Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IV 117



109 IV 117

32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1983 i.S. B.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 198/199 StGB; Gewinnsucht.

    Der Tatbestand der Kuppelei ist erfüllt, sobald der Täter der
Unzucht Vorschub leistet, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen;
ein besonders intensives Gewinnstreben ist nicht erforderlich (Präzisierung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- a) Die II. Kammer des Obergerichtes des Kantons Luzern sprach
B. am 18. Mai 1983 im Appellationsverfahren der gewerbsmässigen Kuppelei
(Art. 199 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu acht Monaten
Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug (Probezeit zwei Jahre) und zu einer
Busse von Fr. 5'000.--. Von einer Massnahme nach Art. 58 bzw. 59 StGB
wurde abgesehen.

    b) Dieser Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
B. vermietete in Luzern sechs Appartements an Dirnen. Die Liegenschaft
gehörte zuerst B. persönlich und wurde am 1. Juli 1981 auf die B. AG
übertragen. Gegenstand des Strafverfahrens bildete der Zeitraum bis
zur Strafverfügung des Amtsstatthalters vom 7. Juli 1981. Nach den
Feststellungen der Vorinstanz wurden in diesem Zeitraum von B. pro
Appartement Mietzinse (inkl. Fr. 285.-- bzw. 295.-- Nebenkosten) von
Fr. 800.-- bis Fr. 1'050.-- verlangt. Diese Ansätze überstiegen gemäss
der vom Obergericht als schlüssig beurteilten Expertise des Sekretärs
der Mietschlichtungsstelle die quartierüblichen Mietzinse um Fr. 15.--
bis Fr. 155.-- pro Appartement und gesamthaft um Fr. 570.-- pro Monat
für die sechs Appartements.

    B.- Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird beantragt, das Urteil des
Obergerichtes II des Kantons Luzern vom 18. Mai 1983 sei aufzuheben und
der Beschwerdeführer sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Auszugehen ist von den tatsächlichen Feststellungen, dass
der Beschwerdeführer eine Liegenschaft in Luzern, die in entsprechend
eingerichtete Appartements aufgeteilt ist, an Dirnen vermietet hat und dass
er auf diesem Wege Mietzinse erzielte, die (nach seinen eigenen Angaben)
von andern Mietern in diesem Gebiet nicht bezahlt würden.

    Durch die Vermietung von Räumen, in denen die gewerbsmässige
Unzucht ausgeübt werden kann und darf, leistete der Beschwerdeführer
unbestrittenermassen der Unzucht Vorschub im Sinne von Art. 198 StGB. Da
er im Rahmen seiner faktischen Möglichkeiten bereit war, immer wieder an
Dirnen zu vermieten, um auf diesem Wege ein Erwerbseinkommen zu erzielen,
handelte er überdies gewerbsmässig (vgl. BGE 99 IV 88, 94 IV 21, 76 IV
239 E. 4).

Erwägung 3

    3.- Das einzige Tatbestandsmerkmal des Art. 199 StGB, das mit der
Nichtigkeitsbeschwerde in substantiierter Form bestritten wird, ist
die Gewinnsucht. Kuppelei setzt voraus, dass die Förderung der Unzucht
("Vorschub leisten") aus Gewinnsucht erfolgt.

    a) In BGE 107 IV 119 hat der Kassationshof mit einlässlicher Begründung
dargelegt, dass den Begriffen "Gewinnsucht", "gewinnsüchtige Absicht" in
den Tatbestandsumschreibungen des besondern Teils des Strafgesetzbuches,
wo im französischen Text der Ausdruck "dessein de lucre" verwendet wird,
nicht die gleiche Bedeutung zukommt, wie dem im französischen Wortlaut
als "cupidité" bezeichneten Strafzumessungsgrund in den Art. 48 Ziff. 1
Abs. 2, 50 Abs. 1 und 106 Abs. 2 StGB. Während im allgemeinen Teil mit
Gewinnsucht ("cupidité") ein hemmungsloses oder besonders ausgeprägtes,
zur Sucht gewordenes Streben nach geldwerten Vorteilen erfasst werden
soll (vgl. BGE 94 IV 100, 96 IV 181, 100 IV 264), ist mit "dessein
de lucre" nicht eine in quantitativer Hinsicht aussergewöhnliche
Gier nach finanziellen Vorteilen gemeint, sondern ein moralisch
verwerfliches Bereicherungsstreben, das nicht durch ungewöhnliches Ausmass
charakterisiert ist. Ob letztlich zwischen dem so verstandenen "dessein de
lucre" und der blossen Bereicherungsabsicht ("dessein d'enrichissement")
zu unterscheiden sei oder ob es sich dabei praktisch um synonyme Begriffe
handle (vgl. SCHULTZ, ZBJV 118/1982 S. 552 f., STRATENWERTH, Besonderer
Teil I, 3. Aufl. S. 285), kann hier offen bleiben. Wesentlich ist bei der
in BGE 107 IV 119 begründeten Rechtsprechung nicht die theoretische Frage
einer allfälligen subtilen Abgrenzung zur blossen Bereicherungsabsicht,
sondern entscheidend ist, dass - trotz der Verwendung des gleichen
Wortes im deutschen und im italienischen Text - zwischen dem, was in den
erwähnten Bestimmungen des allgemeinen Teils als Gewinnsucht/"cupidité"
umschrieben wird, und dem, was im besonderen Teil des StGB mit dem
Tatbestandsmerkmal "dessein de lucre"/Gewinnsucht gemeint ist, ein
grundsätzlicher Unterschied besteht. Während in den Bestimmungen des
allgemeinen Teils eine als eigentliche Sucht erscheinende Grundhaltung als
zusätzlicher Strafzumessungsgrund erfasst wird, geht es in den Art. 129
Abs. 2, 159 Abs. 2, 198/199 (200), 219 Abs. 2 und 313 StGB darum,
entweder die Strafbarkeit überhaupt davon abhängig zu machen, dass das
umschriebene, an sich unmoralische Verhalten zur Erlangung materieller
Vorteile (Bereicherung) erfolgte (Art. 198/199, 313 StGB), oder eine
ohnehin strafbare Handlung einer besondern Strafdrohung zu unterwerfen,
wenn die Bereicherung des Täters das Motiv gebildet hat (Art. 129 Abs. 2,
159 Abs. 2, 219 Abs. 2 StGB).

    Aus der in BGE 107 IV 119 einlässlich begründeten, auch vom
Beschwerdeführer nicht grundsätzlich in Frage gestellten Interpretation,
an welcher festzuhalten ist, ergibt sich, dass der Tatbestand der
Kuppelei erfüllt ist, sobald der Täter der Unzucht Vorschub leistet, um
sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Der Nachweis eines besonders
intensiven, leidenschaftlichen, süchtigen Gewinnstrebens (im Sinne der
Praxis zum Begriff Gewinnsucht/"cupidité") ist nicht erforderlich. Es
gibt nicht ein zwar aus materiellen Gründen (in Bereicherungsabsicht)
erfolgendes, aber die Schwelle der Intensität des Gewinnstrebens nicht
erreichendes und daher nicht strafbares Vorschubleisten im Sinne der
Art. 198/199 StGB.

    b) Nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer
dadurch, dass er planmässig die aus der Vermietung an Prostituierte
sich ergebende bessere Rendite seiner Liegenschaft anstrebte, das
Tatbestandselement der Gewinnsucht erfüllt. Ob die Differenz zwischen
den erzielten Mieten und dem ortsüblichen Zins bei "normaler" Vermietung
die für den Tatbestand des Wuchers massgebenden Grenzwerte überschreitet,
ist bei dieser Betrachtungsweise nicht von Belang (vgl. BGE 89 IV 19). Der
Beschwerdeführer hat durch die Ausstattung und Vermietung seines Hauses
der Unzucht Vorschub geleistet (BGE 98 IV 257 E. 2), und zwar - wie sich
aus seinen eigenen Aussagen ergibt -, um auf diesem Wege höhere Mieten zu
erzielen. Es wird ihm nicht vorgeworfen, er habe dabei seine Mieterinnen
unter Berücksichtigung ihres speziellen Gewerbes masslos überfordert. Dies
ist auch nicht Voraussetzung für die Bestrafung wegen Kuppelei. Es genügt,
wenn der Täter der Unzucht Vorschub leistet, um dadurch Gewinn zu erzielen.

    Die angefochtene Verurteilung verletzt daher Bundesrecht nicht. Dass
offenbar gegenüber der Förderung der Unzucht durch Vermietung geeigneter
Räume zum Teil von den Strafverfolgungsbehörden grosse Toleranz geübt
und nichts unternommen wird, ändert die Rechtslage nicht.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.