Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 55



109 II 55

15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1983 i.S. Moeri
gegen Burri (Berufung) Regeste

    Art. 9 und 11 BMM. Abrede über die Anpassung des Mietzinses bei
Steigen des Hypothekarzinsfusses.

    1. Zulässigkeit eines Begehrens auf Feststellung, dass eine solche
Abrede nicht gegen Vorschriften des BMM verstösst (E. 2a).

    2. Umstände, unter denen die Abrede an sich als gültig anzusehen,
eine Anfechtung der Mietzinserhöhung aber nicht ausgeschlossen ist (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Die Eheleute Burri mieteten von den Gebrüdern Moeri mit Wirkung
ab 1. August 1979 das Hotel "Altstadt" in Arbon. Der Vertrag vom 14.
Juli 1979 ist auf fünf Jahre fest geschlossen worden; nachher verlängert
er sich um die gleiche Dauer, wenn er nicht wenigstens sechs Monate vor
Ablauf der fest vereinbarten Mietzeit gekündigt wird. Der Mietzins betrug
zunächst Fr. 2'000.-- und ab 1. Januar 1980 Fr. 2'500.-- im Monat. Er
wurde laut Ziff. 31 des Vertrages auf der Basis des Hypothekarzinsfusses
vom 1. Juli 1979 festgesetzt und konnte von den Vermietern auf das Datum
angepasst werden, von dem an sie für die erste Hypothek mehr Zins zu
bezahlen hatten; stieg der Zinsfuss um 1/4%, so durfte der Mietzins um 5%
erhöht werden.

    Gemäss Schreiben vom 31. März 1980 wollten die Gebrüder Moeri
den Mietzins ab 1. Dezember 1980 von Fr. 2'500.-- auf Fr. 2'750.--
erhöht wissen, was die Mieter nicht gelten liessen. Mit Schreiben
vom 24. Februar 1981 versuchten die Vermieter, am 1. März 1981 eine
weitere Erhöhung auf Fr. 3'000.-- zu erwirken; die Mieter widersetzten
sich erneut. Am 16. Juni und 3. Dezember 1981 liessen sie den Mietern
je eine weitere Erhöhung auf Fr. 3'250.-- und 3'500.-- anzeigen; die
dritte Erhöhung sollte ab 1. September 1981, die vierte ab 1. April 1982
gelten. Mit Schreiben vom 29. Juni 1981 liessen sie zudem die erste auf
den 1. Juli 1981 und mit Brief vom 29. Januar 1982 die zweite auf den 1.
Februar 1982 neu ansetzen. Die Eheleute Burri hielten alle Erhöhungen samt
den Erneuerungen für missbräuchlich und riefen die Schlichtungsstelle an,
vor der die Parteien sich aber nicht einigen konnten.

    B.- Im März 1982 klagten die Gebrüder Moeri gegen die Eheleute Burri
auf Feststellung, dass die vier Mietzinserhöhungen nicht missbräuchlich
seien.

    Der Präsident des Bezirksgerichts Arbon wies das Begehren am 2. Juni
1982 ab.

    Die Kläger beschwerten sich beim Obergericht des Kantons Thurgau. Sie
begehrten insbesondere die Feststellung, dass Ziff. 31 des Mietvertrages
mit Art. 9 und 11 BMM vereinbar, folglich gültig sei (Rechtsbegehren 2),
und dass die Mietzinserhöhungen vom 16. und 29. Juni, 3. Dezember 1981
und 29. Januar 1982 nicht missbräuchlich seien (Rechtsbegehren 3).

    Die Rekurskommission des Obergerichts wies die Beschwerde am
24. September 1982 ab.

    C.- Die Kläger haben gegen diesen Entscheid Berufung eingelegt,
mit der sie an den angeführten Rechtsbegehren festhalten.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung dahin gut, dass es den
angefochtenen Entscheid aufhebt und die Sache zur neuen Beurteilung im
Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückweist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht ist auf das Rechtsbegehren 2 der Kläger nicht
eingetreten, da es in ihrem Begehren 3, das im Ergebnis auf eine Leistung
laute, enthalten sei. Die Kläger erblicken darin eine Verletzung von
Bundesrecht, weil es ein Widerspruch sei, auf das Feststellungsbegehren
über die Gültigkeit der streitigen Vertragsklausel nicht einzutreten und
zugleich das angebliche Leistungsbegehren wegen Nichtigkeit der Klausel im
Sinne von Art. 11 BMM abzuweisen, sich zum Einwand der Beklagten, die vier
Mietzinserhöhungen seien missbräuchlich, aber mit keinem Wort zu äussern.

    a) Nach der Rechtsprechung ist das Begehren auf Feststellung
eines dem eidgenössischen Recht unterstehenden Rechtsverhältnisses von
Bundesrechts wegen stets zuzulassen, wenn der Kläger an der Feststellung
ein schützenswertes Interesse hat (BGE 106 III 122 E. 2, 101 II 187 E. 4a
mit Hinweisen). Ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt,
so kann das Obergericht entgegen den Einwänden der Beklagten durchaus
Bundesrecht verletzt haben.

    Die Auffassung der Vorinstanz ist bereits im Ausgangspunkt dahin
zu berichtigen, dass auch das Rechtsbegehren 3 nicht auf eine Leistung,
sondern auf eine Feststellung lautet und dass das Rechtsbegehren 2 von
ihm nicht erfasst wird. Dieses geht vielmehr über das Begehren 3 hinaus,
da die Kläger damit vorweg festgestellt wissen wollen, dass die streitige
Vertragsklausel nicht gegen Art. 9 und 11 BMM verstösst, gleichviel wie
es sich mit den Mietzinserhöhungen, die sie aus der Klausel ableiten, im
einzelnen verhält. Dass der Richter die Vorfrage in den Urteilserwägungen
erledigen kann, die an der Rechtskraft seines Entscheides nicht teilhaben
(BGE 103 II 158 E. 2 mit Hinweisen), schliesst ein selbständiges Interesse
der Kläger an einer Feststellung über die Gültigkeit der Klausel nicht
aus. Davon kann um so weniger die Rede sein, als der Anspruch auf eine
solche Feststellung nach der Konzeption des BMM nicht den Sinn haben kann,
der Richter habe den Inhalt der Klausel zugleich auf Missbräuchlichkeit
zu untersuchen; dies muss samt der Anwendung von Art. 9 Abs. 2 VMM im
Einzelfall vielmehr dem Anfechtungsverfahren vorbehalten bleiben.

    b) Das Obergericht hält die streitige Klausel für nichtig im Sinne
von Art. 11 BMM, weil sie den Vermietern die Möglichkeit gebe, den
Mietzins durch einseitige Erklärung zu erhöhen. Die Kläger widersprechen
ihm auch in diesem Punkte zu Recht.

    Eine Vereinbarung der Parteien, dass der Mietzins der Entwicklung
des Hypothekarzinsfusses angepasst werden kann, ist als Indexklausel
zu beurteilen (BGE 108 II 467 E. 2, 103 II 267 ff.). Sie ist gemäss
Art. 9 BMM gültig, wenn das Mietverhältnis mindestens fünf Jahre dauern
soll. Das trifft hier zu, da die Parteien diese Dauer nicht bloss für die
fest vereinbarte Zeit, sondern auch für die stillschweigende Verlängerung
des Vertrages vorgesehen haben. Eine gültig zustande gekommene Klausel
über indexgebundene Mietzinse wird von Art. 11 BMM zum vornherein nicht
erfasst, weshalb der Vermieter davon auch durch einseitige Erklärung
Gebrauch machen kann, wenn der Hypothekarzinsfuss steigt und eine
Anpassung des Mietzinses gerechtfertigt ist (Sten. Bull. StR 1969 S.
76 Votum Amstad zu Art. 276e Abs. 2 OR sowie 1972 S. 467 f. Voten Hefti
und Brugger; Schmid, N. 22 und 56 zu Art. 262 sowie N. 5 zu Art. 267e
OR). Art. 11 BMM will bloss verhindern, dass der Mieter den Vermieter
ein für allemal vertraglich ermächtige, den Mietzins von sich aus durch
einseitige Erklärung erhöhen zu können, ihm also eine Art Blankovollmacht
erteile, nach eigenem Ermessen und ohne Zustimmung des Mieters zu handeln
(Raissig, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, S. 25; Sten.Bull. StR
1969 S. 76 Votum Amstad zu Art. 267e Abs. 2 OR).

    Dass die Klausel im vorliegenden Fall einzig die Erhöhung des
Mietzinses bei verändertem Hypothekarzinsfuss regelt, macht sie
nicht unzulässig (Meyer, Mietrecht im Alltag, S. 55; Müller, Der
Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom
30. Juni 1972, S. 110); sonst ergäbe sich ein Widerspruch zu Art. 10
BMM, wonach für Mietverhältnisse von mindestens drei Jahren periodische
Erhöhungen vereinbart werden dürfen. Vereinbarungen über indexgebundene
oder gestaffelte Mietzinse setzen zudem keine Wertneutralität der
gegenseitigen Leistungen voraus, wie das Obergericht dies für ihre
Gültigkeit anzunehmen scheint.

    Fragen kann sich bloss, ob die streitige Klausel nicht insoweit
nichtig sei, als sie bei einem Ansteigen des Hypothekarzinsfusses um 1/4%
eine Erhöhung des Mietzinses um 5% vorsieht; denn damit geht sie weiter
als Art. 9 Abs. 2 VMM, wonach Hypothekarzinserhöhungen von 1/4% in der
Regel zu einer Mietzinserhöhung von höchstens 3 1/2% berechtigen. Nichtig
im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR ist eine Vereinbarung nur dann, wenn ihr
Inhalt widerrechtlich und die Nichtigkeit als Folge der Widerrechtlichkeit
vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck
der verletzten Norm ergibt (BGE 102 II 404 E. 2b mit Hinweisen). Weder das
eine noch das andere trifft hier zu. Art. 9 BMM verbietet die Indexierung
von Mietzinsen bloss für Mietverhältnisse unter fünf Jahren. Von solchen
Ausnahmen abgesehen, sollen die Vertragsparteien den Mietzins grundsätzlich
frei vereinbaren können; das Gesetz greift nur ein, wo auf Grund der
Marktlage missbräuchliche Forderungen durchgesetzt werden könnten
(Botschaft zur Novelle vom 9. Juni 1977, BBl 1976 III 851). Diesfalls
hat der Mieter aber die Möglichkeit, auch indexgebundene Mietzinse gemäss
Art. 19 BMM anzufechten und sie herabsetzen zu lassen, wobei seine Einreden
und Ansprüche im Rahmen der Art. 14 und 15 BMM umfassend zu prüfen sind
(BGE 108 II 324 E. 2a und 472 ff. E. 4 und 5).

    c) Ist die streitige Klausel somit als gültig zu betrachten, so
bleibt zu prüfen, ob die von den Klägern angezeigten Mietzinserhöhungen
missbräuchlich seien, wie die Beklagten behaupten. Das Bundesgericht
kann dies nicht selber beurteilen, da die hiefür nötigen tatsächlichen
Feststellungen fehlen. Das angefochtene Urteil ist daher gestützt auf
Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung des
Sachverhalts an das Obergericht zurückzuweisen.