Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 III 49



110 III 49

14. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 12. Dezember 1984 i.S. H. G. Regeste

    Art. 8 Abs. 2 SchKG.

    Recht auf Einsicht in die Protokolle und auf Auszüge.

Sachverhalt

    A.- Über H. G. wurde am 14. Februar 1977 der Konkurs eröffnet und im
ordentlichen Verfahren durchgeführt. Am 7. März 1983 wurde der Konkurs
widerrufen; die Publikation des Widerrufs erfolgte am 7. Juli 1983. Die
Gebühren- und Auslagenrechnung wurde Anfang Januar 1984 erstellt und am 15.
Januar 1984 vom Präsidenten der Aufsichtsbehörde geprüft.

    Am 21. April 1984 sandte das Konkursamt dem Rechtsvertreter
von H. G. die "Schlussabrechnung zur Verwaltung der Liegenschaft
Parz. ...", worin das Total der "Netto-Erträgnisse 1977-1983" sowie der
Aufwand angegeben und daraus ein Saldo zugunsten von H. G. im Betrag
von Fr. 6'948.60 errechnet wird. Eine weitere Aufstellung, welche das
Konkursamt dem Rechtsvertreter von H. G. am 24. April 1984 zukommen liess,
nennt für die beweglichen Gegenstände den "Verwertungserlös brutto"
und, nach Abzug der Verwertungskosten sowie der Konkurskosten gemäss
der Gebühren- und Auslagenrechnung, einen Saldo zugunsten von H. G. von
Fr. 5'733.25.

    Mit Schreiben vom 25. April 1984 verlangte der Rechtsvertreter von
H. G. vom Konkursamt detaillierte Auskunft zur "Schlussabrechnung" und
Einsichtnahme in die Belege. Hierauf reagierte das Konkursamt am 15. Juni
1984 mit einer Aufstellung, in welcher die Totalbeträge von Aufwand und
Ertrag aus der Liegenschaftsverwaltung angegeben werden, sowie mit einer
ergänzenden Detailaufstellung und den Belegen hiezu.

    Am 18. Juli 1984 begehrte der Rechtsvertreter von H. G. vom Konkursamt
weitere Auskünfte über die Liegenschaftsverwaltung. Sodann forderte er
"eine detaillierte Abrechnung über die Verwertung von Gegenständen,
deren Schlussergebnis Sie mir am 24. April 1984 bekanntgegeben
haben". Schliesslich wollte er vom Konkursamt wissen, "wieso unter
anderem Goldmünzen mit Börsenwert vorzeitig verwertet wurden". Nachdem der
Rechtsvertreter das Konkursamt am 6. September 1984 an jenes Schreiben
erinnert hatte, antwortete ihm das Konkursamt am 27. September 1984, dass
es "die Abrechnung über Liegenschaftsverwaltung und Verwertung umfassend
dokumentiert" habe. Bezüglich eines vom Rechtsvertreter erwähnten
Durchleitungsrechtes verwies das Konkursamt auf BGE 108 III 1 ff.
Schliesslich führte es aus, dass die von der Aufsichtsbehörde geprüften
Akten im Konkurs des H. G. archiviert seien und dass es deshalb auf die
Sache nicht mehr eintreten könne.

    B.- H. G. liess am 8. Oktober 1984 durch seinen Rechtsvertreter
Beschwerde gegen das Konkursamt erheben mit dem Begehren:

    "Es sei festzustellen, dass eine Rechtsverweigerung vorliegt, das

    Konkursamt anzuweisen, innert einer Frist von 5 Tagen die im
Schreiben vom

    18. Juli 1984 aufgeworfenen Fragen zu beantworten und insbesondere eine
   vollständige detaillierte Aufstellung und Abrechnung über die vom
   Amt im zwischenzeitlich widerrufenen Konkursverfahren verwahrten
   und verwalteten

    Sachen zu erstellen unter Bekanntgabe, wo diese abgeholt werden
können."

    Die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wies die
Beschwerde am 9. November 1984 ab, soweit darauf eingetreten werden
konnte, was H. G. zum Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts veranlasste. Sein Antrag lautet:

    "Es sei in Aufhebung des angefochtenen Entscheides festzustellen, dass
   eine Rechtsverweigerung vorliegt.

    Das Konkursamt sei anzuweisen, innert einer Frist von 5 Tagen die im

    Schreiben namens des Rekurrenten vom 18. Juli 1984 aufgeworfenen
Fragen zu
   beantworten und insbesondere eine vollständige detaillierte Aufstellung
   und

    Abrechnung über die vom Amt im zwischenzeitlich widerrufenen

    Konkursverfahren verwahrten und verwalteten Sachen zu erstellen unter

    Bekanntgabe, wo diese abgeholt werden können."

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG kann jedermann, der ein Interesse
nachweist, die Protokolle der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und
sich Auszüge daraus geben lassen. Dass der Rekurrent ein berechtigtes
Interesse hat, Einsicht in die Akten des über ihn eröffneten und in
der Folge widerrufenen Konkurses zu nehmen, steht ausser Zweifel. Sein
Anspruch auf Akteneinsicht wird weder vom Konkursamt, welches den Begehren
des Rekurrenten teilweise stattgegeben hat, noch von der kantonalen
Aufsichtsbehörde grundsätzlich in Abrede gestellt.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde ist jedoch der Ansicht, es bestehe kein
Anspruch des Konkursiten auf nachträgliche Amtshandlungen und Auskünfte
nach abgeschlossenem Konkurs. Indessen lässt sich diese Meinung nicht
aufrechterhalten. Das Recht, die Akten einzusehen und sich daraus Auszüge
geben zu lassen, besteht - unter der Voraussetzung eines ausgewiesenen
Interesses - so lange, als die Betreibungs- und Konkursämter nach Massgabe
der Verordnung des Bundesgerichts über die Aufbewahrung der Betreibungs-
und Konkursakten (vom 14. März 1938; SR 281.33) verpflichtet sind, die
Register und Protokolle aufzubewahren (BGE 99 III 44 mit Hinweis). Der
Umstand, dass die Akten aus dem Konkurs des Rekurrenten archiviert sind
und dass der damit befasste Konkursbeamte jetzt im Ruhestand lebt, vermag
die Verweigerung der Akteneinsicht nicht zu begründen.

    Das in Art. 8 Abs. 2 SchKG verankerte Recht, die Protokolle einzusehen
und sich Auszüge daraus geben zu lassen, beinhaltet auch den Anspruch
auf Einsicht in die entsprechenden Aktenstücke und Belege (BGE 93 III 7).

    Das Recht auf Erstellung eines Auszuges geht in der Regel ebenso weit
wie das Einsichtsrecht. Es stösst dort auf seine Grenze, wo die Erstellung
eines Auszuges dem Betreibungs- oder Konkursamt einen unzumutbaren
Arbeitsaufwand verursacht, so dass ihm das Recht zuzugestehen ist, den
Gesuchsteller auf die persönliche Einsichtnahme zu verweisen (BGE 102
III 62).

    Auf Fragen, die nicht durch die Zustellung von Auszügen aus den Akten
oder durch die persönliche Einsichtnahme des Gesuchstellers in die Akten
beantwortet werden, sondern auf eine Würdigung der Protokolle und Belege
hinauslaufen, brauchen die Betreibungs- und Konkursämter keine Antwort
zu erteilen.

Erwägung 5

    5.- Aus den vorstehend entwickelten Leitgedanken zur Akteneinsicht
aufgrund von Art. 8 Abs. 2 SchKG ergibt sich für den vorliegenden Fall
das Folgende:

    a) Das Konkursamt schuldet dem Rekurrenten keine Antwort auf die Frage,
aus welchen Gründen bei der Verwaltung der Liegenschaften bestimmte
Rechnungen bezahlt wurden. Der Rekurrent ist sehr wohl in der Lage,
die Gründe hiefür selber zu erkennen und aus den Rechtsvorgängen jene
Folgerungen zu ziehen, die ihm richtig erscheinen.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde hat im angefochtenen Entscheid
festgestellt, dass der Rekurrent seit dem 5. Dezember 1981 im Besitz von
Fotokopien der beiden mit den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken
abgeschlossenen Verträge ist. Dass diese Feststellung auf offensichtlichem
Versehen beruhe, behauptet der Rekurrent nicht. Das Konkursamt ist
gegenüber dem Rekurrenten zu keiner Erklärung der Gründe verpflichtet,
die es zum Abschluss dieser Verträge bewogen haben. Welche Rechte und
Pflichten ihm daraus erwachsen, vermag der Rekurrent selber zu erkennen.

    Ebenso mag der Rekurrent seine eigenen Überlegungen zur Verwertung der
Goldmünzen durch das Konkursamt anstellen. Er kann aus den Konkursakten
ersehen, wann sie verwertet wurden.

    b) Was die im Konkurs verwerteten Gegenstände anbetrifft, steht fest,
dass das Konkursamt dem Rekurrenten am 24. April 1984 eine summarische
Aufstellung gegeben hat. Doch sind dem Rekurrenten die Details hiezu
nicht bekanntgegeben worden, noch hat er - anders als bezüglich der
Liegenschaftenverwaltung - die Belege zu Gesicht bekommen. Insofern
hat das Konkursamt dem Ersuchen des Rekurrenten in seinem Schreiben vom
18. Juli 1984 zu Unrecht nicht stattgegeben und dadurch Art. 8 Abs. 2
SchKG verletzt.

    Es lässt sich dem nicht entgegenhalten, wie die kantonale
Aufsichtsbehörde es tut, dass Begehren und Beschwerden "einen praktischen,
noch realisierbaren Verfahrenszweck verfolgen" müssten. Der von
der Aufsichtsbehörde in diesem Zusammenhang angerufene BGE 105
III 35 ff. grenzt das Beschwerde- und Rekursverfahren gegen die
Verantwortlichkeitsklage (und Rekurse, die zur Unterstützung einer solchen
angehoben werden) ab, welches Problem in dem hier zu beurteilenden Fall
nicht zur Diskussion steht. Wie oben (E. 4) dargelegt, räumt Art. 8 Abs. 2
SchKG dem durch ein berechtigtes Interesse ausgewiesenen Gesuchsteller
unabhängig von einem laufenden Betreibungs- oder Konkursverfahren das
Recht auf Akteneinsicht ein.

    c) Der vorliegende Rekurs ist somit in dem Sinne teilweise
gutzuheissen, dass das Konkursamt angewiesen wird, dem Rekurrenten eine
detaillierte Aufstellung über die im Konkursverfahren verwalteten und
verwerteten beweglichen Gegenstände sowie die diesbezüglichen Belege
zur Verfügung zu halten. Die vom Rekurrenten gewünschten Auskünfte
können aufgrund der Konkursprotokolle erteilt werden (vgl. Art. 8 ff.
KOV). Allerdings vermag das Bundesgericht nicht zu beurteilen, ob die
Erstellung von Auszügen dem Konkursamt allenfalls einen unzumutbaren
Aufwand im Sinne von BGE 102 III 62 verursachen würde. Angesichts
der langen Dauer des Konkursverfahrens - 14. Februar 1977 bis
7. März 1983 - liegt die Vermutung nahe, dass dies der Fall sein
könnte. Zweckmässigerweise wird deshalb das Konkursamt dem Rekurrenten
die Akten des Konkurses zur Verfügung halten, damit er persönlich
Einsicht nehmen kann. Der Rekurrent hat alsdann Gelegenheit, die Akten
zu bezeichnen, von denen er gegen Entrichtung der Gebühr gemäss Art. 10
GebTSchKG Fotokopien zu erhalten wünscht. Dem Konkursamt ist eine kurze
Frist anzusetzen, damit es dem Rekurrenten bzw. seinem Rechtsvertreter
mitteilen kann, an welchem Ort und ab welchem Zeitpunkt Einsicht in die
Akten genommen werden kann.