Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 80



109 III 80

22. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 30. Mai 1983 i.S. X. (Rekurs) Regeste

    Art. 197 SchKG; Umfang des Konkursbeschlages.

    - Die Abgangsentschädigung, die eine Pensionskasse einem austretenden,
sich im Konkurs befindenden Mitglied zugesprochen hat und die betragsmässig
festgelegt worden ist, stellt nicht eine blosse Anwartschaft dar, die im
Konkurs nicht mit Beschlag belegt werden könnte (E. 1).

    - Es handelt sich bei einer solchen Entschädigung nicht um
Erwerbseinkommen, das dem Konkursbeschlag entzogen wäre (E. 2b).

    - Ihrer Einbeziehung in die Konkursmasse steht auch nicht
entgegen, dass die Pensionskasse die Abgangsentschädigung mit einer
Schadenersatzforderung verrechnen will (E. 2a).

Sachverhalt

    A.- X. war Mitglied der Pensionskasse seiner früheren Arbeitgeberin
und blieb ihr auch dann noch angeschlossen, als er in die Dienste eines
andern Unternehmens trat. Durch Schreiben vom 18. September 1981 liess ihn
die erwähnte Pensionskasse wissen, dass sie ihn mit sofortiger Wirkung
gestützt auf ihre Statuten seiner sämtlichen Ansprüche ihr gegenüber
verlustig erkläre, weil sie durch sein pflichtwidriges Verhalten als
Stiftungsrat einen Schaden erlitten habe. Die Pensionskasse legte
die X. per 1. September 1981 zugesprochene Abgangsentschädigung auf
Fr. 68'605.35 fest, erklärte aber Verrechnung mit den von ihr geltend
gemachten Schadenersatzansprüchen.

    Im Konkurs des X. verfügte das Konkursamt am 1. Juli 1982, dass die
dem Gemeinschuldner von der Pensionskasse zuerkannte Abgangsentschädigung
von der Konkursmasse vollumfänglich beansprucht werde.

    Sowohl die untere wie auch die obere kantonale Aufsichtsbehörde
in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schützten die konkursamtliche
Verfügung.

    Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat X. an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert
mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass allfällige Ansprüche gegenüber
der Pensionskasse nicht in die Konkursmasse fielen.

    Das Konkursamt schliesst auf Abweisung des Rekurses, und die Vorinstanz
hat auf Gegenbemerkungen zum Rekurs verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Beim Anspruch, den das Konkursamt zur Masse ziehen möchte,
handelt es sich um die Abfindung, die einem infolge Auflösung des
Dienstverhältnisses aus der Pensionskasse austretenden Mitglied
statutarisch zusteht ... und dem Rekurrenten von der Pensionskasse
grundsätzlich zuerkannt wurde, obschon er durch Ausschluss ausscheiden
soll. Die Pensionskasse hat diese Abgangsentschädigung dem Betrage nach
festgelegt, und zwar per 1. September 1981, auf einen Zeitpunkt also, da
der Rekurrent längst nicht mehr Arbeitnehmer des ...-Konzerns war. Sein
Hinweis darauf, dass er bei der Auflösung des Dienstverhältnisses
nicht (vorzeitig) aus der Pensionskasse ausgeschieden sei, sondern
auch nach dem Wechsel der Arbeitsstelle als - externes - Mitglied der
Pensionskasse weiterhin angehört habe, stösst deshalb ins Leere. Das
gleiche gilt nach dem Gesagten aber auch für das Vorbringen, es dürften
nur wirklich vorhandene Vermögenswerte admassiert werden, nicht aber
blosse Anwartschaften. Ein Anspruch, wie er hier in Frage steht, stellt
keineswegs eine blosse Anwartschaft dar. Grundsätzlich ist der strittige
Anspruch somit pfändbar (vgl. Kommentar RIEMER, N. 296 zum Syst. Teil)
und steht auch einer Einbeziehung in die Konkursmasse nichts entgegen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 197 Abs. 2 SchKG gehört zur Konkursmasse unter anderem
Vermögen, das dem Gemeinschuldner vor Schluss des Konkursverfahrens
anfällt.

    a) Der Rekurrent hält diese Bestimmung zunächst deshalb nicht für
anwendbar, weil er sowohl die Rechtmässigkeit seines Ausschlusses aus der
Pensionskasse als auch die Schadenersatzforderung bestreite, die diese zur
Verrechnung gestellt habe. Es trifft zwar zu, dass weder das Konkursamt
noch die vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden zuständig sind,
darüber zu befinden, ob der Ausschluss des Rekurrenten rechtmässig sei,
welche Ansprüche ihm bzw. der Pensionskasse zustünden und ob gegebenenfalls
eine Verrechnung zulässig sei. Diese Fragen können nur vom zuständigen
Richter beurteilt werden. Indessen ist auch eine bestrittene Forderung
in das Konkursinventar aufzunehmen, damit sie durch die Masse selbst oder
allenfalls durch einen Abtretungsgläubiger im Sinne von Art. 260 SchKG
geltend gemacht werden kann (vgl. JAEGER, N. 1 B zu Art. 197 und N. 1 zu
Art. 256 SchKG; BGE 104 III 24 E. 2).

    b) Sodann bestreitet der Rekurrent, dass ihm der strittige
Pensionskassen-Anspruch im Sinne von Art. 197 Abs. 2 SchKG
"angefallen" sei; der Anspruch stelle einen Vermögenserwerb dar,
der auf seine langjährige, persönliche Arbeitstätigkeit sowie auf
seine eigenen Beitragsleistungen an die Pensionskasse und diejenigen
seiner Arbeitgeberinnen zurückzuführen sei. Dass Arbeitslohn wie auch
jegliches sonstige Erwerbseinkommen dem Gemeinschuldner nicht im Sinne
des Gesetzes "anfällt" und dem Konkursbeschlag entzogen ist, trifft zu
(vgl. BGE 77 III 36 E. 3 mit Hinweis). Indessen handelt es sich beim
Anspruch, den das Konkursamt zur Masse ziehen möchte, nicht um ein nach
Konkurseröffnung durch persönliche Tätigkeit erzieltes Einkommen, über das
der Rekurrent frei verfügen dürfte. Der erwähnte Anspruch ist nicht durch
Arbeitsleistungen des Rekurrenten während des Konkursverfahrens entstanden,
sondern durch die ihm mit Schreiben vom 18. September 1981 eröffnete
Auflösung des Verhältnisses zwischen ihm und der Pensionskasse. Das bei
der Pensionskasse angewachsene Kapital ist, soweit durch Beiträge des
Rekurrenten geäufnet, mit den Ersparnissen zu vergleichen, die dieser vor
der Konkurseröffnung aus seinem Arbeitserwerb hätte machen können und die,
gleichgültig in welcher Form angelegt, ohne weiteres zur Konkursmasse zu
ziehen gewesen wären. Auch aus dieser Sicht verstösst der angefochtene
Entscheid nicht gegen Bundesrecht.