Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 270



109 II 270

58. Verfügung des Präsidenten der I. Zivilabteilung vom 3. November 1983
i.S. Erbengemeinschaft Koch gegen Kollektivgesellschaft Burger Söhne
(Berufung) Regeste

    Art. 150 Abs. 2 OG. Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft ist
von der Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung abzusehen,
wenn die Voraussetzungen dafür bei einem Streitgenossen fehlen.

Auszug aus den Erwägungen:

hat der Präsident der I. Zivilabteilung in Erwägung,

Erwägung 1

    1.- Mit Urteil vom 25. März 1983 hat das Obergericht des Kantons Aargau
eine Klage der Erbengemeinschaft Georg Koch gegen die Kollektivgesellschaft
Burger Söhne auf Zahlung von Fr. 600'000.-- nebst Zins abgewiesen.

    Die Erbengemeinschaft hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt,
mit der sie an ihrem Klagebegehren festhält.

    Mit Eingabe vom 16. September 1983 ersucht die Beklagte das
Bundesgericht, die Kläger 1 bis 3 zur Sicherstellung einer allfälligen
Parteientschädigung im Betrage von Fr. 15'000.-- zu verpflichten, mit
der Androhung, dass sonst auf ihre Berufung nicht eingetreten werde. Sie
macht geltend, dass drei von vier Erben im Ausland wohnen, nämlich Frau
Gabriele Koch im Fürstentum Liechtenstein, Peter und Caspar Koch in Kanada.

    Die Kläger widersetzen sich dem Gesuch um Sicherstellung. Sie
anerkennen, dass drei von ihnen im Ausland leben und dass die
im Berufungsverfahren obsiegende Partei gemäss Tarif mit einer
Parteientschädigung von Fr. 15'000.-- rechnen kann. Sie berufen sich nicht
auf die Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 17. Juli
1905; denn weder Kanada noch das Fürstentum Liechtenstein ist diesem
Abkommen beigetreten, auch der am 1. Mai 1954 revidierten Fassung nicht
(SR 0.274.12). Sie bestreiten aber eine Kautionspflicht, weil im Falle
einer notwendigen Streitgenossenschaft von einer Sicherstellung abzusehen
sei, wenn dazu auch nur bei einem der Streitgenossen kein Grund bestehe.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 150 Abs. 2 OG kann eine Partei auf Begehren der
Gegenpartei vom Präsidenten oder Instruktionsrichter zur Sicherstellung
für eine allfällige Parteientschädigung (Art. 159 und 160 OG) angehalten
werden, wenn sie in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder erweislich
zahlungsunfähig ist.

    Gemäss BGE 93 II 69 ist die Kautionspflicht bei einer Mehrzahl
von Berufungsklägern für jeden Streitgenossen gesondert zu prüfen. Die
Frage, ob sich bei notwendigen Streitgenossen eine Ausnahme in dem Sinne
rechtfertigt, dass bei fehlenden Voraussetzungen auch nur bei einem von
ihnen alle von der Kautionspflicht zu befreien sind, ist in jenem Entscheid
offen gelassen worden. Sie wird von LEUCH (Kommentar zur bernischen ZPO,
3. Aufl., N. 1 zu Art. 70) ausdrücklich bejaht, weil sich diesfalls
die solidarische Haftung für Prozesskosten von selbst verstehe und es
einem Rechtsmissbrauch gleichkäme, die Sicherstellung unbekümmert darum
zu verlangen, dass die Voraussetzungen dafür bei einem Streitgenossen
fehlen. Diese Auffassung liegt auch dem § 77 ZPO/ZH zugrunde, der selbst
für das Rechtsmittelverfahren gilt (STRÄULI/MESSMER, 2. Aufl., S. 162 zu §
77 ZPO).

    Die eingeklagte Forderung betrifft einen streitigen Anspruch des
Erblassers Georg Koch gegen die Beklagte. Sie kann nur von allen Erben
zusammen gerichtlich geltend gemacht werden, da nach materiellem Recht
gegenüber jedem von ihnen gleich zu entscheiden ist. Der einzelne Miterbe
ist auch nicht befugt, auf Leistung an sämtliche Erben zu klagen (BGE
93 II 15). Durch eine Gutheissung des Sicherstellungsgesuches würde im
vorliegenden Fall das Klagebegehren aber selbst dem Kläger 4 gegenüber zu
Fall gebracht, wenn die Kläger 1 bis 3 die Sicherheit nicht fristgemäss
leisten sollten, da diesfalls auf ihre Berufung nicht einzutreten wäre und
der vierte Erbe sie für sich allein nicht aufrechterhalten könnte. Von
einer Sicherstellung ist schon aus diesem Grunde abzusehen. Zu Bedenken
besteht um so weniger Anlass, als die Beklagte im Fall ihres Obsiegens
damit rechnen darf, dass die Parteientschädigung allen Klägern solidarisch
auferlegt wird (BGE 93 II 69 E. a).

    Dass der in der Schweiz wohnhafte Kläger 4 zahlungsunfähig sei und
deshalb ebenfalls kautionspflichtig wäre, macht die Beklagte nicht geltend;
ihr Sicherstellungsgesuch richtet sich vielmehr nur gegen die Kläger 1
bis 3.

Entscheid:

                    Demnach wird verfügt:

    Das Gesuch der Beklagten, die Kläger 1 bis 3 gemäss Art. 150 Abs. 2
OG zur Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung anzuhalten,
wird abgewiesen.