,
weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Der zwischen dem
Beschwerdeführer und den Erben Albert Eberles abgeschlossene Kaufvertrag
hat unbestreitbar landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne von Art. 218
OR zum Gegenstand. Streitig ist nur, ob der mit dem Tod des Erblassers
eingetretene Übergang des verkauften landwirtschaftlichen Heimwesens
auf dessen Erben als Eigentumserwerb im Sinne dieser Bestimmung zu
betrachten ist, der die Sperrfrist von zehn Jahren in Gang setzt. In
BGE 88 I 202 ff. hat das Bundesgericht im Rahmen der Beurteilung einer
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV festgehalten,
es sprächen gute Gründe für die Ansicht, dass die Gesamtnachfolge kraft
Erbrechts den Lauf der Sperrfrist nicht auslöse; indessen könne auch
die in gewissen Kantonen geübte gegenteilige Praxis, die die Zustimmung
des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes und eines Teils der
Lehre gefunden habe, angesichts des Wortlautes des Gesetzes, der nicht zu
einem vom Gesetzgeber unmöglich gewollten Ergebnis führe, nicht als völlig
unhaltbar und damit als willkürlich bezeichnet werden; diese Praxis, die
offenbar heute noch im Kanton Freiburg geübt wird (ZBGR 62/1981 S. 104),
lasse sich immerhin insofern mit den ins Obligationenrecht aufgenommenen
agrarrechtlichen Bestimmungen vereinbaren, als diese der Erhaltung des
bäuerlichen Grundbesitzes dienten.

    Dennoch haben die Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 88 I
202 ff. verschiedene Kantone veranlasst, die Gesamtnachfolge kraft
Erbrechts nicht als Eigentumserwerb im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR
zu betrachten und gegebenenfalls ihre bisherige gegenteilige Praxis
aufzugeben, so Aargau (ZBl 74/1973 S. 42 gegenüber AGVE 1955 S. 281),
Appenzell A.Rh. (Verwaltungspraxis 1968 Nr. 323) und Bern (Handbuch der
Justizdirektion des Kantons Bern 1982, S. 23). Demgegenüber scheint der
Kanton Zürich weiterhin insofern eine Sonderstellung einzunehmen, als er
die Universalsukzession gestützt auf eine Erbfolge als Tatbestand ansieht,
der zwar von Art. 218 Abs. 1 OR erfasst wird, der aber grundsätzlich zu
einer Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 218bis OR Anlass gibt (ZBGR
38/1958 S. 117).

Erwägung 3

    3.- Seit der am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Änderung
von Art. 218quater OR kann die Anwendung der Bestimmungen über die
Sperrfrist bei der Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken,
wie bereits gesagt, zum Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Bundesgericht gemacht werden. Dessen Kognition ist daher nicht mehr
wie vorher auf Willkür beschränkt. Bei einer freien Prüfung ist davon
auszugehen, dass der Hauptzweck von Art. 218 Abs. 1 OR darin besteht, die
Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken zu verhindern (vgl. dazu
BGE 87 I 239 E. 4, 83 I 313 E. 2; HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum,
ZSR 98/1979 II S. 164). Dieser Zweck verlangt jedoch nicht, dass auch
die erbrechtliche Gesamtnachfolge als Eigentumserwerb im Sinne von
Art. 218 Abs. 1 OR angesehen wird. Wie das Bundesgericht in dem bereits
erwähnten BGE 88 I 204 dargelegt hat, tritt diese Gesamtnachfolge von
Gesetzes wegen ein und lässt daher Spekulationsabsichten, d.h. dem
Erwerb zum Zweck der baldmöglichsten Weiterveräusserung mit Gewinn,
keinen Raum. Solche Absichten, welche ein agrarpolitisch unerwünschtes
Ansteigen der Preise für landwirtschaftlich genutzten Boden zur Folge
haben, sind allein beim Erblasser denkbar, der das Grundstück durch Kauf
erworben hat, oder allenfalls bei einem Erben, der es bei der Erbteilung
aus dem Nachlass übernimmt (vgl. BGE 95 II 431/432 E. 3a). Bei der
Gesamtnachfolge kraft Erbrechts dagegen sind die Erben nur insoweit frei,
als sie die Erbschaft ausschlagen können, weshalb ihr Eigentumserwerb
keine Spekulation darstellen kann. Im übrigen macht es gerade das Wesen
der Universalsukzession aus, dass Rechte und Pflichten des Erblassers von
den Erben unverändert übernommen werden, wenn dem nicht eine besondere
gesetzliche Vorschrift entgegensteht (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Eine
solche Vorschrift ist in Art. 218bis OR, wonach die Veräusserung eines
landwirtschaftlichen Grundstücks vor Ablauf der Sperrfrist namentlich zum
Zweck einer erbrechtlichen Auseinandersetzung gestattet werden kann, nicht
zu erblicken. Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass die Sperrfrist
mit dem Erbgang neu zu laufen beginnt. Sie bezieht sich vielmehr auf
den Fall, wo bei der Erbteilung die Sperrfrist auch unter Anrechnung der
Eigentumsdauer des Erblassers noch nicht abgelaufen ist. Es besteht daher
kein Anlass, die Grundsätze der Gesamtnachfolge beim Erbgang nicht auch
bei der Anwendung von Art. 218 OR zu berücksichtigen. Haben aber die
Erben hinsichtlich der Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke
die gleichen Rechte wie der Erblasser, so verbietet sich die Annahme,
dass der Eigentumserwerb kraft Erbrechts eine neue Sperrfrist im Sinne
von Art. 218 Abs. 1 OR auslöse.

Erwägung 4

    4.- Der Regierungsrat stützt seine abweichende Auffassung auf eine
Meinungsäusserung des Eidgenössischen Grundbuchamtes vom 16. April 1953,
die in ZBGR 37/1956 S. 61 publiziert worden ist. Er übersieht dabei, dass
die Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 88 I 202 ff. das Grundbuchamt
veranlasst haben, seinen bisherigen Standpunkt aufzugeben (ZBGR 55/1974
S. 307 ff.). Wenn der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung ferner
darauf hinweist, dass Erbengemeinschaften vielfach keine Beziehung zum
landwirtschaftlichen Boden mehr hätten und nur noch an der Erzielung eines
hohen Verkaufspreises interessiert seien, so kann daraus hinsichtlich des
Beginns der Sperrfrist nichts abgeleitet werden. Ist die Zehnjahresfrist
seit dem käuflichen Erwerb durch den Erblasser abgelaufen, so hätte
auch dieser das Verbot des Art. 218 OR nicht mehr beachten müssen,
wenn er sich mangels eines geeigneten Nachfolgers in seiner Familie zu
einer Veräusserung des Heimwesens entschlossen hätte. Der dabei erzielte
Preis wäre unbeachtlich gewesen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers
schliesst eben der Ablauf der Zehnjahresfrist eine Spekulation zum
vornherein aus. Sollte der Gesetzgeber zur Ansicht gelangen, diese
Annahme entspreche nicht mehr den heutigen Verhältnissen, so hätte er
dem im Rahmen der eingeleiteten Gesetzesrevision Rechnung zu tragen.

    Die Beschwerde erweist sich somit offensichtlich als begründet.