Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 III 60



110 III 60

17. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 20. August 1984 i.S. S. und A. Regeste

    Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG).

    Werden Eigentums- und Pfandansprachen von verschiedenen Dritten
erhoben, so können dem betreibenden Gläubiger die Fristen zur Erhebung
der Klagen gegen Eigentums- und Pfandansprecher gleichzeitig angesetzt
werden. Doch soll beigefügt werden, dass die Frist zur Klage gegen
den Pfandansprecher erst mit dem Tage zu laufen beginnt, an welchem
das gegenüber dem Eigentumsansprecher erstrittene Urteil in Rechtskraft
tritt. Dem Pfandansprecher muss von dieser Art und Weise der Fristansetzung
Mitteilung gemacht werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- In zwei Betreibungen, welche S. und A. je gegen die Firma
O. eingeleitet hatten, wurde am 17. November 1983 der Arrest vollzogen,
vom Betreibungsamt jedoch nur provisorische Schätzungswerte eingesetzt,
weil die Bank B. die Auskunft verweigerte. Am 24. November 1983 teilte
die Bank B. dem Betreibungsamt mit, dass die Arrestschuldnerin am Tag des
Arrestvollzugs am Hauptsitz der Bank über Guthaben im Gesamtbetrag von
Fr. 49'612'954.62 verfügte. Gleichzeitig aber machte die Bank B. eigene
Forderungen im Gesamtbetrag von Fr. 21'144'092.95 geltend. Die Bank wies
auf das ihr zustehende Verrechnungsrecht sowie auf ihr Pfandrecht hin und
liess das Betreibungsamt wissen, dass schon im November 1980 und im Februar
1983 bei ihr Arrestbefehle gegen die Firma O. vollzogen worden waren.

    Am 29. November 1983 vollzog das Betreibungsamt bei der Bank B. die
beiden Arreste von neuem. In die Arresturkunden wurden die von der Bank
namhaft gemachten Guthaben und Forderungen aufgenommen; und es wurden die
von der Bank behaupteten Verrechnungs- und Pfandansprüche vorgemerkt. Das
Betreibungsamt setzte den Gläubigerinnen eine Frist von zehn Tagen an,
um Widerspruchsklage gegen die von der Bank B. angemeldete Pfandansprache
einzuleiten.

    B.- Gegen den in den beiden Urkunden vom 29. November 1983
festgehaltenen Arrestvollzug erhoben S. und A. Beschwerde bei der unteren
kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, indem
sie dessen Aufhebung verlangten sowie die Rückweisung zur Verbesserung
und Neuausfertigung an das Betreibungsamt. Sodann stellten die
Arrestgläubigerinnen den Antrag, es sei ihnen die Frist für die Anhebung
der Widerspruchsklage "bis dahin", das heisst: bis zur Ausstellung neuer
Arresturkunden durch das Betreibungsamt, abzunehmen.

    Die untere Aufsichtsbehörde hiess mit Beschluss vom 13. April 1984
die Beschwerde teilweise gut und wies sie im übrigen ab. Bezüglich der
Frist nach Art. 109 SchKG ordnete sie an, dass diese mit der Zustellung
des Beschlusses für die Beschwerdeführerinnen neu zu laufen beginne.

    C.- Am 11. Mai 1984 erhoben die Arrestgläubigerinnen bei der
oberen kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Beschwerde gegen den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde. Sie
stellten das Rechtsbegehren, es sei ihnen die Frist für die Anhebung der
Widerspruchsklage abzunehmen und erst dann allenfalls neu anzusetzen,
wenn ein weiteres eingeleitetes Beschwerdeverfahren rechtskräftig
erledigt sei. Sodann beantragten die Arrestgläubigerinnen die Sistierung
des betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahrens bis zur rechtskräftigen
Erledigung jenes Beschwerdeverfahrens.

    In ihrer Beschwerde an die obere kantonale Aufsichtsbehörde machten
die Arrestgläubigerinnen geltend, die bei der Bank B. verarrestierten
Bankguthaben seien bereits im Juli 1983, also vor dem Arrestvollzug
im November 1983, von der Firma O. an das Unternehmen G. abgetreten
worden. Erst im März 1984, als bereits der Arrestprosequierungsprozess
hängig gewesen sei, habe die Bank B. diese Zession offenbart. Hierauf
habe das Betreibungsamt den Arrestgläubigerinnen die Frist nach Art. 107
SchKG angesetzt, damit sie die Eigentumsansprache des Unternehmens G.
allenfalls bestreiten könnten. Gegen diese Verfügung des Betreibungsamtes
hätten die Arrestgläubigerinnen am 3. April 1984 Beschwerde eingereicht
(es handelt sich um das oben erwähnte Beschwerdeverfahren). Es sei nun
aber sinnlos, Widerspruchsklage gegen die Bank B. zu erheben, solange
die bei dieser verarrestierten Guthaben zivilrechtlich von einem am
Betreibungsverfahren nicht beteiligten Dritten vindiziert würden und nicht
entschieden sei, ob dieser Dritte einen rechtmässigen Anspruch habe oder
allenfalls wegen Unterlassungen im Betreibungsverfahren seiner Rechte
verlustig gegangen sei.

    Die obere kantonale Aufsichtsbehörde wies das Sistierungsgesuch der
Beschwerdeführerinnen mit Beschluss vom 26. Juni 1984 ab, wies auch die
Beschwerde ab und setzte den Arrestgläubigerinnen eine neue Frist von zehn
Tagen ab Erhalt des Beschlusses zur Einleitung des Widerspruchsverfahrens
gemäss Art. 109 SchKG.

    D.- Die Arrestgläubigerinnen S. und A. erhoben mit Eingabe vom 13. Juli
1984 bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
Rekurs. Sie verlangten die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
vom 26. Juni 1984 und stellten den Antrag, es sei ihnen die Frist für
die Anhebung der Widerspruchsklage abzunehmen und allenfalls erst dann
neu anzusetzen, wenn das Beschwerdeverfahren, welches am 3. April 1984
eingeleitet worden war, erledigt sei.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat den Rekurs gutgeheissen
mit folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- a) Es steht fest und ist unbestritten, dass der den Rekurrentinnen
bewilligte und am 29. November 1983 vollzogene Arrest in zweifacher
Hinsicht von Dritten in Frage gestellt wird. Einerseits hat die Bank
B. Verrechnungsansprüche gegenüber der von den Rekurrentinnen betriebenen
Schuldnerin angemeldet und macht ein Pfandrecht geltend; anderseits hat
das Unternehmen G. aufgrund einer vor dem Pfändungsvollzug erfolgten
Zession Eigentumsansprache auf die gepfändeten Vermögensgegenstände
erhoben. Diese beiden Ansprüche schliessen sich gegenseitig aus. Sollte die
Eigentumsansprache von G. geschützt werden, so scheiden die verarrestierten
Gegenstände aus dem Vermögen der betriebenen Firma O. aus. Damit verlören
die Rekurrentinnen ihr Interesse an der Arrestbetreibung, und die Frage,
ob die Bank B. ihre Ansprüche zu Recht behauptet oder nicht, würde
hinfällig. Der Umstand, dass die Bank B. ihre Ansprüche ebenso gegenüber
dem Unternehmen G. wie gegenüber der Firma O. geltend machen kann, berührt
die Rekurrentinnen diesfalls nicht; denn die verarrestierten Gegenstände
entziehen sich - da nicht mehr zum Vermögen der Arrestschuldnerin gehörend
- so oder so ihrem Zugriff.

    b) Art. 106 ff. SchKG sehen den Fall nicht vor, wo mehr als ein
Dritter die nicht im Gewahrsam des Schuldners befindliche Sache als ihr
Eigentum oder Pfand beanspruchen. Die Rechtsprechung hat deshalb hiezu
eine Regel entwickelt: Dem betreibenden Gläubiger können die Fristen zur
Erhebung der Klagen gegen Eigentums- und Pfandansprecher gleichzeitig
angesetzt werden. Doch soll beigefügt werden, dass die Frist zur Klage
gegen den Pfandansprecher erst mit dem Tage zu laufen beginnt, an welchem
das gegenüber dem Eigentumsansprecher erstrittene Urteil in Rechtskraft
tritt. Dem Pfandansprecher muss von dieser Art und Weise der Fristansetzung
Mitteilung gemacht werden (BGE 56 III 77 f.). Mit diesem Vorgehen soll
vermieden werden, dass ein Prozess gegen den Pfandansprecher sich als
nutzlos erweist, weil der Eigentumsansprecher in einem anderen Verfahren
obsiegt hat mit der Folge, dass die umstrittenen Vermögensgegenstände
dem betreibenden Gläubiger entzogen bleiben (vgl. auch AMONN, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 24 N. 56).

    Diese Rechtsprechung ist vom Obergericht, das sich einzig vom
Bestreben nach einer beförderlichen Prozesserledigung (im beschleunigten
Verfahren) hat leiten lassen, übersehen worden. Seinen Argumenten kann
nicht gefolgt werden. Das Obergericht schliesst selber nicht aus, dass der
über die Verrechnungs- und Pfandansprüche zu führende Prozess sistiert
werden muss, bis im Beschwerdeverfahren über die Eigentumsansprache des
Unternehmens G. entschieden ist. Infolgedessen wird die Betreibung auch
dann nicht vorangetrieben, wenn von den Gläubigerinnen ohne Verzug die
Widerspruchsklage nach Art. 109 SchKG eingeleitet wird, eine Klage, die -
wie dargelegt - im Falle einer erfolgreichen Eigentumsansprache sich als
unnütz erweisen würde.

    c) Im vorliegenden Fall drängt sich die Abnahme der Frist zur
Widerspruchsklage gegen die von der Bank B. erhobenen Ansprüche um so
mehr auf, als die Prozesschancen des vindizierenden Unternehmens G. vorab
in verfahrensrechtlicher Hinsicht als noch völlig offen erscheinen. Die
Rekurrentinnen behaupten ja, die Eigentumsansprecherin sei ihrer Rechte
verlustig gegangen, weil sie diese - rechtsmissbräuchlich im Sinne von
BGE 109 III 18 ff. E. 1 - nicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Diese
Frage ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor der unteren kantonalen
Aufsichtsbehörde. Das Obergericht anerkennt im angefochtenen Urteil
selber, dass jenes Beschwerdeverfahren "von einer gewissen präjudiziellen
Bedeutung" für den Prozess zwischen den Rekurrentinnen und der Bank
B. sein könne.

    Wird in jenem Verfahren die Beschwerde gutgeheissen, so kann das
Unternehmen G. seine Eigentumsansprache nicht weiterverfolgen; und es
muss der Richter nur noch die Frage beantworten, ob die Verrechnungs-
und Pfandansprüche, welche die Bank B. auf die - nun als Eigentum der
Firma O. anerkannten - Arrestgegenstände erhebt, zu Recht bestehen. Wird
umgekehrt die Beschwerde abgewiesen und damit dem Unternehmen G. die
Behauptung ermöglicht, die verarrestierten Vermögensgegenstände seien
dem Zugriff der Rekurrentinnen entzogen, so wird ihnen als Gläubigerinnen
entsprechend der zitierten Rechtsprechung (BGE 56 III 77 f.) nach Art. 109
SchKG Frist anzusetzen sein, um einerseits gegen die Bank B. und anderseits
gegen das Unternehmen G. zu klagen. Allenfalls muss dem Unternehmen G. als
Drittansprecher Frist nach Art. 107 SchKG angesetzt werden - es würde sich
hier um den Fall handeln, wo die Sache sich bei einem Vierten befindet und
dieser für den Schuldner besitzt (BGE 80 III 140 f. mit Hinweis; AMONN,
aaO, § 24 N. 27 a.E.) - sowie den Rekurrentinnen Frist nach Art. 109 SchKG,
um gegen die Bank B. zu klagen. Der Fristansetzung für die Klage gegen die
Bank B. wäre beizufügen, dass die Frist erst läuft, nachdem rechtskräftig
über die Eigentumsansprache des Unternehmens G. entschieden worden ist.