Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 110 IA 163



110 Ia 163

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. Juni 1984 i.S. BDS Beton AG gegen Bär und Mitbet. und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 22ter; Raumplanung; § 234 lit. a des zürcherischen Planungs-
und Baugesetzes (PBG), planungsrechtliche Baureife.

    Die planungsrechtliche Baureife eines Grundstücks im Sinne von § 234
lit. a PBG darf verneint werden, wenn eine das Grundstück betreffende
Änderung des regionalen Richtplanes im Gange ist und nicht mit hoher
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass das Bauvorhaben
der künftigen Zonenordnung widerspreche. Die Baubewilligung für eine
Betonzentrale wird zu Recht verweigert, wenn damit gerechnet werden muss,
dass das Baugrundstück einer Wohnzone zugewiesen werden wird.

Sachverhalt

    A.- Die Gesellschafter der BDS Beton AG (in Gründung) erhielten am
31. März 1982 von der Baukommission Männedorf die Bewilligung für die
Erstellung einer Betonaufbereitungsanlage auf dem Grundstück Kat. Nr. 5845
am Gerbeweg im Gebiet "Weieren" in Männedorf. Dieses liegt gemäss dem
Zonenplan zur Bauordnung vom 24. Oktober 1969 in der Industriezone,
welche im Süden durch die Seestrasse und im Norden durch die rechtsufrige
SBB-Linie begrenzt wird. An die gegenüberliegende Seite des Bahnareals
stösst eine Wohnzone ohne Gewerbeerleichterung an.

    Gegen das Bauvorhaben gingen zahlreiche Einsprachen ein, doch wurden
diese auf Rekurs der Einsprecher hin auch von der Baurekurskommission
II am 14. Dezember 1982 abgewiesen. Das Verwaltungsgericht, an
das die unterlegenen Einsprecher den Entscheid der Rekurskommission
weiterzogen, hiess die Beschwerde mit Urteil vom 7. Juni 1983 gut. Es
hob den Entscheid der Baurekurskommission und die Baubewilligung wegen
fehlender planungsrechtlicher Baureife des Grundstücks gestützt auf §§
234 f. des Zürcher Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975
(PBG) auf, da zur Zeit der Baubewilligung der Entwurf zum regionalen
Gesamtplan (Richtplan gemäss § 30 PBG) bereits vorgelegen habe. Dieser
vom Regierungsrat nachträglich am 8. Dezember 1982 genehmigte Plan weise
das Baugrundstück dem Wohngebiet mit Gewerbeerleichterungen zu. Mit der
Möglichkeit der Änderung des Nutzungsplanes habe daher bereits im Zeitpunkt
der Bewilligungserteilung am 31. März 1982 gerechnet werden müssen. Die
Bewilligung der Betonaufbereitungsanlage würde die Planung nachteilig
beeinflussen, da eine solche Anlage, wovon auch die Baurekurskommission
ausgegangen sei, in die Industriezone gehöre.

    Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes haben die Gesellschafter
der Beton AG unter anderem wegen Verletzung von Art. 22ter BV
staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist diese ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

    6.- Fraglich ist daher nur noch, ob die Aufhebung der Baubewilligung
im konkreten Falle gegen die Eigentumsgarantie verstosse oder ob sie
sich auf das Gesetz - hier § 234 PBG - stützen lasse und im öffentlichen
Interesse liege.

    Bei Anrufung der Eigentumsgarantie untersucht das Bundesgericht die
Frage, ob sich im kantonalen Recht eine Grundlage für den umstrittenen
Eingriff finde, grundsätzlich nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür;
frei geprüft wird allerdings, wenn es sich um einen besonders schweren
Eingriff handelt. Ob ein solcher hier vorliege, kann offenbleiben, da
sich die Einwendungen der Beschwerdeführer auch bei freier Prüfung als
unbegründet erweisen.

    a) Die Beschwerdeführer sind der Meinung, das Vorliegen eines
blossen Entwurfes zum regionalen Richtplan reiche nicht aus zur Annahme,
dass die planungsrechtliche Baureife fehle. Dieser Auffassung kann nicht
gefolgt werden. Die regionale Richtplanung ist für die ihr nachgeordnete
kommunale Richt- und Nutzungsplanung verbindlich (§ 16 PBG, Art. 9
RPG). Muss damit gerechnet werden, dass ein Richtplanentwurf zu einer
Änderung der bestehenden Nutzungsordnung führt, so ist die gesetzliche
Voraussetzung der planungsrechtlichen Baureife gemäss § 234 lit. a PBG
nicht erfüllt. Ein solcher Richtplanentwurf stellt eine hinlänglich klar
umrissene Willenserklärung auf Planänderung und nicht bloss eine noch nicht
genügend konkretisierte Planabsicht dar (vgl. nicht publ. Entscheide vom
17. November 1982 i.S. Zollikon E. 4b und vom 5. Oktober 1983 i.S. Zürich
E. 3b). Ob die Planänderung schliesslich verwirklicht werde, steht in
der Entscheidungsfreiheit des zuständigen Organs, auf Gemeindeebene
der Gemeindeversammlung. Im vorliegenden Fall war daher die Meinung des
Gemeinderates, trotz der Richtplananordnung könne und solle im Nutzungsplan
die Industriezone beibehalten werden, nicht ausschlaggebend für die Frage,
ob das Grundstück der Beschwerdeführer planungsrechtlich baureif sei.

    Die Ernsthaftigkeit der in Aussicht genommenen Planänderung ist
übrigens inzwischen bestätigt worden, hat doch der Regierungsrat
am 8. Dezember 1982 den regionalen Gesamtplan genehmigt und die
Gemeindeversammlung am 14. Februar 1983 im kommunalen Richtplan ebenfalls
Wohngebiet mit Gewerbeerleichterung für das fragliche Gebiet angeordnet,
womit eine an sich mögliche "Durchstossung" des regionalen Richtplanes
abgelehnt worden ist.

    b) Das Verwaltungsgericht ist im weiteren zu Recht davon ausgegangen,
die Bewilligung der Betonaufbereitungsanlage könnte die in Änderung
stehende Planung nachteilig beeinflussen. Eine solche ungünstige
Präjudizierung ist nur dann zu verneinen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden kann, dass das umstrittene Projekt mit der
zukünftigen planungsrechtlichen Festlegung in Widerspruch stehe.

    Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, eine
Betonzentrale könne ihrer Natur nach - wie auch die Vorinstanzen erklärt
hätten - nur in einer Industriezone errichtet werden. Die Vorinstanzen
haben indessen die Frage, ob das Bauvorhaben in einer Wohnzone mit
Gewerbeerleichterungen zulässig wäre, überhaupt nicht geprüft, da sie
annahmen, es sei keine Zonenänderung zu erwarten gewesen. Die Einwendung
der Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht hätte die Vereinbarkeit des
Projektes mit einer Wohnzone mit Gewerbeerleichterung näher untersuchen
müssen, ist daher grundsätzlich berechtigt. Das Gericht hätte jedoch
die nachteilige Präjudizierung auch unter diesem Gesichtswinkel bejahen
dürfen. Die Beschwerdeführer übersehen, dass es für diese Frage nicht
allein auf die zu erwartenden Lärmimmissionen ankommt. Selbst wenn sich
der zu erwartende, mit dem Betrieb der Betonzentrale verbundene Lärm
innerhalb der Werte halten sollte, die in einer Wohn- und Gewerbezone
zulässig sind, ist damit noch nicht gesagt, dass das Vorhaben sämtlichen
zukünftigen Bestimmungen über die Wohnzone mit Gewerbeerleichterung, so
jenen über Gebäudehöhe, Geschosszahl, Ausnützungsmass usw., entsprechen
werde. Die Baupläne sehen einen typischen Industriebau mit grossem, fast
vollständig geschlossenem Kubus und einer maximalen Höhe von über 17
m vor. Solche Bauten werden in der Regel in Wohnzonen, auch in solchen
mit Gewerbeerleichterung, nicht zugelassen. Diese Feststellung genügt,
wie dargelegt, um eine Beeinträchtigung der laufenden Planung anzunehmen.
Abschliessend kann die Frage der Vereinbarkeit des Projektes mit der
vorgesehenen Nutzungsordnung erst nach rechtskräftiger Festlegung
beurteilt werden. Sollten die Beschwerdeführer der Meinung sein, diese
erlaube ihnen die Verwirklichung ihres Vorhabens, so steht es ihnen frei -
wie das Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung bemerkt -, ihr Gesuch
zu erneuern.

    c) Schliesslich steht auch fest, dass die zweifellos gewichtigen
privaten Interessen der Beschwerdeführer an der Verwirklichung ihres
Vorhabens jedenfalls zur Zeit gegenüber den öffentlichen Interessen
an der Planänderung zurücktreten müssen. Die Art des Vorhabens
der Beschwerdeführer, seine bauliche Gestaltung sowie die mit dem
Betrieb verbundenen Immissionen könnten sich auf den bestehenden
Dorfcharakter und auf die weitere Entwicklung des Dorfes auswirken
(vgl. Urteil vom 1. Dezember 1982 i.S. Kies AG, mit welchem ein Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen bestätigt wurde, das die
Bewilligung für eine Betonaufbereitungsanlage wegen der Auswirkungen des
Verkehrs auf die angrenzenden Wohnquartiere abgelehnt hat). Der Konflikt
zwischen dem Vertrauen in den Bestand der geltenden Ordnung und einer den
neuen Erkenntnissen entsprechenden Ortsplanung ist in einem Falle, in dem
- wie hier - keineswegs feststeht, ob mit nur geringfügigen Verstössen
gegen die zukünftige planungsrechtliche Festsetzung zu rechnen ist,
zugunsten des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Planänderung
zu entscheiden. Damit ist auch gesagt, dass von einem Verstoss gegen
das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht die Rede sein kann. Einzig die
Zurückstellung des Baugesuches oder dessen Ablehnung zur Zeit vermag die
Planänderung zu sichern.