Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IV 143



109 IV 143

39. Urteil des Kassationshofs vom 21. September 1983 i.S. F. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG. Schwerer Fall.

    12 g Heroin, 18 g Kokain, 4 kg Haschisch oder 200 Trips LSD können
die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen.

Sachverhalt

    A.- Von Anfang Oktober 1982 bis Mitte Dezember 1982 erwarb F.
in Zürich ca. 2,2 bis 2,3 kg Haschisch und 21 g Kokain. Beide Rauschgifte
portionierte er, um sie anschliessend durch Dritte weiterverkaufen zu
lassen. Ausserdem vermittelte er einem anderen Dealer einen Abnehmer
für ca. 500 g Haschisch. Mitte Dezember 1982 beschlossen F. und H. in
Spanien eine grössere Menge Kokain zu kaufen und diese in der Schweiz
abzusetzen. Während H. die Finanzierung des Ankaufs übernahm, organisierte
F. den Transport und den Verkauf von 42 g Kokain.

    B.- Das Kantonsgericht von Graubünden verurteilte F. mit Entscheid
vom 9. Mai 1983 wegen fortgesetzter Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1
und 2 lit. a sowie gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG zu einer Zuchthausstrafe
von 2 1/2 Jahren, abzüglich 113 Tage Untersuchungshaft.

    C.- Mit der gegen dieses Urteil gerichteten eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde beantragt F., der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die von ihm gehandelte
Menge Kokain die Voraussetzungen des schweren Falls im Sinne von Art. 19
Ziff. 2 lit. a BetmG nicht erfülle. Er behauptete insbesondere, dass
im Falle von Kokain eine Vielzahl von Menschen nicht schon bei zwanzig
Personen vorliege. Seine Behauptung begründet er einzig mit dem Hinweis
auf die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung, die von einer Anzahl
von zwanzig bis vierzig Personen ausgegangen sei.

    Das Bundesgericht hat sich in BGE 108 IV 64 ff. eingehend mit der
Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "viele Menschen" befasst
und dabei festgelegt, dass, - unabhängig von der Art des Rauschgiftes -
eine Vielzahl von Menschen im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG bei
einer Anzahl von zwanzig Personen gegeben ist. Die in der Beschwerdeschrift
geäusserte Kritik ist nicht geeignet, eine Änderung dieser Rechtsprechung
herbeizuführen.

    b) F. macht weiter geltend, aus BGE 107 IV 61 ergebe sich, dass
eine Gefährdung vieler Menschen erst bei einer Menge von 5,4 kg Kokain
gegeben sei. Diese Behauptung stützt sich jedoch lediglich auf ein
im genannten Entscheid zitiertes Parteigutachten, dessen Aussage der
Kassationshof nicht übernommen hat. In BGE 108 IV 66/67 wurde festgelegt,
dass im Falle von Kokain - ausgehend von einer Applikationsmenge vom 10
mg und einem regelmässigen Konsum von einem halben Jahr - 1,8 g dieses
Rauschgiftes genügen, um eine Person in ihrer Gesundheit zu schädigen;
demzufolge wurden 50 g Kokain als ausreichend betrachtet, um 27 Personen
psychisch abhängig werden zu lassen. Schon nach dieser Rechtsprechung ist
der Beschwerdeführer bei einer Kokainmenge von ca. 63 g von der Vorinstanz
zu Recht der Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
schuldig gesprochen worden.

    Der Kassationshof führte am 5. Mai 1983 in Basel mit verschiedenen
Experten (Prof. Dr. Kielholz, Basel, Prof. Dr. Ladewig, Basel, Dr. Rümmele,
Basel, Prof. Dr. Burner, Lausanne, Dr. Caponi, Lausanne, Dr. Eichenberger,
Genf, Dr. Harding, Genf, Prof. Dr. Cerletti, Basel, Dr. Hahn, Bern,
T. Kamény, Bern, Prof. Dr. Uchtenhagen, Zürich) ein Hearing durch, an
welchem u.a. auch die Frage des schweren Falles im Sinne von Art. 19
Ziff. 2 lit. a BetmG zur Sprache kam. Nach der übereinstimmenden Ansicht
der am Kolloquium teilnehmenden Experten darf nach dem heutigen Stand
der Wissenschaft unter Beachtung der vom Bundesgericht in konstanter
Rechtsprechung entwickelten Kriterien (drogenunerfahrene Konsumenten,
gefährlichste gebräuchliche Applikationsart) zur Berechnung der das
Risiko einer psychischen Abhängigkeit erzeugenden Betäubungsmittelmenge
von folgenden Werten ausgegangen werden:

    Heroin-Hydrochlorid:

    Tägliche intravenöse Applikation von 10 mg während 60 Tagen.

    Kokain:

    Tägliche intravenöse Applikation von 10 mg während 90 Tagen.

    Cannabis:

    Regelmässiges Rauchen von insgesamt 200 Joints à 0,5-1 g Haschisch.

    LSD:

    Wirkstoffmenge von 10 Trips (1 Trip = 0,05-0,1 mg Wirkstoff).

    Eine Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen (zwanzig Personen;
vgl. lit. 3 a) liegt demnach bei Rauschgiftmengen von 12 g Heroin, 18 g
Kokain, 4 kg Haschisch oder 200 Trips LSD vor.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.