Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 14



109 III 14

5. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 20. April 1983 i.S. Bär (Rekurs) Regeste

    Pfändungsankündigung.

    1. Beginn der Beschwerdefrist gegen die Pfändungsankündigung bei
Widerruf des Rückzugs des Rechtsvorschlages (E. 1 und 2).

    2. Wurde dem Schuldner in einer Verfügung unmissverständlich
die Fortsetzung der Betreibung angekündigt, löst auch die mehrmalige
Verschiebung der angekündigten Pfändung keine neue Beschwerdefrist aus
(E. 5).

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 64705 des Betreibungsamtes Zürich 11
machte die Banque de Dépôts et de Gestion (BDG) am 27. August 1981 gegen
Werner Bär einen Betrag von Fr. 770'000.-- geltend. Sie berief sich auf
zwei Solidarbürgschaften vom 30. Januar und vom 30. Juli 1980. Gegen
den Zahlungsbefehl erhob Kurt Bär namens und auftrags seines Vaters
vollständigen Rechtsvorschlag. Am 5. November 1981 sandte die BDG
dem Betreibungsamt Zürich 11 ein mit "Vereinbarung" bezeichnetes
und von Werner und Kurt Bär am 4. November 1981 unterzeichnetes
Schriftstück, wonach die Unterzeichneten den Rechtsvorschlag gegen die
BDG zurückziehen, ohne aber zu präzisieren, um welche Betreibung es
sich dabei handelt. Im Begleitschreiben vom 5. November 1981 erklärte
die BDG, dass der Rückzug des Rechtsvorschlags die Betreibung Nr.
64705 betreffe. Sie verlangte deshalb am 17. Februar 1982 die Fortsetzung
der Betreibung. Das Betreibungsamt sandte Werner Bär noch am gleichen
Tage die Pfändungsanzeige. Am 18. Februar 1982, um 13.00 Uhr, gab Kurt
Bär bei der Post einen am 15. Februar 1982 datierten Expressbrief auf,
welcher am gleichen Tage um 15.55 Uhr beim Betreibungsamt eintraf. Darin
verwies er darauf, dass er namens und auftrags seines Vaters gegen
den Zahlungsbefehl der BDG Rechtsvorschlag erhoben hatte. Weiter fügte
er bei: "Nun hat sich die Bank mit unwahren Angaben einen Rückzug des
Rechtsvorschlages erschlichen. Dieser ist ungültig. Wir halten nach wie
vor den Rechtsvorschlag aufrecht. Wir bitten um Kenntnisnahme..." Noch am
gleichen 18. Februar 1982 antwortete das Betreibungsamt Kurt Bär mittels
eingeschriebenem Brief, dass die Betreibende ihm am 6. November den Rückzug
des Rechtsvorschlags habe zukommen lassen. Es könne nunmehr den Widerruf
dieses Rückzugs nicht mehr berücksichtigen (BGE 62 III N. 38). Um geltend
zu machen, dass die Betreibende ihn mit unwahren Angaben zum Rückzug des
Rechtsvorschlags bewogen habe, müsse er sich an die Strafbehörde wenden
(BGE 75 III N. 111). Demzufolge müsse an der auf den 22. Februar 1982
angesetzten Pfändung festgehalten werden.

    In der Folge liess Kurt Bär in mehreren Telefongesprächen mit dem
Betreibungsamt durchblicken, dass das Fortsetzungsbegehren wegen Zahlungen
an die Gläubigerin zurückgezogen würde. Das Betreibungsamt schritt deshalb
nicht zur Pfändung, verfügte aber am 12. März 1982 die Eintragung einer
Verfügungsbeschränkung für eine Liegenschaft von Werner Bär, welcher vom
Grundbuchführer von Oerlikon-Zürich Folge gegeben wurde. Am 16. März
1982 liess Kurt Bär dem Betreibungsamt einen Brief der BDG zukommen,
worin sich diese mit der Einstellung des Betreibungsvollzugs bis zum
25. März 1982 einverstanden erklärte. Ende Nachmittag dieses Tages teilte
das Betreibungsamt Kurt Bär mit, dass die Pfändung am 26. März 1982
vollzogen werde, wenn die versprochene Zahlung nicht getätigt werde. Kurt
Bär antwortete, der Rückzug des Fortsetzungsbegehrens werde am nächsten
Tag bei ihm eintreffen. Dies traf dann nicht zu.

    Mit Beschwerde vom 29. März 1982 bei der unteren kantonalen
Aufsichtsbehörde beantragte Werner Bär, die Fortsetzung der Betreibung
Nr. 64705 mit der Pfändungsankündigung vom 17. Februar 1982 sei
für ungültig zu erklären. Mit Beschluss vom 25. Juni 1982 hiess das
Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde gut und
lud das Betreibungsamt ein, die Betreibung Nr. 64705 einzustellen. Die
Pfändungsanzeige vom 17. Februar 1982 und die im Grundbuch eingetragene
Verfügungsbeschränkung wurden aufgehoben.

    Gegen diesen Beschluss rekurrierte die BDG bei der oberen
Aufsichtsbehörde, die der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
erteilte. Mit Beschluss vom 18. März 1983 hiess die obere Aufsichtsbehörde
die Beschwerde gut und erklärte die Beschwerde Werner Bärs an die untere
Aufsichtsbehörde als unzulässig. Sie wies das Betreibungsamt an, die
Betreibung Nr. 64705 fortzusetzen und bestätigte die provisorisch im
Grundbuch eingetragene Verfügungsbeschränkung.

    Mit Rekurs vom 6. April an das Bundesgericht beantragt Werner Bär,
den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde aufzuheben, die Beschwerde vom
29. März 1982 an das Bezirksgericht Zürich als rechtzeitig erhoben zu
qualifizieren und demgemäss das Obergericht anzuweisen, einen materiellen
Entscheid zu fällen.

    Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Der Streit geht um die Frage, ob die Beschwerde Bärs vom
29. März 1982 rechtzeitig erhoben wurde. Diese Frage fällt zusammen mit der
Frage, wann die Beschwerdefrist gegen die Pfändungsankündigung zu laufen
begann. Nach Meinung des Obergerichts und des Betreibungsamtes Zürich
11 war die Mitteilung des Betreibungsamtes vom 18. Februar 1982, worin
dem Schuldner unmissverständlich gesagt worden sei, die Betreibung nehme
ihren Fortgang, die für die Auslösung der Beschwerdefrist massgebliche
Verfügung. Der Rekurrent vertritt demgegenüber die Auffassung, diese
Frist habe erst mit der Zustellung der Pfändungsurkunde begonnen. Er
beruft sich dabei auf die Rechtsprechung in den BGE 75 III 88, 85 III 18
und 101 III 10, wonach die Beschwerde zwar nach der Pfändungsankündigung
erhoben werden könne, aber auch noch während den zehn der Zustellung der
Pfändungsurkunde folgenden Tagen zulässig sei.

    b) Nach der Rechtsprechung beginnt die Frist für die Beschwerde, mit
der geltend gemacht wird, das Betreibungsamt habe das Vorliegen eines
gültigen Rechtsvorschlags zu Unrecht verneint, erst mit der Zustellung
der Pfändungsurkunde zu laufen, es sei denn, das Betreibungsamt habe dem
Schuldner seinen Entscheid über die Gültigkeit des Rechtsvorschlags schon
vor der Fortsetzung der Betreibung durch eine formelle Verfügung eröffnet
(BGE 101 III 10 mit Verweisen). Im vorliegenden Fall hat das Betreibungsamt
dem Schuldner mit eingeschriebenem Brief vom 18. Februar 1982 mitgeteilt,
dass es den Widerruf des Rückzugs des Rechtsvorschlags nicht beachten
und an der für den 22. Februar 1982 angekündigten Pfändung festhalten
werde. Es stellt sich die Frage, ob dieser Brief des Betreibungsamtes
als eine Verfügung über die Frage der Gültigkeit des Rechtsvorschlags zu
betrachten sei.

Erwägung 2

    2.- Als Verfügungen des Betreibungsamtes, die gemäss Art. 17
SchKG binnen zehn Tagen seit Kenntnisnahme angefochten werden müssen,
sofern sie nicht in Rechtskraft treten sollen, sind nicht bloss die
vom Betreibungsamt getroffenen Anordnungen und Massnahmen anzusehen,
sondern es gilt als Verfügung auch die Ablehnung einer von Beteiligten
verlangten oder sonstwie in Betracht kommenden Anordnung oder Massnahme,
sofern die Ablehnung ausdrücklich ausgesprochen wird oder sich aus dem
Vorgehen des Betreibungsamtes unzweifelhaft ergibt (BGE 85 III 9 mit
Hinweisen, vgl. auch BGE 96 III 44 E. 2c, 94 III 88 E. 2).

    Das Schreiben des Betreibungsamtes vom 18. Februar 1982 fällt
ganz offensichtlich unter diese Umschreibung der beschwerdefähigen
Verfügung. Auf das Schreiben Kurt Bärs, worin dieser den Rückzug des
Rechtsvorschlags als durch die Bank mit unwahren Angaben erschlichen und
deshalb ungültig bezeichnete und worin er ausdrücklich den Rechtsvorschlag
aufrecht hielt, antwortete das Betreibungsamt unverzüglich, es könne
diesen Widerruf des Rückzugs nicht beachten. Es wies damit die von Kurt
Bär implizit verlangte Anwendung von Art. 78 SchKG, die Einstellung
der Betreibung, unmissverständlich ab. Dieser Entscheid wurde dem
Gesuchsteller durch eingeschriebenen Brief zugestellt, wie es Art. 34
SchKG verlangt. Soweit der Betriebene diese Entscheidung anfechten
wollte, musste er es innert der in Art. 17 Abs. 2 SchKG vorgeschriebenen
zehntägigen Frist tun (vgl. AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, S. 115, Ziff. VI). Angesichts des ihm am gleichen Tage
zugestellten Entscheids des Betreibungsamtes musste es dem Betriebenen
klar sein, dass das Betreibungsamt die Betreibung nicht als durch einen
gültigen Rechtsvorschlag eingestellt betrachtete. Er durfte sich deshalb
nicht darauf verlassen, das Betreibungsamt werde diese Mitteilung nochmals
zusammen mit der Zustellung der Pfändungsurkunde wiederholen, damit er
sie dann allenfalls anfechten könne.

Erwägung 5

    5.- Der Rekurrent wendet weiter ein, das Betreibungsamt sei auf
seinen Entscheid vom 17./18. Februar 1982, die Pfändung am 22. Februar
1982 zu vollziehen, zurückgekommen und habe auf Intervention der Parteien
die Pfändung immer wieder verschoben und erst am 25. März 1982 auf den
folgenden Tag angesetzt, aber auch dann nicht vollzogen. Die Folgerung,
welche der Rekurrent aus diesen Verschiebungen der Pfändung zieht,
nämlich dass er keine endgültige Klarheit gehabt habe, ob die Betreibung
überhaupt fortgesetzt werde und die Beschwerdefrist deshalb noch nicht
ausgelöst worden sei, ist nicht schlüssig. Zwar trifft es zu, dass das
Betreibungsamt aufgrund einer fragwürdigen Praxis (vgl. dazu BGE 85 III
70, 94 III 79/80 E. 2) die Pfändung nicht an dem dafür angekündigten Tag
vollzog, sondern dem Begehren des Schuldners auf Verschiebung entsprach,
weil das Fortsetzungsbegehren demnächst zurückgezogen werde. Damit gab
das Betreibungsamt aber in keiner Weise zu erkennen, dass es über die
Gültigkeit des Rückzugs des Rechtsvorschlags irgendwelche Zweifel hege und
dass es deshalb die Einstellung der Betreibung in Erwägung ziehe. Was den
Pfändungsvollzug verzögerte, war einzig der von beiden Parteien in Aussicht
gestellte allfällige Rückzug eines an sich gültigen Fortsetzungsbegehrens.

Entscheid:

                     Demnach erkennt die
            Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen, soweit auf ihn einzutreten ist.