Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 199



109 II 199

46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1983 i.S.
F. gegen B. und Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des
Vaterschaftsprozesses (Art. 282 ZGB).

    1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1).

    2. Hat der Vaterschaftsbeklagte der Mutter in der kritischen Zeit
beigewohnt und ist damit die gesetzliche Vaterschaftsvermutung erstellt,
so darf ungeachtet einer allfälligen Dirnentätigkeit der Mutter ohne
Willkür angenommen werden, die Vaterschaft sei im Sinne von Art. 282 ZGB
glaubhaft gemacht (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Gegen F. ist vor Bezirksgericht Arbon ein mit der Unterhaltsklage
verbundener Vaterschaftsprozess hängig. Es ist nicht streitig, dass F. der
Mutter des Kindes in der kritischen Zeit beigewohnt hat. Auf Gesuch des
klagenden Kindes verpflichtete der Präsident des Bezirksgerichtes Arbon
F. mit Entscheid vom 11. März 1983 zur Hinterlegung eines monatlichen
Unterhaltsbeitrages von Fr. 350.-- für das Kind ab 1. Februar 1983 bis zur
rechtskräftigen Erledigung des Vaterschaftsprozesses. Die Rekurskommission
des Obergerichts des Kantons Thurgau wies am 18. April 1983 eine Beschwerde
gegen diesen Entscheid ab. Dagegen hat F. eine staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag, den obergerichtlichen
Entscheid wegen willkürlicher Rechtsanwendung aufzuheben. Ein gleichzeitig
gestelltes Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wurde mit
Präsidialverfügung vom 27. Juli 1983 abgewiesen. Die kantonale Instanz
beantragt die Abweisung der Beschwerde, ebenso sinngemäss der Beistand
des beschwerdebeklagten Kindes.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid hat den Charakter einer vorsorglichen
Massnahme im hängigen Vaterschaftsprozess. Gegen einen solchen Entscheid
ist die Berufung nicht zulässig (vgl. BGE 104 II 217 E. 2), sondern
nur die staatsrechtliche Beschwerde, wobei dahingestellt bleiben kann,
ob es sich dabei im Sinne von Art. 87 OG um einen Endentscheid (so BGE
100 Ia 14 E. 1b hinsichtlich der Massnahmen nach Art. 145 ZGB) oder um
einen Zwischenentscheid mit nicht wiedergutzumachendem Nachteil handelt
(so BGE 93 I 402/403 E. 1 und 2 für den Fall der Sicherstellung gemäss
dem früheren Art. 321 ZGB). Die Beschwerdeschrift entspricht im übrigen
den gesetzlichen Anforderungen. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie als willkürlich, dass die
Glaubhaftmachung seiner Vaterschaft, die gemäss Art. 282 ZGB Voraussetzung
für die Pflicht zur Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen bildet, bejaht
worden sei, obwohl er mehr als nur glaubhaft gemacht habe, dass die Mutter
des beschwerdebeklagten Kindes in der kritischen Zeit als Dirne tätig
gewesen sei und sich somit einer Vielzahl von Männern hingegeben habe.

    Der angefochtene Entscheid erweist sich indessen keinesfalls als
völlig unhaltbar und ist daher nicht willkürlich, selbst wenn davon
ausgegangen wird, dass die vom Beschwerdeführer gegebene Darstellung
zutrifft und die Mutter des Kindes in der kritischen Zeit als Dirne
tätig war. Im Unterschied zur Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung
von Unterhaltsbeiträgen, die gemäss Art. 283 ZGB voraussetzt, dass die
Vaterschaft zu vermuten ist und diese Vermutung durch die ohne Verzug
verfügbaren Beweismittel nicht zerstört wird, verlangt Art. 282 ZGB für
die Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen lediglich die Glaubhaftmachung
der Vaterschaft. Darunter ist vernünftigerweise etwas weniger Weitgehendes
zu verstehen als die einstweilen nicht zerstörte Vaterschaftsvermutung im
Sinne von Art. 262 Abs. 1 ZGB. Die Vaterschaft wird dann als glaubhaft
gemacht betrachtet, wenn Anhaltspunkte für die Beiwohnung des Beklagten
bestehen oder diese nach Ort, Zeit und weiteren Umständen dargetan
ist und ihr Zeitpunkt mit der Möglichkeit einer Konzeption ernstlich
zu rechnen erlaubt (Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 2. Aufl.,
S. 118). Da im vorliegenden Fall die Tatsache der Beiwohnung in der
kritischen Zeit feststeht und die gesetzliche Vaterschaftsvermutung
damit erstellt ist, durfte ungeachtet der allfälligen Dirnentätigkeit der
Mutter des Kindes die Vaterschaft des Beschwerdeführers als mindestens
glaubhaft gemacht betrachtet werden. In der Beschwerde wird verkannt,
dass die Einrede des unzüchtigen Lebenswandels bei der Revision des
Kindesrechts abgeschafft worden ist. Auch der Freier einer Dirne kann
daher die Vaterschaftsvermutung, wenn diese ihm gegenüber erstellt ist,
nur noch durch den in Art. 262 Abs. 3 ZGB vorgesehenen Nachweis zu Fall
bringen, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich
ist als die eines Dritten. Der Hinweis auf die behauptete Dirnentätigkeit
der Mutter des Kindes ist deshalb für sich allein nicht geeignet, die
Glaubhaftmachung der Vaterschaft im Sinne von Art. 282 ZGB zu widerlegen,
nachdem er nicht einmal die (weitergehende) Vaterschaftsvermutung zu
zerstören vermag.