Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 462



109 II 462

97. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1983 i.S.
Düssel gegen Dietschi, Boetschi & Moccetti (Berufung) Regeste

    Architektenvertrag: Rechtsnatur, Widerruf, Konventionalstrafe.

    Art. 394 Abs. 2 OR verbietet nicht, den Architektenvertrag als
einen aus Elementen von Auftrag und Werkvertrag gemischten Vertrag zu
qualifizieren (E. 3a-d; Änderung der Rechtsprechung).

    Befugnis der Parteien, den Gesamt-Architektenvertrag jederzeit
gemäss Art. 404 Abs. 1 OR zu widerrufen, im vorliegenden Fall bejaht
(E. 3d und e).

    Zulässigkeit einer Konventionalstrafe für unzeitigen Widerruf;
Anwendung dieser Regel auf den Honorarzuschlag gemäss Art. 8.1 SIA-Norm
102 (1969) (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit schriftlichem Vertrag vom 26. Dezember 1972 übertrug Martha
Düssel der Kollektivgesellschaft Dietschi, Boetschi & Moccetti die
Architekturarbeiten für eine Grossüberbauung in Zürich. Die Parteien
erklärten die SIA-Norm 102 (1969) für die Honorarberechnung als
verbindlich. Am 13. Februar 1976 wies Martha Düssel die Architekten an,
ihre Arbeiten sofort einzustellen.

    Daraufhin klagte die Architekturfirma gegen die Bauherrin auf Zahlung
von Fr. 476'907.10 nebst 5% Zins seit 19. Februar 1976. Das Bezirksgericht
Zürich hiess die Klage unter Berücksichtigung früherer Teilzahlungen
und einer Teilvereinbarung im Prozess im Betrag von Fr. 281'683.--
für Resthonorare und von Fr. 125'526.-- als Honorarzuschlag von 15%,
also insgesamt von Fr. 407'209.-- nebst 5% Zins seit 19. März 1976,
gut. Auf Appellation der Beklagten hin bestätigte das Obergericht des
Kantons Zürich am 20. Januar 1983 dieses Urteil vollumfänglich, und das
Kassationsgericht wies am 28. Juli 1983 eine Nichtigkeitsbeschwerde der
Beklagten ab, soweit darauf einzutreten war.

    Die Beklagte hat Berufung eingereicht und beantragt, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen oder die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin ersucht,
die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Den weiteren Teilbetrag von Fr. 125'526.-- schuldet die Beklagte
laut dem angefochtenen Urteil aufgrund von Art. 8.1 der SIA-Norm 102
(1969). Danach hat der Architekt, wenn ihm der Bauherr ohne sein
Verschulden den Auftrag entzieht, Anspruch auf das Honorar für die
geleisteten Arbeiten mit einem Zuschlag von 15% oder mehr, sofern der
nachgewiesene Schaden diesen Prozentsatz übersteigt. Die Vorinstanz hält
zwar für umstritten, ob die Bestimmung vor dem zwingenden Art. 404 OR
standhalte. Unter Hinweis auf die Praxis des Bundesgerichts bejaht sie
jedoch die Frage, soweit die Klausel eine zum voraus bestimmte pauschale
Schadenersatzleistung vorsehe und der Bauherr aus Gründen vom Vertrag
zurücktrete, die der Architekt nicht zu verantworten habe. Sie legt
im folgenden einlässlich dar, dass die Beklagte den Vertrag lediglich
aus wirtschaftlichen Überlegungen widerrufen habe, nicht weil das
Vertrauensverhältnis zur Klägerin gestört gewesen sei.

    a) Die Beklagte anerkennt, dass Art. 8.1 der SIA-Norm 102 Bestandteil
des Vertrages geworden ist. Er enthält ihrer Meinung nach jedoch eine
mit Art. 404 Abs. 1 OR nicht vereinbare Konventionalstrafe. Zulässig sei
zwar Schadenersatz gemäss Absatz 2, die Parteien dürften ihn aber nicht im
voraus pauschalieren; er sei ausserdem gar nicht ausgewiesen. Nach Ansicht
der Klägerin hat der Honorarzuschlag, wie das Bundesgericht festgestellt
habe, Schadenersatzcharakter. Im übrigen beruhe die bundesgerichtliche
Praxis insoweit auf zwei heftig umstrittenen Prämissen, als sie im
Dienstleistungsgewerbe keine Verträge sui generis zulasse und Art. 404 OR
für zwingend erkläre. Im Sinne des vom Bundesgericht gefundenen Auswegs
lasse Art. 8.1 eine Vorwegpauschalierung von Schadenersatz zu, wobei es
freilich klüger gewesen wäre, einen Prozentsatz der noch nicht erbrachten
als der erbrachten Leistungen vorzusehen. Nach der zweiten Methode schulde
ihr die Beklagte allenfalls Schadenersatz von Fr. 100'913.50.

    b) Während die frühere Rechtsprechung die separate Herstellung von
Skizzen, Bauprojekten, Ausführungs- und Detailplänen vollumfänglich und
den Gesamt-Architektenvertrag mindestens hilfsweise dem Werkvertragsrecht
unterstellte (BGE 63 II 176 ff.), sind nach BGE 98 II 310 E. 3 in jedem
Fall vorbehaltlos die Regeln des einfachen Auftrags anwendbar (bestätigt
im Urteil vom 15. September 1977 i.S. Disch gegen Bertoli, in SJ 100/1978
S. 385 ff.). Dem lag die Auffassung zugrunde, dass Projekte und Pläne der
Architekten Ergebnisse geistiger Arbeit seien und daher nur Gegenstand
eines Auftrags sein könnten. Der Werkvertrag beschränke sich auf die
Herstellung körperlicher Werke.

    Diese Ansicht wurde vom Bundesgericht in einem unveröffentlichten
Urteil vom 22. Dezember 1981 i.S. Adressen und Propagandazentrale
Schaffhausen AG gegen DVD Daten-Verarbeitungs-Dienst AG erheblich
abgeschwächt und in einem neuesten Urteil vollends fallengelassen, indem
es die Tätigkeit eines Geometers, der ein Baugrundstück zu vermessen und
die Ergebnisse in einem Plan festzuhalten hatte, nach Werkvertragsrecht
beurteilte (BGE 109 II 34 ff.). Zu den Konsequenzen dieser neuen
Rechtsprechung für den Architektenvertrag wollte es sich indes nicht
äussern (S. 37 E. b). Bereits vor der amtlichen Publikation hat GAUCH (in
Recht 1/1983 S. 132 ff.) dem Entscheid im Ergebnis zugestimmt, JEANPRÊTRE
(in JdT 131/1983 S. 270) äusserte sich eher skeptisch.

    c) Was nach BGE 109 II 34 ff. für die Tätigkeit eines Geometers gilt,
ist in gleicher Weise für den Architekten, der Ausführungspläne und
Kostenvoranschläge zu erstellen hat, von Bedeutung, allenfalls sogar,
wenn er Bauprojekte ausarbeiten muss. Im Gegensatz zu BGE 98 II 310 E. 3
können derartige Arbeiten, wenn sie dem Architekten selbständig übertragen
sind, durchaus auf einem Werkvertrag beruhen (ebenso DUCROT, in Baurecht
1983 S. 52 f.; GAUCH, Recht, S. 135/136; JÄGGI, in SJZ 69/1973 S. 303;
SCHLUEP, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2 S. 903 f.). Andere
Aufgaben wie Arbeitsvergebung und Bauaufsicht sind dagegen nach weitgehend
unbestrittener Ansicht in der Literatur nur als Auftrag rechtlich fassbar.

    d) Soweit ein Architektenvertrag sich beispielsweise auf das Erstellen
von Plänen oder die Bauaufsicht beschränkt, ist er wohl problemlos entweder
dem Werkvertragsrecht oder dem Auftragsrecht zuzuordnen. Schwieriger wird
es, wenn der Architekt mit der Projektierung und Ausführung der Baute
insgesamt beauftragt ist. Dem verständlichen Bestreben nach einheitlicher
Subsumtion des Vertragsverhältnisses kam die Rechtsprechung seit BGE 98
II 310 E. 3 mit der vorbehaltlosen Anwendung von Auftragsrecht entgegen,
wobei sie unbefriedigende Konsequenzen einfach in Kauf nahm oder mit
Konstruktionen abwendete, wie sie noch zu erwähnen sind. Anpassungsfähigere
Lösungen, die analog etwa der früheren Praxis neben Auftragsrecht Elemente
des Werkvertragsrechts zugelassen hätten, verwarf sie mit der Begründung,
Art. 394 Abs. 2 OR schliesse im Bereich der Arbeitsleistungen Verträge sui
generis aus (BGE 106 II 159 E. a, 104 II 110 E. 1). In der neueren Lehre
ist das auf Kritik gestossen (BUCHER, in ZSR 102/1983 II S. 322 ff.; GAUCH,
Recht, S. 136; GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, 3. Aufl. Nr. 493; GUHL/MERZ/KUMMER,
7. Aufl. S. 445; HOFSTETTER, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2
S. 24 ff.; JÄGGI, S. 302 f.; MERZ, in ZBJV 116/1980 S. 20 f.; SCHLUEP,
S. 903 f.; VISCHER, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1 S. 313,
PEDRAZZINI, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1 S. 504 f.).

    Für die strenge Auslegung von Art. 394 Abs. 2 OR sprechen nach
GAUTSCHI (N. 56 zu Art. 394 OR; ebenso SJZ 70/1974 S. 22 f.) neben
dem Wortlaut auch die Gesetzesmaterialien. Indes belegt BUCHER (in ZSR
102/1983 II S. 286 f., 324 Anm. 74), dass diese Materialien den Schluss,
der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift die in Art. 19 OR verankerte
Vertragsfreiheit einschränken wollen, nicht rechtfertigen. In der Tat
behält Art. 394 Abs. 2 OR auch als dispositives Recht durchaus seine
Bedeutung. Nach Ansicht der Mehrheit der Kritiker kann das die Zulassung
von Verträgen sui generis rechtfertigen; jedenfalls lassen sich gemischte
Verträge, bei denen Elemente eines anderen gesetzlichen Vertragstyps neben
solchen des Auftragsrechts gegeben sind, ohne weiteres mit dem Wortlaut
des Gesetzes vereinbaren (für diese Unterscheidung BGE 104 II 110 E. 1).

    Art. 394 Abs. 2 OR zwingt demnach nicht dazu, ein komplexes
Vertragsverhältnis wie den Architektenvertrag entweder ganz als Auftrag
oder ganz als Werkvertrag zu beurteilen. Die Anerkennung gemischter
Verträge erlaubt den Vertragspartnern wie dem Richter, den Umständen
angepasste Lösungen zu finden, die der Rechtswirklichkeit besser
entsprechen als eine einheitliche Qualifikation. Alle Probleme sind damit
freilich nicht gelöst. Wo wie bei der Mängelhaftung nur einzelne Leistungen
des Architekten zu beurteilen sind, ist eine Spaltung der Rechtsfolgen
denkbar, indem sich etwa die Haftung für einen Planfehler aus Werkvertrag,
jene für unsorgfältige Bauaufsicht aus Auftrag ergeben kann. Dagegen
ist dieser Weg nicht gangbar, wenn die vorzeitige Auflösung eines
Gesamtvertrages umstritten ist, der Auftrags- und Werkvertragselemente
umfasst. Dabei kommt bei einem Projektierung und Bauausführung umfassenden
Architektenvertrag dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem
Architekten so viel Bedeutung zu, dass die Auflösungsregel des Art. 404
OR den Vorzug verdient.

    e) Das jederzeitige Widerrufsrecht des Auftraggebers aus Art. 404
Abs. 1 OR ist nach ständiger Rechtsprechung zwingend; es kann vertraglich
weder wegbedungen noch eingeschränkt werden (BGE 106 II 159 E. b, 104 II
115 E. 4, 103 II 130 E. 1, 98 II 307 E. 2a). In der Lehre wird weniger
dieser Grundsatz kritisiert als seine Anwendung auf Fälle, für die er
nicht passe (GUHL/MERZ/KUMMER, S. 466; JÄGGI, S. 304; HOFSTETTER, S. 48
und 53; BUCHER, in ZSR 102/1983 II S. 325; GAUCH, Recht, S. 134, 136;
Derselbe, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2. Aufl. N. 18). Danach soll
es zwar für typische Auftragsverhältnisse, namentlich für unentgeltliche
oder höchstpersönliche Aufträge, bei der strengen Ordnung von Art. 404 OR
bleiben; dagegen soll für atypische Aufträge zum Beispiel eine Beendigung
nach Werkvertragsrecht vereinbart werden können (so das Bundesgericht
im Urteil vom 26. März 1957 i.S. Sekundarschulgemeinde Uster gegen
Ziegler, E. 4; ebenso TERCIER, in Baurecht 1979 S. 9; wohl auch BUCHER,
in ZSR 102/1983 II S. 325 f.). Wie es sich damit verhält, braucht nicht
entschieden zu werden, weil vorliegend nicht das Auflösungsrecht als
solches, sondern nur der vereinbarte Honorarzuschlag streitig ist.

Erwägung 4

    4.- In ständiger Rechtsprechung schliesst das Bundesgericht aus
Art. 404 Abs. 1 OR, dass das freie Widerrufsrecht nicht durch die
Vereinbarung einer Konventionalstrafe erschwert werden darf (BGE 104 II
116 E. 4, 103 II 130 E. 1). Die Vorinstanz sieht im Honorarzuschlag nach
Art. 8.1 SIA-Norm 102 indes keine Konventionalstrafe, sondern eine nach
Art. 404 Abs. 2 OR zulässige Schadenersatzvereinbarung.

    a) Das Obergericht folgt damit dem bereits zitierten Urteil Disch (in
SJ 100/1978 S. 385 ff.), in dem das Bundesgericht den streitigen Art. 8.1
für gültig erklärt hat, weil er keine Konventionalstrafe, sondern eine
"appréciation anticipée de dommage causé à l'architecte" vorsehe. Eine
derartige Abmachung der Parteien liege im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit und
entspreche hinsichtlich der Schädigung der Lebenserfahrung. Die Beklagte
bestreitet die Richtigkeit des Urteils, und auch die Klägerin sieht in ihm
nicht mehr als einen vom Bundesgericht gefundenen Ausweg aus dem Dilemma,
in das der Architektenvertrag wegen der zwingenden Natur von Art. 404
OR und der Verneinung der Verträge sui generis bei Arbeitsleistungen
geraten sei.

    Kritik hat der Entscheid Disch nicht im Ergebnis, jedoch in
der Begründung erfahren. TERCIER (in Baurecht 1979 S. 9; ferner in
Baurecht 1982 S. 9) sieht insbesondere im Honorarzuschlag weniger
einen Schadenersatzanspruch als vielmehr eine Konventionalstrafe
(ähnlich schon früher PERRIN, Le contrat d'architecte, S. 72; dem Urteil
stimmt aus urheberrechtlicher Sicht zu: DESSEMONTET, in Hundert Jahre
schweizerisches Obligationenrecht, S. 508). Eine vereinbarte Pauschalierung
des Schadenersatzes lag schon BGE 83 II 531 E. 3 zugrunde und ist teilweise
von der Lehre gebilligt, soweit die Pauschale nicht Straffunktion habe
(HOFSTETTER, S. 52 Anm. 30; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 zu Art. 404 OR). Da
die von den Parteien gewählte Bezeichnung nicht entscheidend sein kann (BGE
95 II 539 E. 5), ist im Einzelfall jedoch nicht zuverlässig feststellbar,
ob die Pauschalierung Beweiserleichterung bringen oder Strafcharakter
haben soll; es bedürfte dafür wohl einer Abklärung der Schadenshöhe,
womit aber die Pauschalierung illusorisch würde. Demgegenüber bezweckt
gerade die Konventionalstrafe, den Gläubiger vom Nachweis eines Schadens
zu befreien (BGE 102 II 425 E. 4 mit Verweisung; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 520;
VON TUHR/ESCHER, S. 283).

    Gemäss Art. 8.1 SIA-Norm 102 braucht der Architekt einen Schaden
nur nachzuweisen, soweit er mehr als 15% Honorarzuschlag verlangt. Das
entspricht der gesetzlichen Ordnung der Konventionalstrafe in Art. 161
Abs. 1 OR. Nicht anders verhielte es sich, wenn Art. 8.1 abweichend vom
Urteil Disch nicht Anspruch auf Schadenersatz, sondern auf ein bestimmtes
Honorar für den Widerrufsfall begründen wollte, denn auch so würde er
lediglich eine Rechtsfolge des Auftragsentzugs regeln.

    b) Obschon daher entgegen der Begründung im Urteil Disch der
vereinbarte Honorarzuschlag keinem pauschalierten Schadenersatz, sondern
einer Konventionalstrafe gleichkommt, zieht das nicht zwangsläufig deren
Ungültigkeit nach sich. Infolge ihrer akzessorischen Natur ist sie zwar
ungültig, wenn sie ein widerrechtliches oder unsittliches Versprechen
bekräftigen soll (Art. 163 Abs. 2 OR). Soweit der Honorarzuschlag
bedingungslos für jeden Auftragsentzug geschuldet ist, läge darin in
der Tat ein Verstoss gegen das jederzeitige Widerrufsrecht. Indes
kann gemäss Art. 404 Abs. 2 OR ein rechtmässiger und wirksamer
Widerruf dann Schadenersatzfolgen nach sich ziehen, wenn er zur Unzeit
ausgeübt wird. Gleich muss es sich hinsichtlich der Zulässigkeit einer
Konventionalstrafe verhalten. Darauf ist näher einzutreten, falls die
Vorinstanz den Widerruf, ohne gegen Bundesrecht zu verstossen, als unzeitig
betrachten durfte.

    c) Unzeitig ist nach Ansicht der Vorinstanz der Widerruf des
Bauherrn nur, wenn der Architekt dafür keinen sachlich vertretbaren
Grund geliefert hat. Die Parteien anerkennen das zu Recht (BGE 104 II
320 E. b mit Hinweisen). Die Vorinstanz hält aufgrund der Vorbringen
der Parteien für erwiesen, dass die Beklagte den Vertrag lediglich aus
wirtschaftlichen Überlegungen widerrufen hat und nicht aus Gründen, die
das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien betrafen. Die Beklagte
hat diese Erwägungen erfolglos mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde
angefochten und kritisiert sie summarisch auch in ihrer Berufung. Indessen
ist nicht nur die Frage nach dem Beweggrund für den Auftragsentzug (BGE
107 II 229 E. 4), sondern auch jene nach dem natürlichen Kausalzusammenhang
(BGE 107 II 224 E. b, 245 E. 5) tatsächlicher Natur und daher auf Berufung
hin nicht überprüfbar.

    Es erübrigt sich deshalb, im einzelnen auf die Einwände der Beklagten
einzutreten. Hinsichtlich der Verzugszinsen bleibt immerhin festzuhalten,
dass die Vorinstanz davon ausgeht, massgebender Zeitpunkt des Widerrufs
sei der 13. Februar 1976 und nicht der 8. Juli 1977. Soweit sie dabei
die entsprechenden Schreiben der Parteien auslegt und nicht bloss
verbindlich feststellt, was die Beklagte tatsächlich ausgesagt hat, ist
vor Bundesgericht dagegen mit dem blossen Hinweis auf ein paar Aktennummern
nicht aufzukommen.

    d) Die Vorinstanz nimmt insoweit zu Recht an, der Widerruf sei zur
Unzeit erfolgt. Sie hält deshalb, übereinstimmend mit dem Urteil Disch,
die Schadenspauschale für begründet. Es leuchte ein, dass ein Architekt
seine Arbeit zum voraus planen und organisieren müsse und daher durch den
Widerruf zu Schaden komme, wobei der Nachweis der Schadenshöhe praktisch
kaum möglich sei. In anderem Zusammenhang hält sie fest, die Beklagte
habe anfänglich zur Eile gedrängt, weshalb die Klägerin sich für ihren
Grossauftrag habe einrichten und Kapazitäten bereitstellen müssen. Dem hält
die Beklagte entgegen, es sei nicht ersichtlich, worin der Schaden bestehe;
die Klägerin behaupte nur entgangenen Gewinn, auf den sie unter dem Titel
von Art. 404 Abs. 2 OR keinen Anspruch habe; dass sie andere Aufträge
habe ablehnen oder Mitarbeiter entlassen müssen, sei nicht dargetan.

    Die gegensätzlichen Standpunkte zeigen deutlich, welche Konsequenzen
es hat, im vereinbarten Honorarzuschlag Schadenersatz und keine
Konventionalstrafe zu erblicken. So gibt Art. 404 Abs. 2 OR in der Tat
keinen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, sondern nur auf
Ausgleich der besonderen Nachteile als Folge des unzeitigen Widerrufs
(BGE 106 II 160 E. c; Urteil vom 4. Oktober 1982 i.S. Stiftung für
Jugendbildung der Firma Jugendkurhaus Rosenberg St. Gallen AG gegen
Jugendkurhaus Rosenberg St. Gallen AG, S. 9; HOFSTETTER, S. 50; GAUTSCHI,
N. 12e, 17d und 19a zu Art. 404 OR). Darin liegt ein Unterschied zur
dienstvertraglichen Argumentation von BGE 83 II 532, wo die Pauschalierung
auch den entgangenen Gewinn einschliessen konnte. Die Klägerin kann deshalb
das entgangene Honorar nicht als Schaden im Sinne von Art. 404 Abs. 2 OR
geltend machen. Dagegen entspricht es der Lebenserfahrung, dass bei einem
umfangreichen Bauvorhaben (im vorliegenden Fall ging es um eine Bausumme
von 27 Millionen Franken) der Architekt seinen Betrieb entsprechend
ausbauen und andere Aufträge ausschlagen muss. Ob das dem Richter aber
bereits erlaubt, ohne weitere konkrete Anhaltspunkte einen Betrag von
Fr. 125'526.-- als Schadenersatz zuzusprechen, ist zweifelhaft. Wird
der Betrag jedoch als Konventionalstrafe aufgefasst, erscheint dies ohne
weiteres zulässig. Die Höhe des Schadens behält dabei ihre Bedeutung; sie
kann Anlass geben, die Strafe im Sinne von Art. 163 Abs. 3 OR herabzusetzen
(BGE 103 II 136). Es obliegt aber der Beklagten, nicht der Klägerin,
einen Herabsetzungsgrund darzutun, und das ist vorliegend nicht geschehen.

    Wird der Honorarzuschlag von 15% nach Art. 8.1 SIA-Norm als
Konventionalstrafe verstanden, so erscheint auch die Vorschrift, den
Zuschlag auf den bereits verdienten Honoraren zu berechnen, weniger
paradox als bei der Konstruktion als Schadenersatz. Der Schaden, den
der Architekt infolge Entzugs des Auftrags erleidet, dürfte nämlich -
wie TERCIER (in Baurecht 1979 S. 9) zu Recht bemerkt - nicht grösser,
sondern kleiner werden, je später der Widerruf erfolgt.

    e) Mit neuer Begründung, im Ergebnis jedoch übereinstimmend mit
dem angefochtenen Urteil und der bisherigen Rechtsprechung, bleibt es
folglich dabei, dass Art. 8.1 der SIA-Norm 102 grundsätzlich gültig und die
Voraussetzung unzeitigen Widerrufs ausserdem erfüllt ist. Die Berechnung
des Honorarzuschlags bestreitet die Beklagte im übrigen nicht, so dass
das angefochtene Urteil zu bestätigen ist. Dass sie den Verzugszins erst
ab 8. Juli 1977 gelten lassen will, beruht auf der Annahme, der Widerruf
sei erst in jenem Zeitpunkt erfolgt; das hat sich bereits als unbegründet
erwiesen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 20. Januar 1983 bestätigt.