Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 76



109 II 76

19. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Januar 1983 i.S.
Kollektivgesellschaft Zengaffinen gegen Munizipalgemeinde Blatten
(Berufung) Regeste

    Art. 46 OG; Zulässigkeit der Berufung in Zivilrechtsstreitigkeiten.

    Wasserläufe stehen im Kanton Wallis unter Vorbehalt des Nachweises
von Privateigentum im öffentlichen Eigentum (Art. 664 ZGB); Anstände aus
Kiesausbeutungskonzessionen sind daher keine Zivilrechtsstreitigkeiten
gemäss Art. 46 OG (E. 3). Daran ändert nichts, dass die Konzession
durch Vertrag erteilt wurde (E. 2) und dass im kantonalen Verfahren ein
Zivilgericht entschieden hat (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit "Konzessionsvertrag" vom 7. Oktober 1969 erteilte die
Munizipalgemeinde Blatten (Kanton Wallis) den Gebrüdern Max und Jakob
Zengaffinen das alleinige Recht, im Gebiet "Kühmattgand" das Flussbett
der Lonza auszubeuten und das gewonnene Material zu verarbeiten.

    In den folgenden Jahren räumte die Gemeinde weiteren Bewerbern
Ausbeutungsrechte ein. Die Gebrüder Zengaffinen erblickten darin eine
Verletzung ihres Konzessionsvertrages. Am 8. März 1976 beschwerten sie
sich beim Staatsrat des Kantons Wallis mit dem Rechtsbegehren, es sei
festzustellen, dass ihr Kiesausbeutungsrecht das gesamte Gemeindegebiet
umfasse; sie verlangten ferner, dass anderweitige Ausbeutungen zu
untersagen seien und die Gemeinde ihnen den Schaden zu ersetzen habe. Der
Staatsrat fand am 5. Mai 1976, dass die Streitigkeit in die Zuständigkeit
der Zivilgerichte falle, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.

    B.- Die Gebrüder Zengaffinen, die sich zu einer Kollektivgesellschaft
zusammengeschlossen hatten, klagten daraufhin mit analogen Rechtsbegehren
beim Zivilrichter. Vor dem Kantonsgericht Wallis beschränkten sie ihre
Begehren auf eine Schadenersatzforderung von Fr. 201'843.80 nebst Zins.

    Mit Urteil vom 1./9. Juni 1982 anerkannte das Kantonsgericht
seine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem vertraglichen Teil
der Konzession. Es wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, das
Ausbeutungsrecht der Klägerin schliesse Bewilligungen an Dritte nicht aus.

    C.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der
sie an ihrem Schadenersatzbegehren festhält.

    Die Gemeinde Blatten beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Berufung an das Bundesgericht setzt eine
Zivilrechtsstreitigkeit voraus (Art. 46 OG). Die Parteien nehmen mit dem
Kantonsgericht an, diese Voraussetzung sei gegeben. Die Frage ist von
Amtes wegen zu prüfen.

Erwägung 2

    2.- Das angefochtene Urteil geht unter Hinweis auf die Rechtsprechung
(BGE 95 I 250, 65 I 313 E. 2, 57 I 334 f.) zutreffend davon aus, die
Konzession sei ein einseitiger staatlicher Hoheitsakt, dessen Inhalt
Konzedent und Konzessionär unter Vorbehalt zwingenden öffentlichen Rechts
frei vereinbaren könnten; damit werde die Konzession einem vertraglich
begründeten Rechtsverhältnis vergleichbar. Mit dem Hinweis auf das
vertragliche Element der Konzession sind jedoch, wie die vom Kantonsgericht
zitierten Entscheidungen zeigen, die öffentlichrechtlichen Verträge gemeint
(vgl. dazu allgemein GRISEL, Droit administratif suisse, S. 219 ff.; BGE
96 I 288, 93 I 509). Das Kantonsgericht wendet denn auch in der Folge zu
Recht Grundsätze zur Auslegung verwaltungsrechtlicher Verträge an.

    Das Kantonsgericht beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, dass
für den vertraglichen Teil einer Konzession die Zivilgerichte zuständig
seien, auf IMBODEN/RHINOW (Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Nr. 47).

    Diese Autoren behandeln unter der zitierten Nummer indes
"privatrechtliche Verträge"; die Konzessionen besprechen sie
dagegen im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Verträge, über die im
Streitfall die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben (Nr. 46 B IV und
VIII). Unerheblich ist sodann, dass es den Gemeinden des Kantons Wallis
freisteht, den Perimeter der Konzession festzusetzen; diese Freiheit
bestätigt nur das ihnen als Konzessionsbehörden zustehende pflichtgemässe
Ermessen, den Vertragsinhalt zu bestimmen (BGE 65 I 313). Ihr Ermessen
war hier zudem dadurch beschränkt, dass der Kanton nach Darstellung der
Beklagten eine Konzession in dem von der Klägerin behaupteten Ausmass
gar nicht genehmigt hätte.

Erwägung 3

    3.- Das Kantonsgericht prüft sodann die Frage, ob der
Konzessionsvertrag rechtsgültig zustande gekommen sei. Es stellt gestützt
auf Art. 3 des Gesetzes vom 17. Januar 1933 betreffend das Eigentum an
öffentlichen und herrenlosen Gütern fest, dass die Beklagte Eigentümerin
des Bachbetts der Lonza ist und dass sie gemäss Art. 10 des Gesetzes vom
6. Juli 1932 über die Wasserläufe auch die Bewilligung zur Materialentnahme
aus dem Bachbett erteilt. Dabei sind von der Gemeinde die Weisungen des
kantonalen Baudepartements zu beachten, das den vorliegenden Vertrag
am 9. November 1971 genehmigt hat. Dagegen ist die Genehmigung des
Staatsrats, der eine solche ebenfalls für erforderlich hält, nicht
eingeholt worden. Nach dem angefochtenen Urteil wäre eine Zustimmung des
Staatsrats Gültigkeitserfordernis, soweit die Gemeinde den Vertrag als
Vollzugsorgan der kantonalen Verwaltung geschlossen, anders dagegen,
wenn sie als autonomer Herrschaftsverband gehandelt hat. Ob das eine
oder andere hier zutrifft, lässt das Kantonsgericht offen, weil nach
den anwendbaren zivilrechtlichen Grundsätzen der freiwilligen Erfüllung
eines ungültigen Vertrages durch den Schuldner, der den Formmangel
kennt, entscheidende Bedeutung zukomme. Die Auffassung der Vorinstanz,
das Fehlen der staatsrätlichen Genehmigung sei unerheblich, ist gewagt
(vgl. IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 46 B VI), braucht aber nicht geprüft zu
werden, zumal die Beklagte den Konzessionsvertrag im entscheidenden
streitigen Punkt gerade nicht erfüllt hat, was das Kantonsgericht
übersieht. Dagegen macht die Argumentation der Vorinstanz deutlich, dass
die Beklagte entweder als Vollzugsorgan der kantonalen Verwaltung oder
als autonomer Herrschaftsverband gehandelt hat, das eine wie das andere
gehört zum öffentlichrechtlichen Bereich.

    Nichts anderes ergibt sich nach dem Gegenstand des Vertrages, der für
die Zuordnung zum privaten oder öffentlichen Recht entscheidend ist (BGE
101 II 368 E. 2a; MEIER-HAYOZ, 3. Aufl. N. 99 und 221/222 zu Art. 664
ZGB). Der Vertrag bezieht sich auf ein Bachbett, das unter der Hoheit
des Kantons Wallis steht, vermutungsweise also kein Privateigentum
zulässt, weshalb seine Ausbeutung vom kantonalen öffentlichen Recht
beherrscht ist (Art. 664 ZGB; LIVER, in Schweizerisches Privatrecht V/1,
S. 127; MEIER-HAYOZ, N. 2/3 zu Art. 664 ZGB). Mit der Feststellung des
Kantonsgerichts, das streitige Bachgebiet sei Eigentum der Beklagten,
ist öffentliches Eigentum gemeint ("domaine public"); das erhellt aus
der von ihm zitierten Bestimmung (zum Vorzug der französischen Fassung:
VON WERRA, in ZBl 81/1980, S. 2; ebenso MEIER-HAYOZ, N. 58 zu Art. 664
ZGB; anders BGE 81 II 271 E. 3, aufgrund einer verbindlichen Feststellung
des Kantonsgerichts). Es kann daher offen bleiben, wie es sich verhielte,
wenn nach kantonalem Recht Privateigentum der Beklagten gegeben wäre (zur
Zulässigkeit: BGE 97 II 29 E. b und 378 E. d; vgl. auch MEIER-HAYOZ, N. 50
und 82 zu Art. 664 ZGB), zumal damit die Berufung an das Bundesgericht
nicht ohne weiteres eröffnet würde (BGE 89 II 294 E. 2).

    Dem entspricht, dass die Beklagte das Kiesausbeutungsrecht in
Form einer Konzession gewährt hat, wie sie das öffentliche Recht für
Sondernutzungen an öffentlichem Eigentum vorsieht (BGE 75 I 14 E. 4;
LIVER, aaO, S. 131 f.; MEIER-HAYOZ, N. 23 und 189 ff. zu Art. 664 ZGB;
IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 119 B II). Der streitige Vertrag enthält nichts,
was die Beklagte nicht einseitig durch Verwaltungsverfügung hätte bestimmen
können. Dass sie statt dieses Vorgehens, das ebenfalls Annahme seitens der
Klägerin vorausgesetzt hätte, die Vertragsform wählte, ändert am Wesen
der Sache nichts. Wie der Vertrag als solcher untersteht daher auch der
Rechtsstreit über seine Auslegung ausschliesslich öffentlichem Recht.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin wollte den Streit vorerst auf dem Verwaltungsweg
austragen. Sie wandte sich an den Staatsrat des Kantons Wallis, der
in seinem Entscheid vom 5. Mai 1976 davon ausging, die Beklagte habe
der Kollektivgesellschaft "eine Konzession für den aussergewöhnlichen
Alleingebrauch eines öffentlichen Eigentums" erteilt. Für die Frage, ob der
Rechtsstreit in seine Zuständigkeit oder in jene der Zivilgerichte falle,
könne jedoch nicht allein die Natur des umstrittenen Rechts massgebend
sein. Vielmehr seien für gewisse öffentlichrechtliche Streitigkeiten,
besonders vermögensrechtliche Ansprüche, die Zivilgerichte zuständig; das
gehe darauf zurück, dass es früher keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben
und das Verwaltungsverfahren dem Bürger nur einen beschränkten Rechtsschutz
gewährt habe (VON WERRA, Handkommentar zum Walliser Verwaltungsverfahren,
S. 25 Ziff. 12).

    Diese historische Betrachtungsweise dürfte hinfällig geworden sein,
nachdem der Kanton Wallis auf den 2. Januar 1978 ein Verwaltungsgericht
eingesetzt hat. Sie stimmt aber im Prinzip überein mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den gemäss Art. 42 OG gegen Kantone
gerichteten Zivilklagen, für die das Bundesgericht als einzige Instanz
zuständig ist (vgl. BGE 92 II 212 E. 1, 80 I 244 E. 3). Keine Bedeutung
kommt ihr hingegen für die Berufung gegen kantonale Urteile nach Art. 43
ff. OG zu (BGE 92 II 212 E. 1).

    Die Auffassung des Staatsrates und des Kantonsgerichts, dass im
Kanton Wallis die Zivilgerichte Streitigkeiten wie die vorliegende zu
behandeln haben, bindet freilich das Bundesgericht im Berufungsverfahren,
da sie auf kantonalem Recht beruht. Das heisst indes nicht, dass
auch materiell Zivilrecht des Bundes anzuwenden und die Sache als
Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG berufungsfähig sei, wie
die Vorinstanz anzunehmen scheint (MEIER-HAYOZ, N. 227 zu Art. 664 ZGB;
BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 123).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.