Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 7



109 III 7

3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Februar 1983
i.S. F. AG gegen G. und Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs
des Kantonsgerichts St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Verhältnis zwischen dem Rechtsvorschlag im eigentlichen Sinne und
der Einrede des mangelnden neuen Vermögens nach Art. 265 Abs. 3 SchKG.

    1. Hebt die Rekursinstanz einen Rechtsöffnungsentscheid auf, weil das
beschleunigte Verfahren über die Einrede des mangelnden neuen Vermögens
nicht zuvor durchgeführt worden ist, handelt sie nicht willkürlich (E. 2
und 3).

    2. Erhebt der Schuldner "Rechtsvorschlag da kein neues Vermögen
vorhanden", so ist zu vermuten, dass er nur das Vorhandensein neuen
Vermögens, nicht aber die Schuld bestreite (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 23. April 1981 stellte das Konkursamt Werdenberg der H. AG
für deren Forderung im Betrage von Fr. 3'188.10 gegenüber G. einen
Konkursverlustschein aus und vermerkte darin, dass der Gemeinschuldner
die Forderung anerkannt habe. Diese Forderung wurde in der Folge der
F. AG abgetreten, die dem Schuldner am 16. August 1982 hiefür einen
Zahlungsbefehl (Betreibung Nr. 4709) zustellen liess. Mit einem am
23. August 1982 beim Betreibungsamt eingegangenen Schreiben erhob der
Schuldner in verschiedenen Betreibungen Rechtsvorschlag, so auch gegen
den "Zahlungsbefehl Nr. 4009", und zwar mit folgender Formulierung:
"Rechtsvorschlag da kein neues Vermögen vorhanden." Obwohl das
Betreibungsamt es für möglich hielt, dass es sich bei der Angabe
der Betreibungsnummer um einen Verschrieb des Schuldners handelte
und der entsprechend begründete Rechtsvorschlag sich somit gegen die
Betreibung Nr. 4709 richtete, teilte es der Gläubigerin auf der für diese
bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls lediglich mit, der Schuldner
habe Rechtsvorschlag erhoben; die Mitteilung der Begründung "da kein
neues Vermögen vorhanden" unterblieb. Hierauf stellte die Gläubigerin
beim Gerichtspräsidenten von Werdenberg das Gesuch um Erteilung der
provisorischen Rechtsöffnung gestützt auf den Konkursverlustschein. Diesem
Gesuch wurde entsprochen, und die provisorische Rechtsöffnung wurde mit
Entscheid vom 6. Oktober 1982 erteilt.

    Gegen diesen Entscheid erhob der Schuldner Berufung an den
Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts
St. Gallen. Darin machte er geltend, er habe gegen den Zahlungsbefehl mit
der Begründung Rechtsvorschlag erhoben, dass er nicht zu neuem Vermögen
gekommen sei; die Rechtsöffnung hätte deshalb nicht gewährt werden
dürfen. Mit Entscheid vom 23. November 1982 hiess der Rekursrichter die
Berufung gut und hob den Rechtsöffnungsentscheid auf. Die F. AG erhebt
staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, den Entscheid des Rekursrichters
wegen Willkür aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 265 Abs. 3 SchKG ist über die Einrede des mangelnden
neuen Vermögens vom Richter im beschleunigten Verfahren, somit also
nicht im summarischen Rechtsöffnungsverfahren, zu entscheiden. Wenn ein
Schuldner sowohl Rechtsvorschlag im gewöhnlichen Sinne als auch die Einrede
des mangelnden neuen Vermögens erhoben hat, darf die Betreibung nicht
fortgesetzt werden, bis die beiden Hindernisse in den hiefür vorgesehenen
getrennten Verfahren beseitigt worden sind. Wird die Betreibung trotzdem
fortgesetzt, steht dem Schuldner die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde
zur Verfügung (BGE 103 III 35 E. 3 mit Verweisen).

    Der Rechtsöffnungsrichter hatte somit an sich keinen Anlass, sich
darum zu kümmern, ob der Schuldner die Einrede des mangelnden neuen
Vermögens anlässlich der Erklärung des Rechtsvorschlags erhoben habe,
sondern er hätte den Schuldner diesbezüglich an die Aufsichtsbehörde
verweisen können. Es fragt sich, ob die Auffassung des Rekursrichters, es
obliege ihm, die Parteien soweit als möglich so zu stellen, wie wenn das
Versehen des Betreibungsamtes nicht passiert wäre, nicht nur als unrichtig,
sondern geradezu als unhaltbar und daher als willkürlich zu betrachten sei.

Erwägung 3

    3.- Der Rekursrichter kann sich für seine Auffassung auf die von
ihm angeführten Zitate im Kommentar JAEGER stützen (Bd. I, 3. Aufl.,
insbesondere N. 10 zu Art. 82 und N. 7 zu Art. 80 SchKG). Die Meinung
JAEGERS, wonach die Rechtsöffnung zu verweigern sei, solange über
die Einrede des mangelnden neuen Vermögens noch kein Entscheid des
Richters im beschleunigten Verfahren vorliege, ist allerdings durch die
seitherige Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht bestätigt worden. Es
gibt indessen durchaus Gründe, die dafür sprechen, dass über die Erteilung
der Rechtsöffnung so lange nicht entschieden wird, bis ein Urteil über
die Einrede des mangelnden neuen Vermögens vorliegt. Das beschleunigte
Verfahren sollte logischerweise vor dem Rechtsöffnungsverfahren
durchgeführt werden, da es dabei um die Frage geht, ob die Betreibung
überhaupt rechtsgültig angehoben werden kann, währenddem im Rahmen der
Rechtsöffnung über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Betreibung
zu entscheiden ist (so ausdrücklich BGE 35 I 804 E. 1). Lässt sich
der angefochtene Entscheid aber mit dieser Überlegung rechtfertigen,
so erweist er sich mindestens nicht als völlig unhaltbar und damit
nicht als willkürlich. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn sich der
Rekursrichter nicht darauf beschränkt hätte, den Rechtsöffnungsentscheid
aufzuheben, sondern wenn er den Rechtsöffnungsrichter angewiesen hätte,
das Rechtsöffnungsgesuch abzuweisen. Ein solcher Entscheid hätte nicht
getroffen werden dürfen, ohne dass über den Anspruch der Gläubigerin auf
Erteilung der Rechtsöffnung materiell geurteilt worden wäre.

Erwägung 4

    4.- Gegen die beantragte Aufhebung des angefochtenen Entscheids spricht
noch eine weitere Überlegung. Es fragt sich nämlich, ob der Schuldner
mit seinem Rechtsvorschlag die Forderung oder deren Fälligkeit überhaupt
habe bestreiten oder ob er nicht bloss die Einrede des mangelnden neuen
Vermögens habe erheben wollen. Entgegen der Auffassung des Rekursrichters
muss nämlich angenommen werden, der Schuldner habe nur das Vorhandensein
neuen Vermögens bestreiten wollen. Dafür spricht vor allem das Wörtchen
"da" ("Rechtsvorschlag da kein neues Vermögen vorhanden"), womit zum
Ausdruck gebracht wurde, dass der Rechtsvorschlag nur aus diesem Grund
erhoben wurde (vgl. BGE 103 III 34 f. E. 2). Falls das Betreibungsamt im
konkreten Fall zu dieser Überzeugung gelangen und es der Beschwerdeführerin
gelingen sollte, die vom Schuldner erhobene Einrede im anzuhebenden
gerichtlichen Verfahren zu beseitigen, müsste sie den Rechtsöffnungsrichter
gar nicht mehr anrufen, um die Fortsetzung der Betreibung erwirken zu
können. Sollte die Gläubigerin oder der Schuldner dieser Betrachtungsweise
nicht zustimmen, wäre es Sache der Aufsichtsbehörden, auf entsprechende
Beschwerde hin darüber zu entscheiden.

    Der angefochtene Entscheid erweist sich mithin mindestens im Ergebnis
nicht als willkürlich, so dass die Beschwerde abzuweisen ist.