Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 IB 10



110 Ib 10

2. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Januar 1984 i.S.
Suot AG gegen Grundbuchinspektorat Graubünden und Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bundesrechtsverletzung; Beschwerdefrist (Art. 97 ff. OG; Art.
12 Abs. 3 BewB; Art. 20-24 VwVG).

    1. Die Nichtanwendung von kantonalem Recht kann eine
Bundesrechtsverletzung zur Folge haben. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
kann diesfalls die Nichtanwendung von kantonalem Recht gerügt werden,
wobei dem Bundesgericht die Überprüfung des kantonalen Rechts als solchem
in jedem Falle verwehrt ist (E. 1).

    2. Die Berechnung der Beschwerdefrist für das Verfahren an die
kantonale Beschwerdeinstanz im Bereiche der Bundesgesetzgebung über den
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland erfolgt ausschliesslich
nach Art. 12 Abs. 3 BewB in Verbindung mit den Art. 20-24 VwVG; diese
Regelung ist abschliessend; kantonales Recht findet keine Anwendung
(E. 2a/b).

Sachverhalt

    A.- Die Suot AG erwarb am 8. November 1971 in Celerina unter
anderem die Landparzelle Nr. 684 (Plan Nr. 12) mit einer Fläche von
1340 m2 zum Preise von 241'200 Franken. Im Jahre 1982 überprüfte das
Grundbuchinspektorat Graubünden aufgrund des Bundesbeschlusses über
den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März
1961 (BewB; SR 211.412.41) nachträglich die Bewilligungsbedürftigkeit
des Kaufgeschäftes von 1971. In der Verfügung vom 27. Dezember 1982
bejahte das Grundbuchinspektorat die Bewilligungsbedürftigkeit
und verweigerte gleichzeitig die Gewährung einer nachträglichen
Erwerbsbewilligung. Ausserdem wurde eine Verfügungsbeschränkung im Sinne
von Art. 960 Ziff. 1 ZGB (SR 210) über das strittige Grundstück verhängt.

    Auf den gegen die Verfügung des Grundbuchinspektorates am 28. Januar
1982 eingereichten Rekurs ist das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
wegen Fristversäumnis mit Entscheid vom 3. Mai 1983 nicht eingetreten. Die
mit Zugang am 28. Dezember 1982 begonnene 30tägige Frist gemäss Art. 12
Abs. 3 BewB sei am 27. Januar 1983 abgelaufen; der Fristenstillstand gemäss
Art. 19 des Bündner Verwaltungsgerichtsgesetzes komme nicht zur Anwendung.

    Mit fristgemässer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Suot
AG dem Bundesgericht:

    "1. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtes des Kantons

    Graubünden vom 3. Mai 1983 sei aufzuheben und der Fall zur neuen

    Entscheidung im Sinne der Rekursschrift vom 28. Januar 1983 an die

    Vorinstanz zurückzuweisen.

    2. Eventuell seien die Ziff. 1, 2 und 3 der Verfügung des

    Grundbuchinspektorates Graubünden vom 27. Dezember 1982 aufzuheben.

    3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge."

    Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Bundesrecht. Auf
ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen
eingegangen.

    Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat und das Grundbuchinspektorat
des Kantons Graubünden sowie das Bundesamt für Justiz beantragen die
Abweisung der Beschwerde; das Bundesamt für Justiz beantragt ausserdem,
es sei auf das Eventualbegehren nicht einzutreten. Der Regierungsrat
und das Grundbuchinspektorat Graubünden erheben schliesslich noch einen
Eventualantrag.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im Hinblick auf den Hauptantrag ist einzig zu prüfen, ob die
Beschwerdeführerin rechtzeitig an das kantonale Verwaltungsgericht
rekurrierte. Die Beschwerdeführerin macht hierzu geltend, bei der
Berechnung der Rekursfrist hätten die im kantonalen Verfahrensrecht
vorgesehenen Gerichtsferien mitberücksichtigt werden müssen. Sie behauptet
mit anderen Worten, es hätte kantonales anstatt eidgenössisches Recht
angewendet werden müssen.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann von anderen, hier nicht
massgeblichen Beschwerdegründen abgesehen, nur die Verletzung
von Bundesrecht geltend gemacht werden (Art. 104 lit. a OG; SR
173.110). Es fragt sich, ob die Nichtanwendung von kantonalem Recht
eine Bundesrechtsverletzung zur Folge haben kann. Diese Frage ist zu
bejahen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lässt sich diese
Schlussfolgerung jedoch nicht aus BGE 105 Ia 107 ff. ableiten.

    In BGE 83 II 348 E. 1 ist für den Bereich der bundesrechtlichen
Berufung die Anwendung von eidgenössischem statt kantonalem Recht
ausdrücklich als Fall unrichtiger Anwendung von Bundesrecht nach Art. 43
Abs. 2 OG bezeichnet worden; freilich sieht Art. 60 Abs. 1 lit. c OG
diesen Fall ausdrücklich vor. Eine analoge Vorschrift gibt es für die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht, doch hat das Bundesgericht schon
1920 entschieden, eine Bundesrechtsverletzung liege nicht nur dann vor,
wenn der kantonale Richter in einem nach Bundesrecht zu beurteilenden
Fall Bundesrecht nicht oder nicht richtig anwende, sondern auch
dann, wenn er seinem Urteil irrtümlicherweise eidgenössisches statt
kantonales Recht zugrunde lege (BGE 46 I 280 unten). Es besteht kein
Grund, von dieser Praxis abzuweichen, zumal auch nicht einzusehen
wäre, weshalb die Frage der Bundesrechtsverletzung beim Berufungs-und
beim Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren unterschiedlich beurteilt
werden sollte. Da die Eingabe der Beschwerdeführerin auch alle übrigen
Anforderungen an eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde erfüllt, ist auf die
Sache einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Materiell ist zu entscheiden, ob Art. 12 Abs. 3 BewB
in Verbindung mit den dort anwendbar erklärten Art. 20-24 VwVG (SR
172.021) die Berechnung der Beschwerdefrist für das Verfahren an die
kantonale Beschwerdeinstanz abschliessend regeln oder ob bei dieser
Berechnung auch das für den Beschwerdeführer günstigere kantonale Recht
mitzuberücksichtigen sei; die materielle Überprüfung des kantonalen Rechts
ist dem Bundesgericht jedoch in jedem Falle verwehrt.

    b) Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Hinblick auf
den inhaltlich mit Art. 12 Abs. 3 (2. Satzteil) BewB übereinstimmenden
Art. 96 AHVG (SR 831.10) festgestellt hat, bedeutet der Verweis auf die
Art. 20-24 VwVG, dass die Berechnung, Einhaltung und Erstreckung der
Fristen sowie die Säumnisfolgen und die Wiederherstellung einer Frist
durch Bundesrecht geregelt werden, wobei das eidgenössische Recht
auf diesem Gebiet die Anwendung von kantonalem Recht ausschliesst
(BGE 102 V 243 E. 2a). An dieser Rechtsprechung ist auch für den
Bewilligungsbeschluss festzuhalten. Art. 12 Abs. 3 BewB verweist denn auch
für die Fristberechnung im kantonalen Beschwerdeverfahren ausschliesslich
auf Bundesrecht.

    Dass nun das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes seinerseits keine
Gerichtsferien bei der Berechnung der Beschwerdefrist an die kantonale
Beschwerdeinstanz vorsieht, steht fest. Bei dieser abschliessenden
bundesrechtlichen Regelung können kantonalrechtliche Gerichtsferien nicht
berücksichtigt werden (BGE 97 I 608). Ob ein Stillstand der bundesrechtlich
geordneten Frist für die letztinstanzliche Beschwerde an ein kantonales
Verwaltungsgericht de lege ferenda vorzusehen ist, hat der Gesetzgeber zu
beurteilen (vgl. dazu das Postulat Josi Meier in Sten.Bull. NR, 1979, S.
352/353).

    c) Nachdem sich Rechtsanwalt Dr. Gilardoni ohne Widerspruch von seiten
der Organe der Beschwerdeführerin gegenüber den Behörden selbst als "legale
rappresentante" bezeichnet hat, ist sodann nicht einzusehen, weshalb die
Verfügung des Grundbuchinspektorates Graubünden an eine unzutreffende
Adresse gerichtet worden sein soll. Selbst der Geschäftsstempel der
Beschwerdeführerin nennt im übrigen die vom Grundbuchinspektorat gewählte
Adresse als Geschäftsadresse.

    d) Die am 28. Dezember 1982 bei Dr. Gilardoni eingegangene Verfügung
des Grundbuchinspektorates Graubünden löste somit am 29. Dezember 1982
den Lauf der Beschwerdefrist an die kantonale Beschwerdeinstanz aus; die
30tägige Frist von Art. 12 Abs. 3 BewB endete am 27. Januar 1983, wodurch
die Eingabe der Beschwerdeführerin an die kantonale Rechtsmittelinstanz
vom 28. Januar 1983 verspätet erfolgte.

    Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Mangels materieller
Beurteilung der Verfügung des Grundbuchinspektorates durch die kantonale
Beschwerdeinstanz kann nicht auf den Eventualantrag der Beschwerdeführerin
eingetreten werden, fehlt es diesbezüglich doch an einem tauglichen
Anfechtungsobjekt (Art. 98 OG).