Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 III 93



110 III 93

25. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3. Dezember
1984 i.S. Neofidaria AG (Rekurs) Regeste

    Kostenvorschüsse für die Weiterführung bzw. die Eröffnung von
Zivilprozessen im Namen der Konkursmasse.

    Die Konkursverwaltung, die solche Vorschüsse nur von den Gläubigern
verlangt, die sich für die Weiterführung bzw. Eröffnung eines Prozesses
ausgesprochen haben, nicht aber von denjenigen, die in der Minderheit
geblieben sind, verstösst nicht gegen Bundesrecht.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der PMI-Papier mit Ideen AG in Zürich (früher Zellstoff
und Papier AG Zelluag), der im summarischen Verfahren durchgeführt wird,
wurde in das Inventar unter anderem ein Verantwortlichkeitsanspruch
gemäss den Art. 754 ff. OR gegenüber X., ehemaliges einziges
Verwaltungsratsmitglied der Zelluag, in unbestimmter Höhe aufgenommen. Im
Kollokationsplan sind andererseits im Sinne von Art. 63 KOV pro memoria ein
im Prozess liegender Provisionsanspruch von Y. im Betrag von Fr. 43'259.40
und ein Honoraranspruch des Anwalts von Y. für Prozessführung von
Fr. 3'324.45 vorgemerkt.

    Mit einem an sämtliche Gläubiger gerichteten Rundschreiben vom 30. März
1984 beantragte das Konkursamt Zürich (Altstadt), den Passivprozess in
Sachen Y. durch Klageanerkennung und Kollokation im Betrag von insgesamt
Fr. 46'583.85 zu beenden. Die Mehrheit der Gläubiger widersetzte sich
diesem Vorschlag.

    Nachdem mit X. und Y. Vergleichsverhandlungen durchgeführt worden
waren, erliess das Konkursamt am 4. Mai 1984 ein neues Zirkular an die
Gläubiger, worin es beantragte, einer vergleichsweisen Erledigung der
Auseinandersetzung mit X. (Angebot von Fr. 20'000.--) und des Prozesses
mit Y. (Reduktion der Forderung auf Fr. 34'000.--) zuzustimmen. Der Antrag
wurde von der Mehrheit der Gläubiger hinsichtlich beider Angelegenheiten
abgelehnt.

    Mit Zirkular vom 1. Juni 1984 setzte das Konkursamt in der Folge den
sich einer vergleichsweisen Erledigung widersetzenden Gläubigern (darunter
der Neofidaria AG) eine Frist bis zum 20. Juni 1984 an, um für die
Kosten im Hinblick auf die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen
X. einen Barvorschuss von Fr. 10'000.-- und für die Prozesskosten in Sachen
Y. einen solchen von Fr. 16'000.-- zu leisten. Dabei wurde ausdrücklich
eine Nachschusspflicht vorbehalten und auf die Abtretungsrechte im Sinne
von Art. 260 SchKG hingewiesen.

    Die Neofidaria AG reichte gegen die konkursamtliche Verfügung vom
1. Juni 1984 beim Bezirksgericht Zürich als unterer Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde ein mit der Begründung, es
seien von allen Gläubigern, d.h. auch von den den Vergleichen zustimmenden,
Kostenvorschüsse zu leisten. Das Bezirksgericht Zürich (2. Abteilung)
wies die Beschwerde am 13. August 1984 ab.

    Einen von der Neofidaria AG hiergegen erhobenen Rekurs wies das
Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als obere kantonale
Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 23. Oktober 1984 ebenfalls ab.

    Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat die Neofidaria AG an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert mit
dem Antrag:

    Der angefochtene Beschluss sei aufzuheben, und das Konkursamt Zürich
   (Altstadt) sei anzuweisen, auch dem Gläubiger Bunzl & Biach AG
   eine Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses im Hinblick auf die
   Weiterführung des

    Passivprozesses Y. durch die Masse und Geltendmachung der

    Verantwortlichkeitsansprüche gegen X. durch die Masse anzusetzen.

    Rekursantworten sind keine eingeholt worden.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin beruft sich vorab auf Art. 235 Abs. 4 SchKG und
macht geltend, dass sich die Gläubigerminderheit den Beschlüssen der
Gläubigermehrheit zu unterziehen habe.

    Es trifft zu, dass gemäss Art. 235 Abs. 4 SchKG die Beschlüsse der
Gläubigerversammlung mit der absoluten Stimmenmehrheit der Gläubiger
gefasst werden. Im vorliegenden Fall hat sich die Mehrheit der Gläubiger
dafür entschieden, das mit Y. hängige Gerichtsverfahren weiterzuführen
und gegen X. einen Verantwortlichkeitsprozess einzuleiten. Diesen
Entscheid hat sich die Gläubigerminderheit entgegenhalten zu lassen,
doch kann für den Standpunkt der Rekurrentin daraus nichts abgeleitet
werden. Der Entscheid der Gläubigermehrheit hat lediglich zur Folge, dass
die Konkursverwaltung die verfügbaren Mittel der Masse für die Führung
der Prozesse einzusetzen hat und es ihr beispielsweise verwehrt ist,
einen Teil davon den in der Minderheit gebliebenen Gläubigern auszuzahlen.

Erwägung 2

    2.- Dass die Konkursverwaltung nicht über die zur Durchführung
bzw. Weiterführung der Prozesse gegen X. und Y. erforderlichen Massamittel
verfügt, stellt auch die Rekurrentin nicht in Abrede. Den von der
Gläubigermehrheit gefassten Beschluss kann jene somit nur vollziehen,
wenn seitens der Gläubiger Kostenvorschüsse geleistet werden. Bei der
Frage, von welchen Gläubigern die Sicherstellung der erwähnten Kosten
zu verlangen sei, ist zu beachten, dass die Konkursverwaltung über
keinerlei Zwangsmittel verfügt, um von einem Gläubiger die Leistung
eines Kostenvorschusses zu erwirken. Wird ein von der Konkursverwaltung
verlangter Kostenvorschuss nicht erbracht, hat dies einfach zur Folge,
dass die betreffende Handlung der Konkursverwaltung (beispielsweise
Einleitung eines Prozesses) unterbleibt (vgl. Art. 68 SchKG).

Erwägung 3

    3.- Bei vernünftiger Betrachtung ist davon auszugehen,
dass die im vorliegenden Fall überstimmten Gläubiger eine von der
Konkursverwaltung auch ihnen angesetzte Frist zur Leistung der fraglichen
Prozesskostenvorschüsse ungenützt hätten verstreichen lassen. Unnötige
Anordnungen zu treffen, ist die Konkursverwaltung jedoch nicht gehalten. Es
ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn das Konkursamt lediglich diejenigen
Gläubiger zur Leistung der Vorschüsse aufgefordert hat, die sich einer
Erledigung der Auseinandersetzungen mit X. und Y. durch Vergleich
widersetzt hatten (in diesem Sinne auch BGE 51 III 83 Nr. 23).

Erwägung 4

    4.- Es trifft zu, dass bei einem positiven Ausgang der beiden in Frage
stehenden Prozesse das Ergebnis auch denjenigen Gläubigern zugute käme,
die sich einer Durchführung bzw. Weiterführung der gerichtlichen Verfahren
widersetzt und keine Kostenvorschüsse geleistet hatten. Will ein Gläubiger
solches verhindern, kann er versuchen, sich die Rechtsansprüche der Masse
im Sinne von Art. 260 SchKG abtreten zu lassen.

Erwägung 5

    5.- Die Rekurrentin räumt ein, dass bei einem positiven Ausgang
der Prozesse vorab die von einem Gläubiger geleisteten Kostenvorschüsse
zurückerstattet würden (vgl. Art. 262 SchKG). Sie macht jedoch geltend,
dass der Arbeitsaufwand, der dem betreffenden Gläubiger bei der Instruktion
von Prozessen oder sonstiger Geltendmachung von Ansprüchen erwachsen sei,
nicht ersetzt würde. Dieser Einwand ist unbehelflich. Wird der Prozess -
nach Eingang des erforderlichen Barvorschusses - von der Masse geführt,
haben die Gläubiger keinen Arbeitsaufwand.