Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IV 113



109 IV 113

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Juli
1983 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 165 Ziff. 1, 170 StGB; Fortsetzungszusammenhang, Verjährung.

    1. Fortsetzungszusammenhang zwischen der Erschleichung eines
Nachlassvertrages und dem leichtsinnigen Konkurs verneint (E. 1a).

    2. Wenn mehrere Bankrotthandlungen zum leichtsinnigen Konkurs führen,
macht sich der Täter nur der einfachen Tatbegehung schuldig. Die Verjährung
beginnt mit der letzten Einzelhandlung zu laufen (E. 1c).

Sachverhalt

    A.- Die Kollektivgesellschaft E. K. in O. wurde im Jahre 1964 in eine
Kommanditgesellschaft umgewandelt, wobei Dr. K. als alleiniger Komplementär
unbeschränkt haftete und seine damalige Gattin sowie seine Tante als
Kommanditärinnen mit Fr. 10'000.-- bzw. Fr. 40'000.-- beteiligt waren.

    Im Jahre 1970 geriet die von Dr. K. geleitete Firma zufolge
betrieblicher und ausserbetrieblicher Umstände in die Verlustzahlen. Gemäss
Abschlussbericht für das Jahr 1973 befand sie sich in einer bedenklichen
finanziellen Situation. Nebst erheblichen Verlusten war eine gefährliche
Liquiditätsklemme ausgewiesen. Um den Finanzengpass zu beheben und
die existenznotwendigen Rationalisierungsmassnahmen durchzuführen,
wurden Betriebsmittel in der Höhe von ca. 15 Mio. Franken benötigt. Zu
diesem Zweck wandte sich K. an zweifelhafte Geschäftsleute und tätigte
mit ihnen risiko- und verlustreiche Finanzgeschäfte. Als Folge seines
ruinösen Geschäftsgebarens erhöhten sich die Passiven der Firma um
ca. Fr. 900'000.-- und verringerten sich überdies die Aktiven um ungefähr
denselben Betrag. Der dringend benötigte Kredit blieb indessen aus.

    Am 16. Januar 1975 gewährte das Obergericht des Kantons Aargau
eine Nachlassstundung, und am 16. Juli 1975 wurde ein Nachlassvertrag
mit Stundungsvergleich gerichtlich bestätigt. Da dieser auf unredliche
Weise zustandegekommen war, wurde er am 1. Dezember 1975 gestützt auf
Art. 316 SchKG widerrufen. In der Folge konnte der Firmenkonkurs mit
Wirkung auf den 27. Februar 1976 nicht vermieden werden. Diesem folgte am
29. Juni 1977 die Eröffnung des Konkurses über den unbeschränkt haftenden
Komplementär Dr. K.

    B.- Mit Entscheid des Bezirksgerichtes Aarau vom 24. Februar 1982
wurde K. des leichtsinnigen Konkurses nach Art. 165 Ziff. 1 StGB und
der Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages nach Art. 170
StGB schuldig befunden und mit 4 Monaten Gefängnis unter Gewährung des
bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren bestraft. Die
1. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Aargau bestätigte am
20. Januar 1983 das angefochtene Urteil vollumfänglich.

    C.- K. führt gegen das obergerichtliche Urteil eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung des Angeschuldigten,
eventuell zur Einstellung des Verfahrens wegen eingetretener Verjährung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer rügt, die ihm zur Last gelegten Delikte
seien verjährt, weshalb er freizusprechen bzw. das gegen ihn geführte
Verfahren einzustellen sei.

    a) Zunächst ist zu prüfen, ob ein Fortsetzungszusammenhang zwischen
der Erschleichung des Nachlassvertrages und dem leichtsinnigen Konkurs
besteht, da sich danach der Zeitpunkt der letzten für die Verjährung
massgebenden Tathandlung bestimmt.

    Ein fortgesetztes Delikt liegt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes dann vor, wenn gleichartige oder ähnliche Handlungen,
die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, auf ein und denselben
Willensentschluss zurückgehen (BGE 102 IV 77 E. 2a).

    Im vorliegenden Fall ist einerseits die Identität des geschützten
Rechtsgutes nicht gegeben. Die Erschleichung eines Nachlassvertrages stellt
primär ein Delikt gegen die Rechtspflege dar (ordnungsgemässe Durchführung
des Nachlassvertragsverfahrens), und es richtet sich nur mittelbar gegen
die Gläubigerinteressen (BGE 84 IV 161), während die Konkursdelikte in
erster Linie die Ansprüche der Gläubiger beeinträchtigen (BGE 74 IV 37).

    Andererseits ist auch die Voraussetzung der ähnlichen oder
gleichartigen Handlungen nicht erfüllt. Dem Beschwerdeführer wird
leichtsinniger Konkurs vorgeworfen, weil er zum einen allzu riskante
bzw. unverhältnismässige Sanierungsmöglichkeiten verfolgte (Ausstellung
von Wechseln, Vorausleistungen und Kartonlieferungen an zweifelhafte
Geschäftsleute, Vollmacht an B., Beizug teurer Rationalisierungsexperten)
und zum anderen betriebsfremde und aufwendige Investitionen tätigte
(Zeitungsprojekt). Mithin gereichen ihm hinsichtlich dieses Deliktes seine
ruinösen Geschäftspraktiken zum Vorwurf. Dagegen hat er den Nachlassvertrag
erschlichen, indem er Gläubigerversammlung und Gericht im Glauben liess,
termingerecht und bedingungslos über einen grösseren Kredit zu verfügen
und die diesbezüglich unwahren Angaben des B. nicht richtigstellte. Diese
Sachverhalte können nach natürlicher Betrachtungsweise nicht als ähnlich
oder gar gleichartig angesehen werden, selbst wenn der Beschwerdeführer
damit denselben Zweck verfolgte, nämlich den drohenden Konkurs abzuwenden.

    Aus diesen Gründen ist ein Fortsetzungszusammenhang zwischen den
beiden Delikten nicht gegeben.

    b) Hinsichtlich des Tatbestandes der Erschleichung eines gerichtlichen
Nachlassvertrages begann die Verjährungsfrist gemäss Art. 71 Abs. 4
StGB mit jenem Tag zu laufen, an welchem das irreführende Verhalten des
Beschwerdeführers aufhörte. Die massgebende Gläubigerversammlung fand
am 30. Juni 1975 statt, und der vom Beschwerdeführer vorgeschlagene
Nachlassvertrag mit Stundungsvergleich wurde am 16. Juli 1975
gerichtlich bestätigt. Da die ordentliche Verjährungsfrist von
5 Jahren durch Untersuchungshandlungen unterbrochen wurde und die
absolute Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren am 16. Juli 1975 zu laufen
begann, ist die Verjährung am 17. Januar 1983 eingetreten (BGE 97 IV
238), also vor der am 20. Januar 1983 erfolgten Beurteilung durch die
Vorinstanz. Somit wurde der Beschwerdeführer zu Unrecht der Erschleichung
eines gerichtlichen Nachlassvertrages schuldig befunden. Er ist von dieser
Anklage freizusprechen; evtl. hat gemäss kantonalem Prozessrecht die
Einstellung des Verfahrens bezüglich dieses Tatbestandes zu erfolgen. Dies
wird im Straf- und allenfalls nach kantonalem Recht im Kostenpunkt zu
berücksichtigen sein.

    c) Was die Verjährung des Konkursdeliktes betrifft, schliesst
nach Ansicht des Beschwerdeführers der Umstand, dass die einzelnen ihm
vorgeworfenen Handlungen nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig begangen
wurden, begrifflich die Annahme eines fortgesetzten Deliktes aus, welche
Begehungsform die Vorinstanzen dem Schuldspruch nach Art. 165 Ziff. 1
StGB zugrunde legten (zum Begriff des fortgesetzten Deliktes: BGE 107 IV
83 E. 3b; 107 Ib 75 E. 3a; 102 IV 77 E. 2a; 91 IV 66 E. 1a).

    Die Formulierung des Tatbestandes von Art. 165 Ziff. 1 StGB geht
nicht von der üblichen Unterscheidung der Schuldformen von Vorsatz
und Fahrlässigkeit aus, sondern umschreibt das vorwerfbare Verhalten im
Gesetzestext selbst durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie arger Leichtsinn,
grobe Nachlässigkeit, gewagte Spekulationen, etc., womit eine einheitliche
Grundhaltung zum Ausdruck kommt, von welcher das Tun oder Unterlassen des
Täters getragen ist. Verursacht oder verschlimmert der Täter seine Lage
durch mehrere vom Gesetzgeber gekennzeichnete Tätigkeiten, so ist dieses
ganze Verhalten als eine Einheit aufzufassen (THORMANN/VON OVERBECK,
BT N 7 zu Art. 165). Ein mehrerer leichtsinniger Bankrotthandlungen
schuldiger Täter ist daher nur wegen einfachen leichtsinnigen Konkurses
gemäss Art. 165 Ziff. 1 StGB zu bestrafen. Die Einzelhandlungen sind
von der einheitlichen Grundhaltung (Leichtsinn) getragen, auf den
gleichen Erfolg (Gefährdung der Gläubigerrechte) gerichtet und durch
dieselbe Strafbarkeitsbedingung (Konkurseröffnung) zu einer Einheit
zusammengefasst (SCHWANDER, SJK Nr. 1129, S. 4/5, SJK Nr. 1128, S. 12,
GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, S. 298). In diesem Sinne
ist die Zusammenfassung mehrerer zum leichtsinnigen Konkurs führender
Handlungen zu einem fortgesetzten Delikt unnötig, weil sie schon im
gesetzlichen Tatbestand enthalten ist. Indem die Vorinstanz diesen
Ausdruck untechnisch verwendet hat, brachte sie lediglich zum Ausdruck,
dass der Beschwerdeführer das Delikt durch eine Mehrheit von Einzelakten
verwirklicht hat.

    Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz beging der
Beschwerdeführer die einzelnen Tathandlungen seit 1970 (Zeitungsprojekt)
mindestens bis zum 10. September 1975 (Kartonlieferung nach Belgien),
eventuell bis zur Konkurseröffnung am 27. Februar 1976. Am Tag der letzten
Handlung begann die Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren zu laufen. Diese
war folglich (von welchem der beiden Daten man auch ausgehen will) am Tag
der Ausfällung des obergerichtlichen Urteils noch nicht abgelaufen. Die
Vorinstanz hat daher zu Recht die vom Beschwerdeführer behauptete
Verjährung des leichtsinnigen Konkurses verneint.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil
der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. Januar
1983 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen
an die Vorinstanz zurückgewiesen.