Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 III 69



110 III 69

19. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 7. September
1984 i.S. X. und Y. AG (Rekurs) Regeste

    Schätzung im Pfandverwertungsverfahren (Art. 99 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 9 Abs. 2 VZG).

    Eine Neuschätzung durch Sachverständige im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG
kann auch mit Bezug auf einen Grundpfandtitel verlangt werden (Bestätigung
der Rechtsprechung). Stellen der Eigentümer des Pfandtitels und der
Betreibungsschuldner mit rechtzeitiger Beschwerde das Begehren, es sei
eine neue Schätzung vorzunehmen, dürfen sich die vollstreckungsrechtlichen
Aufsichtsbehörden demnach nicht darauf beschränken, die betreibungsamtliche
Schätzung zu überprüfen.

Sachverhalt

    A.- Auf dem Grundstück Kat. Nr. 6228 in A. lastet im zweiten Rang
ein Inhaberschuldbrief über nominal Fr. 270'000.--. Eigentümer des
Grundpfandtitels ist X. Zur Sicherung einer Schuld der Y. AG wurde der
Schuldbrief als Faustpfand der Bank Z. übergeben.

    Nachdem die Bank in der von ihr gegen die Y. AG eingeleiteten
Betreibung auf Pfandverwertung am 8. März 1983 das Verwertungsbegehren
eingereicht hatte, stellte das Betreibungsamt am 15. April 1983 die
Schätzungsurkunde aus. Es legte darin den Wert des Schuldbriefs auf
Fr. 50'000.-- fest.

    In der Folge reichten X. und die Y. AG bei der unteren kantonalen
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde ein
mit den Anträgen:

    "1. Der Wert des geschätzten Pfandtitels sei auf Fr. 270'000.--

    festzusetzen.

    2. Eventuell sei das Betreibungsamt anzuweisen, eine neue, den

    Realitäten entsprechende Schätzung des belasteten Grundstückes
   vorzunehmen."

    Mit Beschluss vom 1. Juni 1983 wies die untere Aufsichtsbehörde die
Beschwerde ab. Einen von X. und der Y. AG hiergegen erhobenen Rekurs wies
die obere kantonale Aufsichtsbehörde am 13. Juli 1984 ebenfalls ab. Sie
schloss sich der erstinstanzlichen Empfehlung an, das Betreibungsamt
solle in der Schätzungsurkunde vermerken und anlässlich der Steigerung
mündlich bekanntgeben, dass es sich beim fraglichen Grundstück gemäss
dem in der Gemeinde A. zur Diskussion stehenden Gesamtplan um sogenanntes
Bauentwicklungs- bzw. Bauerwartungsgebiet handle.

    X. und die Y. AG haben den zweitinstanzlichen Entscheid mit Rekurs an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 99 Abs. 2 VZG hat das Betreibungsamt das Ergebnis der
von ihm angeordneten Schätzung des Grundstückwertes dem Gläubiger, der
die Pfandverwertung verlangt, sowie dem Schuldner und dem allfälligen
Dritteigentümer mitzuteilen, verbunden mit der Anzeige, dass sie
innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine neue
Schätzung durch Sachverständige im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG verlangen
können. Die erwähnten Bestimmungen beziehen sich auf die Schätzung
von Grundstücken. Sie gelten jedoch sinngemäss auch bei der Schätzung
von Fahrnis, jedenfalls soweit anerkannte Schätzungskriterien bestehen
(vgl. BGE 101 III 34 f. E. b; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 3. A., § 22 N. 38, S. 165). Bei einem Grundpfandtitel
liegt eine Besonderheit darin, dass sein Wert in erster Linie vom Wert
des belasteten Grundstücks abhängt und demnach vorerst dieses selbst
zu schätzen ist. Das Bundesgericht hat denn auch bereits in BGE 61 III
66 Nr. 20 entschieden, dass bei Schuldbriefen eine Neuschätzung durch
Sachverständige verlangt werden könne.

Erwägung 2

    2.- Art. 9 Abs. 2 letzter Satz VZG bestimmt, dass Streitigkeiten über
die Höhe der Schätzung endgültig durch die kantonale Aufsichtsbehörde
beurteilt werden. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts kann im Zusammenhang mit einer solchen Schätzung einzig
prüfen, ob das hierfür massgebende Verfahren eingehalten worden sei und
ob die kantonale Aufsichtsbehörde allenfalls das ihr zustehende Ermessen
überschritten oder missbraucht habe (vgl. BGE 60 III 191 Nr. 48 und 86
III 92 f.). Auf den Antrag der Rekurrenten, der Wert des strittigen
Schuldbriefs sei auf Fr. 270'000.-- festzusetzen, ist demnach von
vornherein nicht einzutreten. Immerhin sei hier festgehalten, dass die
vorinstanzliche Auffassung, bei der Schätzung eines Grundpfandtitels
könne die Frage der Zahlungsfähigkeit des persönlich haftenden Schuldners
der pfandgesicherten Forderung ausser acht bleiben, nicht in jedem Fall
richtig sein dürfte.

    Ob eine Nichtberücksichtigung dieser Frage unter gewissen Umständen
nicht sogar als Ermessensmissbrauch oder -überschreitung und damit als
Verletzung von Bundesrecht zu werten wäre, braucht im gegenwärtigen Stand
des Verfahrens jedoch nicht erörtert zu werden.

Erwägung 3

    3.- Nach dem Gesagten hatten die Rekurrenten die Wahl, die
betreibungsamtliche Schätzung zu akzeptieren oder innerhalb der
Beschwerdefrist eine neue Schätzung durch Sachverständige zu verlangen.

    Entgegen der Ansicht der Vorinstanz haben sie von der zweiten
Möglichkeit Gebrauch gemacht. In ihrer rechtzeitig erhobenen Beschwerde
an die untere Aufsichtsbehörde haben sie hilfsweise beantragt, es sei
eine "neue, den Realitäten entsprechende Schätzung" des belasteten
Grundstückes vorzunehmen. Unter den gegebenen Umständen konnte damit
nur eine Neuschätzung durch Sachverständige im Sinne von Art. 9 Abs. 2
VZG gemeint sein. Dass sich die Rekurrenten nicht ausdrücklich auf diese
Bestimmung beriefen, ist ohne Belang, zumal die vollstreckungsrechtlichen
Aufsichtsbehörden das Recht von Amtes wegen anzuwenden haben (vgl. BGE 73
III 55). Auf eine Überprüfung der betreibungsamtlichen Schätzung hätten
sich die kantonalen Instanzen übrigens selbst dann nicht beschränken
dürfen, wenn das Betreibungsamt selbst bereits einen Sachverständigen
beigezogen gehabt hätte (vgl. BGE 60 III 190).

    Haben die Rekurrenten mithin rechtzeitig eine Neuschätzung im Sinne
von Art. 9 Abs. 2 VZG verlangt, ist nun der von ihnen zu leistende
Kostenvorschuss festzulegen und die entsprechende Frist anzusetzen. Um
die Möglichkeit eines allfälligen Weiterzugs an die obere kantonale
Aufsichtsbehörde zu gewährleisten, ist die Sache zu diesem Zweck an die
untere Aufsichtsbehörde ... zu überweisen.