Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 42



109 III 42

11. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12. Januar
1983 i.S. Z. AG (Rekurs) Regeste

    Rückschaffung eines Retentionsgegenstandes (Art. 284 SchKG und 272 OR).

    Das Retentionsrecht des Vermieters einer Hotelliegenschaft erstreckt
sich auch auf das im Tank der Liegenschaft gelagerte Heizöl.

Sachverhalt

    A.- A. hat die ihm gehörende Hotelliegenschaft in X. an B.  bzw. an
die Aktiengesellschaft C. vermietet. Da die Mieterschaft mit der Bezahlung
der Mietzinse in Rückstand geriet, wurde gegen sie ein Ausweisungsbefehl
erwirkt. Am 25./27. August 1982 wurde zudem eine Retentionsurkunde
aufgenommen.

    Nachdem Angestellte der Z. AG Heizöl aus dem Lagertank der
Hotelliegenschaft gepumpt hatten, stellte A. unter Berufung auf Art. 284
SchKG beim zuständigen Betreibungsamt das Begehren, die Z. AG sei
zu verpflichten, ca. 13'000 Liter Heizöl (d.h. die abgepumpte Menge)
zurückzuschaffen, allenfalls den amtlich festzustellenden Gegenwert auf
dem Betreibungsamt zu deponieren.

    Mit Verfügung vom 25. Oktober 1982 wies das Betreibungsamt
das Begehren ab. Eine von A. hiegegen erhobene Beschwerde wurde
durch das Bezirksgerichtspräsidium Y. als untere Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit Entscheid vom 17. November 1982
abgewiesen, durch die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom
23. Dezember 1982 dagegen gutgeheissen.

    Die Z. AG hat gegen den Entscheid der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts rekurriert mit dem Antrag, sie sei nicht zur Rückschaffung
des von ihr am 24. September 1982 abgepumpten Heizöls zu verpflichten.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 284 SchKG können heimlich oder gewaltsam fortgeschaffte
Retentionsgegenstände in den ersten zehn Tagen nach der Fortschaffung in
die vermieteten oder verpachteten Räumlichkeiten zurückgeholt werden. Die
Anwendbarkeit dieser Bestimmung wird von der Rekurrentin dem Grundsatze
nach nicht in Zweifel gezogen. Hingegen ist die Rekurrentin der Ansicht,
das strittige Heizöl sei gar nicht retinierbar.

    Die Tragweite des Retentionsrechtes des Vermieters ergibt sich
aus Art. 272 OR, und es ist darüber vom Betreibungsamt und von den
vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden vorfrageweise zu befinden
(vgl. BGE 82 III 80 E. 2).

Erwägung 2

    2.- Der Vermieter einer unbeweglichen Sache hat gemäss Art.  272 Abs. 1
OR für einen verfallenen Jahreszins und den laufenden Halbjahreszins ein
Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten
Räumen befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören. Der
räumliche Zusammenhang, der zwischen der fraglichen Sache und dem
Mietobjekt bestehen muss, darf nicht bloss zufälliger Natur sein;
er muss eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen, wobei er allerdings
nicht notwendigerweise während der ganzen Mietdauer vorhanden zu sein
braucht. Ob der Gegenstand zur Einrichtung oder Benutzung der Mieträume
gehört, beurteilt sich nach der Art der Räume und nach dem Gebrauch,
den der Mieter davon macht (vgl. BGE 106 II 43 f. E. 1a und b).

    Die Rekurrentin bestreitet sinngemäss, dass es sich beim fraglichen
Heizöl um eine Sache handelt, die zur Einrichtung oder Benutzung der
Hotelliegenschaft gehört. Wie die Vorinstanz mit Recht festhält, ist beim
strittigen Heizöl der vom Gesetz verlangte räumliche und bestimmungsmässige
Zusammenhang mit dem Mietobjekt indessen ohne weiteres gegeben. Das Heizöl
war in dem zur Hotelliegenschaft gehörenden Tank gelagert worden. Sodann
ist es zur vertragsgemässen Benutzung der Hotelliegenschaft während der
kalten Jahreszeit und auch für die Warmwasseraufbereitung unbedingt
notwendig. Das Heizöl steht in einer unmittelbaren Beziehung zu den
gemieteten Räumlichkeiten, und nicht etwa nur zu den darin lebenden
Personen, wie dies beispielsweise bei Kleidungsstücken, Sportgeräten,
Reisekoffern oder Musikinstrumenten des Mieters der Fall wäre (vgl. BGE
79 III 78 oben; 59 III 69).

Erwägung 3

    3.- Die Unzulässigkeit einer Retention des Heizöls leitet die
Rekurrentin andererseits offenbar auch daraus ab, dass gemäss Art. 92
Ziff. 5 SchKG die einem Schuldner und seiner Familie für zwei Monate
notwendigen Feuerungsmittel unpfändbar sind und dass gemäss Art. 272
Abs. 3 OR das Retentionsrecht ausgeschlossen ist an Sachen, die durch die
Gläubiger des Mieters nicht gepfändet werden könnten. Die Vorinstanz hat
indessen das strittige Heizöl mit zutreffender Begründung als pfändbaren
Vermögenswert bezeichnet. Die aus den gemieteten Hotelräumlichkeiten
ausgewiesene Mieterschaft bedarf des in Art. 92 Ziff. 5 SchKG vorgesehenen
Schutzes in der Tat nicht mehr.

Erwägung 4

    4.- Aus dem Gesagten erhellt, dass die Voraussetzungen des Art. 272
Abs. 1 OR im vorliegenden Fall erfüllt waren und dass die vorinstanzliche
Gutheissung des Gesuchs von A. um Rückschaffung des Heizöls auch
sonst nicht gegen Bundesrecht verstösst. Dass das Heizöl nicht in die
Retentionsurkunde aufgenommen worden war, ist hier ohne Bedeutung. Der
dem Vermieter durch Art. 284 SchKG gewährte Schutz kommt übrigens vor
allem in solchen Fällen zum Tragen (BGE 97 III 80 E. 1a am Ende). Die
Rekurrentin versucht denn auch gar nicht, aus der fehlenden Aufnahme des
Heizöls in die Retentionsurkunde etwas zu ihren Gunsten abzuleiten.