Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 IB 260



110 Ib 260

44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen
Abteilung vom 26. September 1984 i.S. Gemeinde Rothenthurm gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft und Regierungsrat des Kantons Schwyz
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Raumplanung, Bauten für die Landesverteidigung.

    Die Schweizerische Eidgenossenschaft bedarf nach Art. 164 Abs. 3
MO für Projekte, die der Landesverteidigung dienen, keiner kantonalen
Bewilligung und keiner Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG.

Sachverhalt

    A.- Das Eidgenössische Militärdepartement begann im April 1984 mit
Arbeiten im Bereiche der bestehenden SOB-Unterführung in der Zweiten
Altmatt, Gemeinde Rothenthurm, welche Bestandteil der Zufahrt zur geplanten
Waffenplatz-Kaserne bilden. Der Gemeinderat von Rothenthurm verfügte die
Einstellung der Arbeiten, da keine kommunale oder kantonale Bewilligung
erteilt worden sei. In der Folge hob das Justizdepartement des Kantons
Schwyz das Verbot auf, und der Regierungsrat des Kantons Schwyz bestätigte
diesen Entscheid. Er führte im wesentlichen aus, die Eidgenossenschaft
bedürfe nach Art. 164 Abs. 3 MO keiner Bewilligung.

    Gegen diesen Entscheid reichte die Gemeinde Rothenthurm beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Sie verlangt, dass die
Eidgenossenschaft verpflichtet werde, für ihr Bauvorhaben ausserhalb der
Bauzone um eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 des Raumplanungsgesetzes
zu ersuchen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Bereich der Landesverteidigung und des Militärwesens ist Sache
des Bundes. Aufgrund von Art. 20 BV besitzt der Bund eine ausschliessliche,
umfassende Gesetzgebungskompetenz (vgl. FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches
Bundesstaatsrecht, 1949, S. 86 f.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit
constitutionnel suisse, Band I, S. 266 Nr. 697). Gestützt auf diese
Gesetzgebungskompetenz ist das Bundesgesetz über die Militärorganisation
der Schweizerischen Eidgenossenschaft (MO, SR 510.10) erlassen worden. Die
MO bestimmt in Art. 164 Abs. 3 folgendes:
                "Die Ausführung von Arbeiten, die der Landesverteidigung
           dienen, dürfen keiner kantonalen Gebühr oder Bewilligung
           unterworfen werden."

    a) Die Beschwerdeführerin macht vorerst geltend, nach Art. 164
Abs. 3 MO seien lediglich die Ausführungsarbeiten als solche, nicht
hingegen die eigentlichen Projekte von einer Bewilligung nach kantonalem
Recht ausgenommen. Sie begründet ihre Auffassung mit dem Wortlaut der
Bestimmung und der Entstehungsgeschichte.

    In dieser Hinsicht ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die
streitige Bestimmung aufgrund gewisser Vorkommnisse im Zusammenhang mit
der Bauausführung einer militärischen Anlage in die Militärorganisation
aufgenommen worden ist (vgl. Sten.Bull. 1906 S. 949, Votum Hoffmann). Das
Bundesgericht hat die Frage nach der Bedeutung von Art. 164 Abs. 3
MO in einem Entscheid aus dem Jahre 1952 ausdrücklich offengelassen
(unveröffentlichter Entscheid i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen
Kanton Luzern vom 23. Dezember 1952). Die Bestimmung ist indessen so zu
verstehen, dass die eigentlichen Bauvorhaben von einer Bewilligung nach
kantonalem Recht ausgenommen sind; es wäre kaum ersichtlich, welcher Sinn
einer Befreiung von kantonalen Bewilligungen für die Arbeitsausführung
zukommen sollte. Von dieser Auffassung ging das Bundesgericht auch in
einem Entscheid aus dem Jahre 1975 aus (BGE 101 Ia 315 f.). Demnach
bedürfen Bauvorhaben, die der Landesverteidigung dienen, nach Art. 164
Abs. 3 MO grundsätzlich keiner Baubewilligung nach kantonalem Recht.

    b) Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, von einer kantonalen
Bewilligung seien lediglich unmittelbar der Landesverteidigung dienende
Bauten wie etwa Festungsanlagen oder Panzersperren befreit, nicht aber
andere Bauvorhaben wie Übungsanlagen oder Kasernen, die lediglich
mittelbar militärischen Zwecken dienen. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts gehören zu den von Art. 164 Abs. 3 MO erfassten
Bauvorhaben auch Militärbaracken (BGE 101 Ia 315 f.) oder Zeughäuser
(unveröffentlichter Entscheid i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen
Kanton Luzern vom 23. Dezember 1952). Um so mehr gilt daher Art. 164 Abs.
3 MO auch für Kasernen, die ebenso sehr zum Zwecke der Landesverteidigung
erbaut werden. Die Einwände der Beschwerdeführerin erweisen sich daher
auch in dieser Hinsicht als unbegründet.

    c) Näher zu betrachten bleibt das Verhältnis der Bestimmung
von Art. 164 Abs. 3 MO zu dem am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen
Bundesgesetz über die Raumplanung. Der Regierungsrat hat im angefochtenen
Entscheid unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien des RPG erklärt,
Art. 164 Abs. 3 MO gehe als ältere Spezialnorm der jüngeren allgemeinen
Regelung des RPG über Baubewilligungen, so auch nach Art. 24 RPG, vor. Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, das EMD habe wie jeder
private Bauherr für seine Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen um eine
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG nachzusuchen, der Geheimhaltung
unterworfene Projekte allenfalls vorbehalten. Art. 164 Abs. 3 MO befreie
von dieser Pflicht nicht.

    Diese Rechtsauffassung geht jedoch fehl. In der Lehre wird Art. 164
Abs. 3 MO als grundlegende Norm betrachtet, die dem Raumplanungsgesetz
vorgeht (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung,
S. 67 N. 80; MARTIN LENDI/URS BEELER, Militärrecht, ETH Zürich 1983,
S. 89; URS SPAHN, Die Bindung des Bundes an das kantonale und kommunale
Baupolizeirecht sowie an die eidgenössischen Vorschriften im Bereich
der Raumplanung, in: Grundlagen der Raumplanung, herausgegeben
vom EJPD/Delegierten für Raumplanung, Juli 1977, S. 25). Auch
nach Inkrafttreten des RPG gelten raumplanerische Bestimmungen
in der Spezialgesetzgebung weiter (THOMAS PFISTERER, Über den
Einfluss des Raumplanungsrechts auf die Bundesverwaltungstätigkeit,
in: Informationshefte Raumplanung, herausgegeben vom EJPD/BRP, Heft
1/1981 S. 13 N. 36; EJPD/BRP, aaO, N. 3 zu Art. 25). Die Materialien zum
Raumplanungsgesetz besagen nichts anderes. Die eidgenössischen Räte haben
zwar Art. 25 Abs. 3 aus der bundesrätlichen Vorlage gestrichen, wonach
Zuständigkeit und Verfahren nach andern Bundesgesetzen, die bestimmte
Behörden ermächtigen, Bauten und Anlagen zu errichten, vorbehalten bleiben
(vgl. BBl 1978 I 1043). Die Streichung sollte indessen keine Änderung
der bisherigen Rechtslage bedeuten. Vielmehr wollten die Verfahren und die
Zuständigkeiten nach besonderen Bundesgesetzen unverändert belassen werden
(vgl. Amtl.Bull. 1978 Ständerat S. 473 f. und Amtl.Bull. 1979 Ständerat
S. 191; EJPD/BRP, aaO, N. 3 zu Art. 25 mit den Fussnoten 595 und 596).

    Bei dieser Sachlage ist die Eidgenossenschaft nicht verpflichtet,
für die Erstellung von der Landesverteidigung dienenden Bauten
eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG einzuholen. Dies bedeutet
indessen nicht, dass den raumplanerischen Interessen von Gemeinden
und Kantonen nicht Rechnung zu tragen wäre. Nach Art. 22quater Abs. 3
BV berücksichtigt der Bund bei der Erfüllung seiner Aufgaben die
Erfordernisse der Landes-, Regional- und Ortsplanung (vgl. SPAHN,
aaO, S. 25 f.). Die Raumplanungsgesetzgebung auferlegt dem Bund
hinsichtlich militärischer Bauten und Anlagen gewisse Konsultations- und
Koordinationspflichten. Art. 13 RPG verpflichtet den Bund, Konzepte und
Sachpläne für die Erfüllung seiner raumwirksamen Aufgaben zusammen mit den
Kantonen zu erarbeiten und sie diesen rechtzeitig bekannt zu geben. Daneben
gelten die Verfahrensregeln der Art. 2, Art. 5 Abs. 3 und Art. 11
RPV. Es versteht sich indessen von selbst, dass der Bund auch bei seinen
Militärbauten die materiellen Anliegen des Raumplanungsrechtes wie auch der
Gesetzgebung über Natur- und Heimatschutz in einer Interessenabwägung zu
prüfen und sie insoweit zu beachten hat, als ihm dies bei der Erfüllung
seiner Aufgaben im Dienste der Landesverteidigung möglich ist. Doch
unterliegt er hierbei nicht der Kontrolle durch eine kantonale Behörde,
welche die Anwendung von Art. 24 RPG zur Aufgabe hat. Seiner Pflicht
der Zusammenarbeit mit dem Kanton Schwyz gemäss Art. 13 RPG ist der
Bund im vorliegenden Fall offensichtlich nachgekommen. Das Projekt des
Waffenplatzes Rothenthurm wurde vom Bund und den Kantonen Schwyz und Zug
seit 1973 gemeinsam geprüft. In der Planungskommission, der Vertreter des
Kantons Schwyz, des Natur- und Heimatschutzes sowie auch des Gemeinderates
Rothenthurm angehörten, wurden die Planungsarbeiten auf die Raumplanung
des Kantons Schwyz abgestimmt. Auf Grund der Verhandlungen kam es im
Sommer 1978 zu einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den beiden
Kantonen über das Projekt, das in der Folge veröffentlicht wurde. Das
letzte entscheidende Wort sprach die Bundesversammlung, indem sie den
Kredit für die Bauausführung gewährte.

    d) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Waffenplatzprojekt
samt der streitigen Zufahrtsstrasse einer Bewilligung gemäss Art. 24
RPG nicht bedarf. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit auf sie
einzutreten ist.