Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 II 120



109 II 120

29. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Mai 1983 i.S. H.
gegen G. AG (Berufung) Regeste

    Art. 163 Abs. 3 OR, arbeitsvertragliches Konkurrenzverbot mit
Konventionalstrafe, Herabsetzung der Strafe.

    Der Richter hat auch dann zu prüfen, ob die Konventionalstrafe
herabzusetzen ist, wenn der Arbeitnehmer keinen entsprechenden Antrag
stellt, seine Rechtsbegehren aber so weit gefasst sind, dass sie eine
richterliche Herabsetzung in sich schliessen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Mit dem Eventualantrag der Berufung an das Bundesgericht
verlangt der Beklagte, die Konventionalstrafe sei angemessen
herabzusetzen. Das Obergericht hat eine materielle Prüfung dieser
Frage mit der Begründung unterlassen, der Beklagte habe im kantonalen
Verfahren keinen entsprechenden Antrag gestellt. Der Beklagte behauptet
demgegenüber, im Antrag auf Abweisung der Klage als Ganzes sei auch ein
Herabsetzungsbegehren enthalten.

    a) Gemäss Art. 163 Abs. 3 OR hat der Richter übermässig hohe
Konventionalstrafen nach seinem Ermessen herabzusetzen. BECKER (N. 21 zu
Art. 163 OR) schliesst aus dem Wortlaut, der Richter müsse bei Vorliegen
der Voraussetzungen die Herabsetzung vornehmen, auch wenn der Schuldner
keinen besonderen Antrag stelle. Die Herabsetzung sei also nicht an die
Geltendmachung in einem bestimmten Prozessstadium gebunden; vorausgesetzt
werde aber, dass die Strafforderung bestritten sei. Von TUHR/ESCHER (OR
Bd. II, S. 285) sind der Ansicht, der Richter könne die Konventionalstrafe
auch ohne Antrag des Schuldners herabsetzen, sofern die Übermässigkeit der
Strafe aus den Akten hervorgehe. Andere Autoren verlangen grundsätzlich
einen Antrag des Schuldners, schwächen diese Auffassung aber wieder ab,
indem sie es genügen lassen, dass Tatsachen vorgebracht werden, die
zur Begründung einer Herabsetzung geeignet sind (vgl. ALBERT SCHERRER,
Das richterliche Ermässigungsrecht bei Verträgen nach schweizerischem
Obligationenrecht, Diss. Freiburg 1934, S. 30 ff.; ARTHUR HAEFLIGER, Das
Konkurrenzverbot im neuen schweizerischen Arbeitsvertragsrecht, 2. Aufl.,
S. 71).

    b) Die Frage, ob dem Wortlaut des Art. 163 Abs. 3 OR die von BECKER
vertretene Tragweite zukomme, kann offen bleiben. Das Bundesgericht hat
in BGE 83 II 152 E. 4a zu Art. 417 OR ausgeführt, die Herabsetzung müsse
als verlangt betrachtet werden, falls der Schuldner sich nicht darauf
beschränke, die Forderung dem Grundsatz nach zu bestreiten, sondern
auch deren Höhe beanstande, indem er Herabsetzungsgründe nenne. Einer
ausdrücklichen Berufung auf Art. 417 OR bedürfe es nicht, ebenso sei
nicht erforderlich, dass ein gesondertes Herabsetzungsbegehren gestellt
werde. Es genüge, wenn die Anträge so weit gefasst seien, dass sie auch
eine richterliche Herabsetzung in sich schliessen, was bei einem Antrag
auf gänzliche Klageabweisung der Fall sei. Diese Überlegungen müssen auch
hier massgebend sein. Das gilt umso mehr, als Art. 417 OR im Gegensatz zu
Art. 163 Abs. 3 OR die Stellung eines Antrages ausdrücklich erwähnt. Für
die Prüfungspflicht des Obergerichts spricht zudem der Grundsatz, dass
der kantonale Richter das Bundesrecht unabhängig von der Begründung der
Parteianträge von Amtes wegen anzuwenden hat (BGE 107 II 122/3, 99 II
76). Das Obergericht hätte demnach entscheiden müssen, ob eine Herabsetzung
in Frage kam. Voraussetzung war allerdings, dass Herabsetzungsgründe
behauptet und nachgewiesen oder nicht streitig waren.

    c) Das Obergericht stellt fest, aus den Akten ergäben sich keine
Anhaltspunkte für eine allfällige Herabsetzung. Das bestreitet der
Beklagte; er verweist auf die kurze Anstellungsdauer von sieben Monaten und
die Tatsache, dass die Klägerin keinen Schaden nachgewiesen hat. Ebenfalls
zu berücksichtigen sei, dass das Interesse der Klägerin am Konkurrenzverbot
weggefallen sei, weil sie kurz nach seinem Austritt selbst zu fabrizieren
begonnen habe und seine Kenntnisse damit nutzlos geworden seien. Das sind
in der Tat Umstände, die bei der Herabsetzung von Bedeutung sein können
(vgl. BGE 103 II 108/9) und auf die im angefochtenen Urteil selbst
Bezug genommen wird. Überdies lässt sich den Akten entnehmen, welche
Einkünfte der Beklagte bei der Klägerin erzielt hat. Auch das kann bei
der Herabsetzung berücksichtigt werden (vgl. BGE 91 II 383 E. 11).

    Aus den angeführten Gründen ist dem Eventualantrag des Beklagten
insoweit stattzugeben, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache
zur Prüfung der Herabsetzung der Konventionalstrafe an das Obergericht
zurückzuweisen ist.