Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 256



109 II 256

56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Mai 1983 i.S. Janssen
Pharmaceutica N.V. gegen Bundesamt für geistiges Eigentum
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Eintragung einer international registrierten Marke. Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG, Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ.

    Schutzfähigkeit der Wortmarke "OKT" für chemische Erzeugnisse. Es
handelt sich weder um ein Zahlwort (E. 2) noch um eine allgemeine oder
spezifisch chemische Beschreibung (E. 3 u. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Janssen Pharmaceutica N.V. in Beerse (Belgien) ist Inhaberin
der international unter Nr. 455901 hinterlegten Wortmarke "OKT", bestimmt
für verschiedene Chemikalien und chemische Erzeugnisse. Mit Verfügung
vom 25. November 1981 verweigerte das Bundesamt für geistiges Eigentum
vorläufig der Marke den Schutz für die Schweiz, weil sie der nötigen
Unterscheidungskraft entbehre. Auf Einsprache der Markeninhaberin
hielt das Amt daran fest, dass "OKT" eine geläufige Vorsilbe mit der
Bedeutung von "acht" und damit eine simple Zahlenangabe sei, für die ein
Freihaltebedürfnis bestehe. Am 22. Oktober 1982 wurde daher die vorläufige
Schutzverweigerung als endgültig bestätigt.

    B.- Die Janssen Pharmaceutica N.V. führt gegen diese Verfügung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben und das Amt
anzuweisen, der Markeneintragung den Schutz in der Schweiz zu gewähren. Das
Amt beantragt Abweisung der Beschwerde. Da es sich in seiner Vernehmlassung
erstmals ausführlich auf den chemischen Sprachgebrauch berief, wurde der
Beschwerdeführerin Gelegenheit zu einer Replik gegeben.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zwischen den Benelux-Staaten und der Schweiz gelten das Madrider
Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA) sowie
die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums
(PVÜ) gemäss den am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassungen
(SR 0.232.112.3; 0.232.04). Nach Art. 5 Abs. 1 MMA in Verbindung mit
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ darf die Eintragung in der Schweiz
insbesondere verweigert werden, wenn die Marke jeder Unterscheidungskraft
entbehrt oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt ist,
die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge,
der Bestimmung, des Wertes, des Ursprungsortes der Erzeugnisse oder der
Zeit der Erzeugung dienen können, oder die im allgemeinen Sprachgebrauch
oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten der Schweiz
üblich sind. Dieser zwischenstaatlichen Regelung entspricht Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG, wonach die Eintragung u.a. dann zu verweigern ist, wenn
die Marke als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes
Zeichen enthält (BGE 104 Ib 65 E. 1 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Als Gemeingut gelten Zeichen, die nicht unterscheidungskräftig
sind, wie einfache geometrische Figuren, einzelne Buchstaben und Zahlen
(Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 1975 E. 1 mit Hinweisen, in
PMMBl. 1976 I S. 26). Das Bundesgericht hat deshalb den Marken "61" und
"3x3" den Schutz versagt (Urteil vom 12. November 1974, in PMMBl. 1975
I S. 9; Urteil vom 21. November 1975, in PMMBl. 1976 I S. 25). Das
müsste ebenfalls für die Ziffer "8" oder auch das Zahlwort "acht"
gelten. Anders aber wenn wie hier auf ein lateinisches oder griechisches
Wort zurückgegriffen (octo, okto) und dieses überdies verstümmelt
wird. BUSSE, Kommentar zum deutschen Warenzeichengesetz (5. A. S. 126),
auf den das Amt in diesem Zusammenhang verweist, stellt Zahlwörter wie
"Null" der Ziffer gleich, verneint aber schon für das französische "Zéro"
ein Freihaltebedürfnis. Für schweizerische Verhältnisse mag sich das mit
französischen Begriffen anders verhalten; wegen eines lateinischen oder
griechischen Anklangs aber auch "OKT" als reines Zahlwort zu verstehen,
geht indes zu weit.

Erwägung 3

    3.- Nach der Rechtsprechung gelten Hinweise auf Eigenschaften oder
die Beschaffenheit der Erzeugnisse, für welche die Marke bestimmt ist,
als Gemeingut. Blosse Gedankenassoziationen oder Anspielungen, die nur
entfernt auf eine Ware hindeuten, genügen dafür aber nicht, vielmehr
muss der gedankliche Zusammenhang derart sein, dass er ohne besondere
Denkarbeit oder besonderen Phantasieaufwand zu erkennen ist (BGE 106 II
246 E. 2 mit Hinweisen).

    Das Amt belegt an zahlreichen Beispielen die Verwendung von
"Okt..." bzw. häufiger "Okto..." oder "Okta..." in Ausdrücken wie
"Oktett", "Oktogon", "Oktave", "Oktober" usw. Dabei handelt es sich
indes stets um eine Vorsilbe, deren Zahlenbedeutung aus der Verbindung
mit dem Stammwort erkennbar wird. Wird dagegen "OKT" für sich allein als
Warenzeichen verwendet, so entfällt eine derartige Verbindung und ist
ein beschreibender Charakter des Zeichens, selbst wenn darin ein Zahlwort
erkannt wird, nicht mehr ersichtlich. Es verhält sich hier nicht anders
als mit den Silben "VER" oder "ENT", die zwar als Vorsilben sehr häufig
auftreten, als Wortmarke aber zweifellos Phantasiecharakter haben.

Erwägung 4

    4.- Die Marke "OKT" richtet sich unbestrittenermassen in erster
Linie an Fachleute der Chemie. Der Schutz ist ihr daher schon dann zu
verweigern, wenn sie in diesem Kreis als beschreibend verstanden wird
(BGE 104 Ib 66 E. 1).

    Das Amt belegt die zentrale Bedeutung der Silbe "Okt" mit der
Bezeichnung "Oktan" für bestimmte Kohlenwasserstoffe und mit Beispielen wie
"Octafluorocyclobutan" als Hinweis auf acht Fluoratome. Noch zahlreicher
seien allerdings die chemischen Benennungen, bei welchen "Okt" nicht am
Anfang, sondern in der Mitte der Formel stehe, z.B. "Cyclooktaschwefel".

    Die Beschwerdeführerin anerkennt das an sich, lässt es aber
nicht gelten für die Bezeichnung "OKT", die alleinstehend in der
Chemie nicht vorkomme und für sich allein auch vom Chemiker als
Phantasiezeichen empfunden werde. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen
ist dem zuzustimmen. Massgebend ist dabei weniger, dass die chemischen
Bezeichnungen durchwegs "octo" oder "octa" lauten. Entscheidend ist
vielmehr auch hier, dass sie stets in einem bestimmten Zusammenhang
verwendet und nur so verständlich werden. Das gilt sogar beim Beispiel
von "Octan", wo erst durch die Endung "-an" ersichtlich wird, dass es
sich dabei um das achte Glied der Kohlenwasserstoffreihe handelt. Erst
recht gilt das für die andern, weit komplizierteren Formeln, in welchen
die Silbe "octo/octa" für den Chemiker aus dem Zusammenhang ihren Sinn
bekommt. Dass ein Chemiker aber "OKT", wenn es für sich allein steht und
als Warenzeichen verwendet wird, im spezifischbeschreibenden Sinn der
chemischen Nomenklatur versteht, ist mit den Unterlagen des Amtes nicht
belegt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Bundesamtes für
geistiges Eigentum vom 22. Oktober 1982 aufgehoben und das Amt angewiesen,
der internationalen Wortmarke Nr. 455901 "OKT" den Schutz in der Schweiz
zu gewähren.