Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 V 65



109 V 65

14. Urteil vom 30. August 1983 i.S. Schweizerische Ausgleichskasse gegen
Schafroth und Eidgenössische Rekurskommission der AHV-IV für die im
Ausland wohnenden Personen Regeste

    Art. 2 Abs. 4 AHVG, Art. 10 Abs. 1 und 2 VFV. Für Ehefrauen, die
unmittelbar vor der Eheschliessung mit einem nicht freiwillig versicherten
Auslandschweizer freiwillig oder obligatorisch versichert waren und die
nach der Eheschliessung weiterhin ausschliesslich für einen schweizerischen
Arbeitgeber im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. c AHVG tätig sind, beginnt die
einjährige Frist für die Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung
mit dem Wegfall der Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung
und nicht mit dem Zeitpunkt der Eheschliessung zu laufen. In diesem Fall
ist Art. 10 Abs. 1 VFV und nicht Abs. 2 anwendbar.

Sachverhalt

    A.- Elisabeth Schafroth ist seit Oktober 1973 im Ausland niedergelassen
und arbeitete bis zum 30. Juni 1979 als Sekretärin des Eidgenössischen
Departements für Auswärtige Angelegenheiten auf dem Generalkonsulat in
New York. Am 24. September 1976 hatte sie den 1952 geborenen, in Übersee
niedergelassenen und bei der AHV weder obligatorisch noch freiwillig
versicherten Schweizer-Bürger Bernhard Schafroth geheiratet. Sie
erklärte am 21. Mai 1980 den Beitritt zur freiwilligen Versicherung,
welchen die Schweizerische Ausgleichskasse mit Verfügung vom 28. Oktober
1980 ablehnte. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach Art. 2 Abs. 4 AHVG
könnten sich Ehefrauen nicht freiwillig versicherter Auslandschweizer
nur dann freiwillig versichern, wenn der Ehemann nach Gesetz keine
Beitrittsmöglichkeit habe oder gehabt habe; sodann bestimme Art. 10
Abs. 2 VFV, dass im Ausland niedergelassene Schweizer-Bürgerinnen, die
unmittelbar vor der Eheschliessung freiwillig oder obligatorisch versichert
waren, die Versicherung ohne Rücksicht auf ihr Alter freiwillig fortführen
könnten, sofern sie innert Jahresfrist seit ihrer Heirat den Beitritt zur
freiwilligen Versicherung erklären; vorliegend stehe dem Ehemann Bernhard
Schafroth die Möglichkeit des Beitritts zur freiwilligen Versicherung
offen, und ferner sei die Beitrittserklärung der Gesuchstellerin nicht
innert Jahresfrist seit der Heirat erfolgt.

    B.- Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV-IV für die im Ausland
wohnenden Personen hiess eine hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid
vom 4. Februar 1982 gut, hob die angefochtene Kassenverfügung auf und
wies die Akten zum Erlass einer neuen Verfügung an die Schweizerische
Ausgleichskasse zurück. Die Rekurskommission stellte fest, dass die
Beitrittserklärung vom 21. Mai 1980 rechtzeitig erfolgte; es sei im
weiteren Sache der Verwaltung abzuklären, ob die Voraussetzungen für die
Aufnahme in die freiwillige Versicherung in der Zeit vom 1. Juli 1979
bis 31. März 1980 erfüllt gewesen seien.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Schweizerische
Ausgleichskasse Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und
Bestätigung der Kassenverfügung. Elisabeth Schafroth und das
Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 2 Abs. 1 AHVG können im Ausland niedergelassene
Schweizer-Bürger, die nicht obligatorisch versichert sind, sich freiwillig
versichern, sofern sie das 50. Altersjahr noch nicht zurückgelegt
haben. Schweizer-Bürger, die aus der obligatorischen Versicherung
ausscheiden, können die Versicherung nach Abs. 2 ohne Rücksicht auf ihr
Alter freiwillig weiterführen. Sodann bestimmt Art. 1 VFV, dass als im
Ausland niedergelassene Schweizer-Bürger im Sinne von Art. 2 AHVG die
nicht gemäss Art. 1 dieses Gesetzes versicherten Personen gelten, welche
das Schweizerbürgerrecht besitzen, ihren Wohnsitz im Ausland haben und
(laut der bis Ende 1982 geltenden, hier anwendbaren Fassung) in der
Konsularmatrikel der zuständigen schweizerischen Auslandsvertretung
eingetragen sind. Nach diesen Bestimmungen ist eine gleichzeitige
freiwillige und obligatorische Versicherung grundsätzlich ausgeschlossen
(BGE 106 V 69).

    Ehefrauen nicht freiwillig versicherter Auslandschweizer können sich
gemäss Art. 2 Abs. 4 AHVG nur dann freiwillig versichern, wenn der Ehemann
nach diesem Gesetz keine Möglichkeit des Beitritts hat oder gehabt hat
oder wenn sie seit mindestens einem Jahr vom Ehemann getrennt leben;
sie können jedoch in jedem Fall die Versicherung freiwillig fortführen,
wenn sie unmittelbar vor der Eheschliessung freiwillig oder obligatorisch
versichert waren. Daraus folgt, dass sich die Versicherteneigenschaft
eines freiwillig versicherten Auslandschweizers auch auf seine Ehefrau
erstreckt. Denn Art. 2 Abs. 4 AHVG nimmt der Ehefrau grundsätzlich die
Möglichkeit, sich unabhängig vom Ehemann freiwillig zu versichern (BGE
104 V 125).

    Gemäss Art. 10 Abs. 1 VFV können Auslandschweizer ohne Rücksicht
auf ihr Alter innert Jahresfrist seit Wegfall der Voraussetzungen
für die obligatorische Versicherung den Beitritt zur freiwilligen
Versicherung erklären. Ferner können nach Abs. 2 im Ausland niedergelassene
Schweizer-Bürgerinnen, die unmittelbar vor der Eheschliessung freiwillig
oder obligatorisch versichert waren, die Versicherung ohne Rücksicht auf
ihr Alter freiwillig fortführen, sofern sie innert Jahresfrist seit ihrer
Heirat den Beitritt erklären.

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz führt in ihrem Entscheid aus, Elisabeth
Schafroth habe das Arbeitsverhältnis mit dem Eidgenössischen Departement
für Auswärtige Angelegenheiten nach ihrer Heirat am 24. September 1976
nicht beendet, sondern bis Ende Juni 1979 ununterbrochen weitergeführt,
weshalb die Voraussetzungen der obligatorischen Versicherung erst nach
Aufgabe der Stelle beim Generalkonsulat in New York nicht mehr gegeben
waren. Die einjährige Frist zur Beitrittserklärung im Sinne von Art. 10
Abs. 1 VFV habe demnach am 1. Juli 1979 zu laufen begonnen, und die
Beitrittserklärung vom 21. Mai 1980 sei daher entgegen der Auffassung
der Schweizerischen Ausgleichskasse rechtzeitig erfolgt. Das Argument
der Schweizerischen Ausgleichskasse, Elisabeth Schafroth hätte den
Beitritt nach Art. 10 Abs. 2 VFV innerhalb eines Jahres nach der Heirat
(24. September 1976) erklären müssen, widerlegt die Vorinstanz mit der
Feststellung, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar
sei, betreffe sie doch nur jene Auslandschweizerinnen, die mit der
Eheschliessung aus der obligatorischen Versicherung ausscheiden, weil sie
entweder jegliche Berufstätigkeit aufgeben oder aber zu einem ausländischen
Arbeitgeber wechseln. Wenn eine Auslandschweizerin nach der Verehelichung
weiterhin für einen schweizerischen Arbeitgeber arbeite, unterstehe sie
von Gesetzes wegen der obligatorischen AHV-IV und habe keine Beitragslücke
zu befürchten. Ein Interesse, sich unmittelbar nach der Heirat freiwillig
zu versichern, bestehe folglich nicht; ja ein Beitritt zur freiwilligen
Versicherung für Auslandschweizer wäre ihr - solange sie nicht gleichzeitig
für einen ausländischen und schweizerischen Arbeitgeber arbeitet - sogar
verwehrt, weil nach BGE 106 V 69 zur gleichen Zeit eine freiwillige und
obligatorische Versicherung grundsätzlich ausgeschlossen sei.

    b) Die Schweizerische Ausgleichskasse macht in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, die in Art. 2 Abs. 4 Halbsatz 2 AHVG
vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz der "unité de couple" setze voraus,
dass der Beitritt zur freiwilligen Versicherung innert Jahresfrist seit
der Heirat erklärt werde; die Frist laufe mithin nicht ab dem Zeitpunkt, in
welchem die Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung weggefallen
seien. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass
verheiratete Auslandschweizer der Entrichtung von Solidaritätsbeiträgen
aus dem Wege gehen und ihre Ehefrau ungeachtet dessen, wie lange diese
nach der Heirat obligatorisch versichert war, freiwillig versichern lassen
könnten. Der vorinstanzliche Entscheid widerspreche nicht nur dem Wortlaut
des Art. 10 Abs. 2 VFV, sondern er stehe auch im Widerspruch zum Grundsatz
der Einheit des Ehepaares und trage dem Solidaritätsprinzip nicht Rechnung.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdegegnerin war vor der Eheschliessung am 24.
September 1976 und nachher bis Ende Juni 1979 nach Massgabe von Art. 1
Abs. 1 lit. c AHVG obligatorisch versichert. Bis zu diesem Zeitpunkt
konnte sie der freiwilligen Versicherung nicht beitreten, weil sie
ausschliesslich für einen schweizerischen Arbeitgeber im Ausland und
nicht gleichzeitig auch für einen ausländischen Arbeitgeber tätig war
(BGE 106 V 69). Art. 10 Abs. 2 VFV, welcher eine Beitrittserklärung zur
freiwilligen Versicherung innert Jahresfrist seit der Heirat vorschreibt,
ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, zumal gemäss dieser Vorschrift
nach dem Ausscheiden der Beschwerdegegnerin aus der obligatorischen
Versicherung Ende Juni 1979 keine Beitrittsmöglichkeit mehr bestand. Dies
ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 4 AHVG und Art. 10
Abs. 2 VFV, wonach die betreffenden Schweizerinnen die Versicherung
"fortführen" können, was nur bedeuten kann, dass mit der Eheschliessung die
Versicherungsvoraussetzungen weggefallen sein müssen, denn sonst bedürfte
es keiner besonderen Erklärung, um weiterhin versichert zu bleiben. Es
kann sodann nicht der Sinn der gesetzlichen Ordnung sein, der Ehefrau
eines nicht freiwillig versicherten Auslandschweizers - auch wenn dieser
die Möglichkeit zum Beitritt hätte oder gehabt hätte - die Aufnahme in
die freiwillige Versicherung zu versagen, wenn sie die Voraussetzungen des
Art. 2 Abs. 4 Halbsatz 2 AHVG erfüllt. Weil Art. 2 Abs. 4 AHVG vorsieht,
dass die Ehefrau (eines nicht freiwillig versicherten Auslandschweizers),
die unmittelbar vor der Eheschliessung freiwillig oder obligatorisch
versichert war, der freiwilligen Versicherung allein beitreten kann, und
insbesondere bezweckt, die Fortführung der Versicherung auf freiwilliger
Basis "in jedem Fall" zu ermöglichen, darf dieser Beitritt nicht durch
die im vorliegenden Fall sinnwidrige und zu Rechtsungleichheiten führende
Bestimmung des Art. 10 Abs. 2 VFV ausgeschlossen werden. Im übrigen
ist nicht anzunehmen, das Gesetz wolle die Ehefrau unter den gegebenen
Verhältnissen benachteiligen, wenn ihr Ehemann von seinem Beitrittsrecht
keinen Gebrauch macht.

    Demzufolge ist hier, wie die Vorinstanz und das BSV zu Recht ausführen,
Art. 10 Abs. 1 VFV anwendbar, wonach Auslandschweizer den Beitritt zur
freiwilligen Versicherung ohne Rücksicht auf ihr Alter innert Jahresfrist
seit Wegfall der Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung
erklären können. Dadurch ist sichergestellt, dass der Sinn des Art. 2
Abs. 4 AHVG nicht ausgehöhlt wird. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin
vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Inwieweit Art. 10 Abs. 2
VFV nach dem Gesagten neben Abs. 1 noch Bedeutung zukommt, kann nach den
zutreffenden Ausführungen des BSV offenbleiben.

Erwägung 4

    4.- Mit Recht hat daher die Vorinstanz erkannt, dass die
Beitrittserklärung vom 21. Mai 1980 fristgemäss abgegeben worden ist.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.