Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IV 121



109 IV 121

33. Urteil des Kassationshofes vom 30. Mai 1983 i.S. I. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 204, 58 Abs. 4 StGB; unzüchtige Veröffentlichung, Ersatzforderung
des Staates.

    1. Eine zurückhaltende Anwendung des Art. 204 Ziff. 1 StGB ist nur für
diejenigen Fälle angezeigt, die nicht unter die eigentliche Pornographie
fallen (E. 1).

    2. Soweit die Einziehung der unzüchtigen Gegenstände nicht mehr möglich
ist, steht dem Staat eine Ersatzforderung in der Höhe des Bruttoertrages
aus dem "Pornohandel" zu (E. 2).

Sachverhalt

    A.- I. betreibt seit Ende Juni 1979 in S. ein und seit Anfang
Oktober 1979 in Z. zwei weitere Geschäfte, in denen er Sexartikel,
insbesondere pornographische Filme, Kassetten, Magazine und Bücher
sowie künstliche Geschlechtsteile und andere Manipulierinstrumente zum
Verkauf anbot. Auch wurden in seinen Ladenlokalen pornographische Filme
vorgeführt. Die Erzeugnisse bezog I. grösstenteils aus dem Ausland und
lagerte sie ausser in den drei Geschäften an seinem Wohnort in A. sowie
vorübergehend in einem Lokal in B. Von Ende Juni 1979 bis Ende Dezember
1980 erzielte I. aus dem von ihm betriebenen Pornohandel einen Bruttoertrag
von Fr. 377'000.-- und einen Nettogewinn von mindestens Fr. 38'400.--.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte I. am 19. November
1982 wegen fortgesetzter unzüchtiger Veröffentlichung im Sinne von
Art. 204 Ziff. 1 StGB zu einer Busse von Fr. 7'000.--. Es verpflichtete
ihn überdies, vom deliktisch erlangten Vermögensvorteil den Betrag
von Fr. 250'393.-- an den Kanton Zürich abzuliefern, und beschloss die
Einziehung der von der Bezirksanwaltschaft am 1. Juli 1980 und 8. Januar
1982 sichergestellten Gegenstände sowie die Verwertung der Projektoren samt
Zubehör und Zuleitung des Erlöses an die Staatskasse bzw. die Vernichtung
des übrigen Materials.

    C.- I. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Urteil und
Beschluss des Obergerichts Zürich seien aufzuheben und es sei die Sache
zu seiner Freisprechung und zur Freigabe der beschlagnahmten Gegenstände
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Was I. auf den Seiten 6 bis 20 seiner Rechtsschrift vorbringt,
ist nichts anderes als die wörtliche Wiedergabe der Ausführungen
seines Verteidigers vor Obergericht. Das auf den Seiten 21 bis 24 als
"persönliche und spontane Äusserungen des Beschwerdeführers zu einzelnen
vorinstanzlichen Argumenten" Vorgetragene erschöpft sich teils in
tatsächlichen Behauptungen oder Bestreitungen (z.B. den Vorsatz), wofür
in der Nichtigkeitsbeschwerde kein Raum ist, teils in der Wiederholung
vom Verteidiger in anderer Form schon im kantonalen Verfahren erhobener
Einwendungen. Soweit sie rechtlicher Natur sind, betreffen sie zur
Hauptsache die Begriffe des Unzüchtigen und des Öffentlichen. Mit allen
diesbezüglichen Vorbringen haben sich jedoch die kantonalen Instanzen
eingehend befasst. Da ihre Erwägungen den von der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung für die Auslegung jener Rechtsbegriffe ausgebildeten
Kriterien folgen (insbes. BGE 100 IV 236, 96 IV 68 E. 2, 89 IV 134 E. 4)
und kein Anlass besteht, von der bisherigen Praxis abzugehen, ist die
Beschwerde insoweit unter Verweisung auf die Gründe der Vorinstanz zu
verwerfen.

    Ergänzend sei lediglich vermerkt, dass der im Gesetz enthaltene Begriff
des Unzüchtigen ein normativer Begriff ist (BGE 103 IV 97 E. 2b, 99 IV
59 E. 1b), der seiner Natur nach wertender Auslegung durch den Richter
bedarf. Indem dieser einen solchen Begriff nach Sinn und Zweck der Norm
auslegt, überschreitet er keineswegs seine Kompetenz und masst sich nicht
widerrechtlich Befugnisse des Gesetzgebers an (s. BGE 98 Ib 481).

    Der Einwand, die Begriffe des Unzüchtigen und des Öffentlichen
befänden sich nicht unter den Legaldefinitionen des Art. 110 StGB, ist
unbehelflich. Es gibt im StGB zahlreiche Begriffe, die in Art. 110 StGB
nicht umschrieben sind, dennoch aber zu ihrer Anwendung der Auslegung
durch den Richter bedürfen. Gegen Art. 1 StGB verstösst der Richter nur,
wenn er in freier Rechtsfindung einen neuen Straftatbestand schafft,
nicht aber, wenn er einen im Strafgesetz enthaltenen Begriff auslegt,
mag es sich dabei auch um extensive Auslegung handeln (BGE 103 IV 129,
95 IV 73).

    Im Rahmen des Art. 204 StGB hat der Kassationshof übrigens nicht
schlechthin eine zurückhaltende Anwendung des Gesetzes nahegelegt, sondern
dies nur für Fälle gefordert, "die nicht unter die eigentliche Pornographie
fallen" (BGE 96 IV 71 oben; s. auch BGE 97 IV 101). Entsprechend ist denn
auch die Toleranzgrenze nur dort etwas weiter zu ziehen, wo es sich um
Grenzfälle handelt (BGE 100 IV 236). Das jedoch trifft hier in keiner
Weise zu. Geht man von den Beschreibungen der beschlagnahmten Bücher,
Schriften, Filme und Gegenstände durch die Polizei aus, so kann nicht der
geringste Zweifel darüber bestehen, dass es sich um Pornographie, ja zum
überwiegenden Teil um harte Pornographie handelt. Der Beschwerdeführer und
seine Gehilfen hatten denn auch beispielsweise vor den Zollbehörden ohne
weiteres anerkannt, dass sie pornographisches Material eingeführt hatten,
und vor erster Instanz hatte sich I. ausdrücklich auf den Standpunkt
gestellt, sogenannte Pornographika entsprächen einem menschlichen
Urbedürfnis, das er mit seinem Handel befriedige (vgl. Urteil des
Kassationshofes vom 16.12.1977 i.S. W. und Kons.).

Erwägung 2

    2.- Bleibt es aber bei der Verurteilung des Beschwerdeführers nach
Art. 204 StGB, dann war auch die Einziehung als notwendige Voraussetzung
der in Art. 204 Ziff. 3 StGB obligatorisch vorgesehenen Vernichtung
der unzüchtigen Gegenstände geboten (BGE 97 IV 100 E. 2a). Soweit aber
diese Einziehung nicht mehr möglich war, weil der Beschwerdeführer die
unzüchtigen Schriften usw. bereits abgesetzt hatte, ist die Vorinstanz
mit Recht gemäss Art. 58 Abs. 4 StGB verfahren; nach dieser Bestimmung
steht nämlich dem Staat gegen denjenigen, der durch die einzuziehenden
Gegenstände oder Vermögenswerte einen unrechtmässigen Vorteil erlangt
hat und bei dem sie einzuziehen gewesen wären, eine Ersatzforderung in
der Höhe des unrechtmässigen Vorteils zu. In Übereinstimmung mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat das Obergericht diesen Vorteil in
casu im Bruttoertrag aus dem von I. in der fraglichen Zeit betriebenen
"Pornohandel" gesehen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde mit dem
Einwand, Vorteil könne nur sein, was aus Geschäften netto hervorgehe, und
eine extensive Auslegung gegen den üblichen Sprachgebrauch sei unzulässig.

    a) Der Gesetzestext ist wohl Ausgangspunkt der
Gesetzesanwendung. Selbst der klare Wortlaut bedarf aber der Auslegung,
wenn er vernünftigerweise nicht den wirklichen Sinn des Gesetzes
wiedergibt. Massgeblich ist nicht der Buchstabe, sondern der Sinn der Norm,
wie er sich aus den ihr zugrundeliegenden Zwecken und Wertungen ergibt
(BGE 95 IV 73 E. 3a).

    b) Wie der Kassationshof in BGE 103 IV 143 grundsätzlich entschieden
hat, erlaubt nichts die Annahme, es könnten von den nach Art. 58 Abs. 1
StGB einzuziehenden Vermögenswerten die Gewinnungskosten abgezogen
werden. Da aber der Gesetzgeber mit dem Erlass von Absatz 4 der genannten
Bestimmung denjenigen, der die an sich einzuziehenden Gegenstände nicht
mehr besitzt, demjenigen gleichstellen wollte, der sie noch hat (BGE 106
IV 337 E. 3b, 104 IV 5 E. 2), widerspräche es der ratio legis, dem ersteren
bei Bemessung des an den Staat zu leistenden Ersatzes die Gewinnungskosten
in Abzug zu bringen, dem letzteren aber den vollen Vermögenswert zu
konfiszieren. So entscheiden hiesse den bevorzugen, welcher, schlau die
Rechtslage ausnützend, den erlangten Vermögensvorteil möglichst schnell
verbraucht, um dem Zugriff des Staates zuvorzukommen. Diese Folge kann
nur vermieden werden, wenn die Einziehung unabhängig davon ausgesprochen
wird, ob der Täter zur Zeit des Urteils noch bereichert ist oder nicht
(SCHULTZ, ZBJV 112/1976 S. 441). Diese Lösung erscheint jedenfalls immer
dann als unbedenklich, wenn der vom Täter erlangte Vorteil die Frucht einer
unrechtmässigen Handlungsweise ist. Das aber war hier der Fall. I. hatte
zugestandenermassen die pornographischen Schriften und Gegenstände gekauft,
um sie entgegen dem Verbot des Art. 204 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in Verkehr
zu bringen. Indem er mit deren Verkauf seine Auslagen wieder einbrachte,
verschaffte er sich Deckung für einen Betrag, welchen er in Durchführung
eines sittenwidrigen Geschäfts ausgegeben hatte. Art. 58 StGB verbaut
ihm den Weg dazu, diesen Betrag erlaubterweise wieder zu erhalten (s.
auch SCHULTZ, aaO S. 440 unten). In der dennoch erlangten Deckung liegt
der unrechtmässige Vorteil.

    c) Dass die auf Fr. 250'393.-- bemessene Ersatzforderung des Staates
(das Obergericht hatte diese aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht
auf den erst in seiner Instanz ermittelten höheren Bruttoertrag von
Fr. 337'000.-- festlegen können) seine Wiedereingliederung erheblich
erschweren würde, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Es stellt
sich deshalb die Frage nicht, ob allfällige Zahlungserleichterungen zu
gewähren seien (BGE 105 IV 22 E. 1a) oder die Ersatzforderung ermässigt
werden müsse (BGE 106 IV 10). Schliesslich ist die Massnahme auch sonst
nicht unverhältnismässig; denn abgesehen davon, dass Art. 58 Ziff. 4
StGB die Abschöpfung obligatorisch vorsieht und damit dem Ermessen des
Richters ausser in den vorgenannten Fällen keinen Raum gibt, wurde die
Ersatzforderung in casu aufgrund einer Buchexpertise bemessen, die einen
Bruttoertrag von Fr. 337'000.-- ergab.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.