Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 IB 229



110 Ib 229

39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 19. Oktober 1984 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Warenumsatzsteuer auf dem Eigenverbrauch von Fotokopien (Art.
16 Abs. 1 lit. b WUStB).

    1. Voraussetzungen des steuerbaren Eigenverbrauchs nach Art. 16 Abs. 1
lit. b WUStB (E. 2).

    2. Die gewerbsmässige Herstellung kann nur im Geschäftsbetrieb der
Unternehmung erfolgen (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Die X. AG betreibt eine Warenhauskette mit verschiedenen
Filialen in der ganzen Schweiz. In diesen Filialen hat sie unter anderem
Fotokopierapparate aufgestellt, die von den Kunden selbst durch Münzeinwurf
bedient werden können. Die aus dem Betrieb dieser Apparate vereinnahmten
Entgelte wurden von der X. AG als Hersteller-Umsätze deklariert und
versteuert.

    In der von den Filialen räumlich und organisatorisch getrennten
Zentralverwaltung der X. AG wird auf einer separaten Anlage, die
vom Personal der X. AG bedient wird, für den eigenen Bedarf jährlich
eine beträchtliche Menge Fotokopien hergestellt. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung machte gegenüber der X. AG die Warenumsatzsteuer auf
dem Eigenverbrauch dieser Fotokopien geltend.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der X. AG gegen den
Einsprache-Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung gut aus den
folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. a WUStB unterliegen der
Warenumsatzsteuer unter Vorbehalt von Art. 14 die Lieferung im Inlande
und der Eigenverbrauch von Waren durch den Grossisten. Eigenverbrauch
liegt unter anderem vor, wenn der Grossist Waren, die er in seinem
Geschäftsbetrieb gewerbsmässig hergestellt hat, anders verwendet als zum
Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von
Waren oder Bauwerken (Art. 16 Abs. 1 lit. b WUStB). Als gewerbsmässige
Herstellung gilt jede Verarbeitung, Bearbeitung, Zusammensetzung,
Instandstellung, Veredelung oder sonstige Umgestaltung einer Ware oder
eines Bauwerkes, wenn der Geschäftsbetrieb des Herstellers die Herstellung
für fremde Rechnung, die Veräusserung, Vermietung oder Verpachtung
solcher Waren oder Bauwerke zum Zwecke hat (Art. 10 Abs. 2, zweiter und
dritter Satz WUStB), d.h. wenn im Geschäftsbetrieb des Grossisten eine
anhaltende Bereitschaft zu Herstellungsarbeiten dieser Art besteht (BGE
108 Ib 42/3 E. 2b; kritisch zu dieser Bundesgerichtspraxis in einem hier
nicht strittigen Punkt, KELLER, Die warenumsatzsteuerliche Belastung von
Leistungen zwischen wirtschaftlich eng verbundenen Unternehmungen, ASA
51, 232/3, Anm. 20; vgl. auch METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer,
N. 394 ff., insbes. 401). Als Ware ist zu betrachten, was Gegenstand
eines Fahrniskaufes (Art. 187 OR) oder eines Energielieferungsvertrages
sein kann (Art. 17 WUStB).

    Stellt ein Grossist eine Ware ausschliesslich für den eigenen
Gebrauch her, so hat er nur das nötige Material steuerbelastet zu beziehen
(Art. 14 Abs. 1 lit. a und Art. 15 Abs. 3 WUStB) oder ausnahmsweise die
Warenumsatzsteuer auf dem steuerfrei eingekauften und verwendeten Material
zu entrichten (Art. 16 Abs. 1 lit. a WUStB; METZGER, aaO, N. 399). Denn in
diesem Fall führt er die Herstellung nicht gewerbsmässig durch. Stellt der
Grossist in seinem Geschäftsbetrieb aber gleichartige Ware gewerbsmässig
her, so schuldet er die Lieferungssteuer auf dem Entgelt der gelieferten,
d.h. veräusserten oder für fremde Rechnung hergestellten Waren und
die Eigenverbrauchssteuer auf dem Wert der für den eigenen Bedarf
gefertigten Produkte (METZGER, aaO, N. 400; KELLER, aaO, 231/2; AMONN,
Der Eigenverbrauch in der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Diss. Bern
1957, S. 57).

    In der Praxis wird die Gewerbsmässigkeit und damit die Pflicht,
den Eigenverbrauch von Material und Arbeit auch hinsichtlich der für
den eigenen Bedarf ausgeführten Herstellungen gleicher Art abzurechnen
und zu versteuern, allerdings erst dann angenommen, wenn die für Dritte
ausgeführten Reparaturen mehr als 5% des Gesamtaufwandes erreichen;
machen solche Arbeiten für Dritte weniger als 5% aus, so werden nur sie
als Lieferungen besteuert (METZGER, aaO, N. 400). Das Bundesgericht hat
diese in der Praxis angewendete Toleranzgrenze nicht in Zweifel gezogen
(ASA 49, 495/6 E. 3c; 38, 514 E. 1; 37, 54). Die Praxis kennt im weiteren
eine Toleranzgrenze von 33 1/3% bei Lieferungen an wirtschaftlich eng
verbundene Unternehmen und offenbar von 20% bei gewissen Lieferungen an
die Eidgenossenschaft im Rüstungsbereich. Diese beiden Toleranzgrenzen
sind indessen im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall ist offenkundig, dass die auf den Maschinen
der Beschwerdeführerin angefertigten Fotokopien im Sinne des Art. 10
Abs. 2 zweiter Satz WUStB hergestellt werden und dass die von den Kunden
der Beschwerdeführerin unter Zuhilfenahme der in den Filialen aufgestellten
Münzautomaten angefertigten Kopien während der 5 1/4 geprüften Jahre mehr
als 5% des Gesamtaufwandes für sämtliche in der Unternehmung hergestellten
Kopien ausmachten.

    a) Die Beschwerdeführerin hat in ihren Selbstveranlagungen das
Entgelt dafür als Entgelt für steuerpflichtige Lieferungen abgerechnet
und geht selber davon aus, diese Kopien für fremde Rechnung hergestellt
oder veräussert zu haben. Es kann nicht bezweifelt werden, dass sie
dabei gewerbsmässig tätig war. Soweit die Beschwerdeführerin allenfalls
auf denselben in den Filialen aufgestellten und den Kunden zugänglichen
Münzautomaten Kopien für den Eigenbedarf hergestellt hätte, würde sie
dementsprechend auch die Eigenverbrauchssteuer gemäss Art. 16 Abs. 1
lit. b WUStB schulden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht bestritten.

    b) Die Beschwerdeführerin bestreitet indessen die Steuerpflicht
auf dem Eigenverbrauch der in der Zentralverwaltung ausschliesslich
für firmeneigene Zwecke angefertigten Fotokopien. Sie macht geltend,
dass die Zentralverwaltung kein Betrieb sei und ihren Aktivitäten
jede Gewerbsmässigkeit fehle. Demgegenüber hält die Eidgenössische
Steuerverwaltung in ihrer Vernehmlassung fest, der Grundsatz der
Einheit des Unternehmens, welcher für die Frage der Gewerbsmässigkeit
der Herstellung massgebend sei, besage, dass Herstellungsvorgänge,
die im einen Werksbetrieb gewerbsmässig ausgeführt werden, auch dann
gewerbsmässig seien, wenn sie in einem andern Betrieb des gleichen
Unternehmens vorgenommen werden. Die Auffassung der Beschwerdeführerin,
die Aktivitäten in der Zentralverwaltung könnten definitionsgemäss
nicht gewerbsmässig sein, beruhe daher auf einer Verkennung der
warenumsatzsteuerlichen Rechtslage.

    aa) Der Eigenverbrauchssteuer unterliegen nach Art. 16 Abs. 1
lit. b WUStB die im Geschäftsbetrieb gewerbsmässig hergestellten
Waren. Gemäss Art. 10 Abs. 2 dritter Satz WUStB können nur
im Geschäftsbetrieb Waren gewerbsmässig hergestellt werden. Der
Warenumsatzsteuerbeschluss unterscheidet demnach für die Umschreibung
des steuerpflichtigen Eigenverbrauches zwischen dem Grossisten, der
als Steuersubjekt die Unternehmung als Ganzes verkörpert, und dem vom
Grossisten geführten Geschäftsbetrieb. Diese Unterscheidung im Bereiche
der Hersteller-Eigenverbrauchssteuer ist für das Warenumsatzsteuerrecht
nicht aussergewöhnlich; eine ähnliche Unterscheidung hat das Bundesgericht
im Zusammenhang mit der Frage der Steuerpflicht bei der Veräusserung von
Betriebsmitteln getroffen (BGE 73 I 258 ff.; ASA 17, 522 ff.; vgl. auch
ASA 50, 659; METZGER, aaO, N. 138 f.). Im übrigen lassen sich auch im
Handelsrecht (vgl. PATRY, Grundlagen des Handelsrechts, Schweizerisches
Privatrecht, Band VIII/1, S. 92/93) und in der Betriebswirtschaftslehre
(vgl. z.B. Handwörterbuch des Steuerrechts und der Steuerwissenschaften,
C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 2. Aufl., München und Bonn 1981,
1. Band, S. 250/251) die Begriffe der Unternehmung und des Betriebes
unterscheiden. Während etwa unter einer Unternehmung die dauerhaft
organisierte, rechtlich, finanziell und administrativ selbständige
Einheit verstanden wird, in der wirtschaftliche Aufgaben zum Zwecke der
Erfolgserzielung erfüllt werden, gehören zum Betrieb diejenigen Teile
einer Unternehmung, in denen die eigentliche Leistungserstellung oder
Produktion erfolgt. Legt man diese Unterscheidung Art. 16 Abs. 1 lit. b
WUStB zugrunde, so unterliegen der Eigenverbrauchssteuer Waren nicht
schon dann, wenn sie in der als Grossist grundsätzlich steuerpflichtigen
Unternehmung hergestellt werden; die Herstellung hat vielmehr, um
warenumsatzsteuerrechtlich massgebend zu sein, im eigentlichen Betrieb
der Unternehmung zu erfolgen.

    bb) Die organisatorisch und räumlich klar abgetrennte Zentralverwaltung
eines Grossunternehmens, die ausschliesslich für eigene, administrative
Zwecke Fotokopien anfertigt, stellt unter diesen Umständen keinen Teil des
Geschäftsbetriebs, aber auch keinen selbständigen Geschäftsbetrieb im Sinne
von Art. 16 Abs. 1 lit. b WUStB dar, in dem Waren gewerbsmässig hergestellt
werden. Alles, was in der Verwaltung auf ihren eigenen Geräten angefertigt
wird und ausschliesslich der Verwaltung zur Erfüllung der ihr eigenen
Aufgaben dient, unterliegt somit der Hersteller-Eigenverbrauchssteuer
nicht.

    cc) An dem vom Bundesgericht mehrfach bestätigten und für das
geltende Warenumsatzsteuerrecht fundamentalen Grundsatz der Einheit
der Unternehmung (vgl. ASA 50, 663/664 E. 4b; 43, 336 E. 2; 33, 391
E. 2a; 31, 517 E. 2; METZGER, aaO, N. 714; WELLAUER, Warenumsatzsteuer,
N. 697), auf den sich die Eidgenössische Steuerverwaltung beruft, ist
prinzipiell festzuhalten. Gliedert sich somit der Geschäftsbetrieb einer
Unternehmung in mehrere Betriebszweige, so beurteilt sich die Frage der
gewerbsmässigen Herstellung anhand des gesamten Geschäftsbetriebes. Daher
bildet etwa die Reparaturwerkstätte einer Bauunternehmung, in der
vorwiegend eigene Maschinen instand gestellt werden, auch dann einen
Bestandteil des Geschäftsbetriebes, wenn dieser Werkstätte im Rahmen der
gesamten Unternehmung nur eine geringe Bedeutung zukommt. Der Grundsatz der
Einheit der Unternehmung erlaubt es indessen nicht, Art. 16 Abs. 1 lit. b
WUStB ausdehnend auszulegen und der Hersteller-Eigenverbrauchssteuer
auch Waren zu unterwerfen, die nicht in dem als Geschäftsbetrieb
anzusehenden Unternehmensteil, sondern in der Verwaltung der Unternehmung
ausschliesslich für eigene Zwecke angefertigt werden.

    dd) Aus diesen Erwägungen ist die Beschwerde gutzuheissen. Es
erübrigt sich daher, auf die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin
einzugehen.