Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 107



109 III 107

30. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 26. Oktober 1983 i.S. G. (Rekurs) Regeste

    Sicherheitsleistung bei einer Steigerung; Art. 45 Abs. 1 lit.  e VZG.

    1. Es ist nicht bundesrechtswidrig, in den Steigerungsbedingungen
für einen bestimmten Betrag Barzahlung und für den Restpreis
Sicherheitsleistung vorzusehen. In diesem Falle hat der Steigerungsleiter
die mit dem Zuschlag verbundenen Kosten zu schätzen und die zu verlangende
Sicherheit dementsprechend anzusetzen (E. 3).

    2. Bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit eines Steigerers darf
der Steigerungsleiter dessen Steuerkraft und die Tatsache, dass von ihm
beherrschte Gesellschaften zahlungsunfähig sind, mitberücksichtigen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Am 15. Juni 1983 wurde die der P. G. AG gehörende Liegenschaft
an der Goldauerstrasse in Zürich versteigert. Die Steigerungsbedingungen
sahen unter Ziff. 10 vor:

    "10. Die Barzahlung nach Ziff. 7 und 8 hiervor sind wie folgt zu
   leisten:

    Fr. 50'000.-- in bar oder in einem Bankcheck einer schweizerischen

    Grossbank, oder der Zürcher Kantonalbank, an die Order des
Betreibungsamtes

    Zürich 5 (keine Privatcheks), anlässlich der Steigerung unmittelbar vor
   dem Zuschlag. Den Rest auf spezielle Aufforderung des Betreibungsamtes
   hin, welche nach Eintritt der Rechtskraft des Zuschlages erlassen
   wird, unter

    Ansetzung einer zehntägigen Zahlungsfrist.

    Wird ein Zahlungstermin bewilligt, so ist die gestundete Summe bis zur

    Zahlung zu 5% zu verzinsen. Das Betreibungsamt behält sich das
Recht vor,
   neben der vor dem Zuschlag zu leistenden Barzahlung noch Sicherheit
   für den gestundeten Betrag durch Bürgschaft oder Hinterlage von
   Wertpapieren zu verlangen. Kann oder will der Bieter einer solchen
   Aufforderung an der

    Steigerung keine Folge leisten, so fällt sein Angebot dahin, und
es wird
   durch dreimaliges Ausrufen des nächst tieferen Angebotes die Steigerung
   fortgesetzt (VZG Art. 60 Abs. 2). Jeder Bieter bleibt bei seinem
   Angebote so lange behaftet, als nicht dem Höherbietenden der Zuschlag
   erteilt ist."

    Bei der Steigerung machte M. G. das mit Fr. 10'247'000.-- höchste
Angebot, weshalb der Zuschlag an ihn erfolgen sollte. G. leistete die
vorgesehene Barzahlung von Fr. 50'000.--. Auf die Aufforderung des
Gantleiters, für den Restpreis Sicherheit zu leisten, legte er jedoch
nur eine kaum lesbare Fotokopie eines angeblichen Kreditbriefes vor.
Dieses Schriftstück wurde nicht als Sicherheit anerkannt, weil es weder
eine Bürgschaft zum Inhalt habe, noch ein Wertpapier darstelle. Der
Gantleiter griff deshalb auf das mit Fr. 10'197'000.-- nächsttiefere
Angebot der Gebrüder M. zurück und schlug, da dieses Angebot nicht
mehr überboten wurde, das Grundstück diesen zu. Er verzichtete auf eine
Sicherheitsleistung, da ihm die "Bonität der Gebrüder M. bekannt" sei.

    Die gegen den Zuschlag erhobenen Beschwerden von G. wurden von beiden
kantonalen Aufsichtsbehörden abgewiesen. Mit fristgerechtem Rekurs an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt
G., den angefochtenen Beschluss der II. Zivilkammer des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 30. September 1983 und den Zuschlag des umstrittenen
Grundstücks an die Gebrüder M. aufzuheben.

    Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Rekurrent macht zunächst geltend, die Steigerungsbedingungen
seien bundesrechtswidrig. Auf diese Rüge kann grundsätzlich nicht mehr
eingetreten werden, weil sie verspätet ist. Tatsächlich hat der Rekurrent
während der öffentlichen Auflage der Steigerungsbedingungen dagegen keine
Beschwerde erhoben. Ebenso liess er sich anlässlich der Steigerung, als
die Bedingungen vorgelesen wurden, nicht verlauten, sondern unterwarf sich
ihnen stillschweigend und machte selber mehrere Angebote. Soweit er sich
somit gegen die Steigerungsbedingungen als solche wendet, kann er nicht
mehr gehört werden. Soweit er allerdings geltend macht, er habe vor der
Steigerung nicht wissen können, dass der Gantleiter diese Bedingungen
bundesrechtswidrig auslegen und anwenden werde, ist seine Rüge zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Meinung des Rekurrenten ergibt sich aus Art.  45 Abs. 1
lit. e VZG, dass Barzahlung und Sicherheitsleistung nicht kumulativ,
sondern nur alternativ verlangt werden dürfen. Eine Sicherheitsleistung ist
tatsächlich ausgeschlossen, wenn die Barzahlung des ganzen Zuschlagspreises
verlangt wird. Hingegen ist nicht einzusehen, weshalb das Verlangen von
Sicherheiten ausgeschlossen sein sollte, wenn - wie im vorliegenden Fall -
nur eine relativ kleine Anzahlung in bar verlangt wird. Ebensowenig ist
ersichtlich, weshalb zwar Sicherheiten für den ganzen Zuschlagspreis sollen
verlangt werden dürfen, nicht aber für einen - selbst beträchtlichen -
Teil desselben. Eine solche Auslegung von Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG wäre
offensichtlich unvernünftig.

    b) Der Rekurrent bemerkt zu Recht, dass der genaue Betrag des
Zuschlagspreises erst nach dem rechtskräftigen Zuschlag ausgerechnet werden
könne, weil vom Betrag des höchsten Angebots zum Teil andere gemäss Art. 8
der Steigerungsbedingungen mit dem Zuschlag zu übernehmende Kosten der
Verwertung und der Eigentumsübertragung sowie die Steuern abhängen. Er geht
jedoch fehl, wenn er aus dieser Tatsache ableitet, Ziffer 10 Absatz 1 der
Steigerungsbedingungen müsse so verstanden werden, dass vom Ersteigerer
nur dann Sicherheiten verlangt werden können, wenn er den Restpreis
nicht innert der vom Betreibungsamt nach Eintritt der Rechtskraft des
Zuschlages angesetzten zehntägigen Zahlungsfrist begleiche. Gegen eine
solche Auslegung spricht nebst dem Zweck der Sicherheitsleistung auch
Absatz 3 derselben Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen. Danach behält
sich das Betreibungsamt das Recht vor, "neben der vor dem Zuschlag zu
leistenden Barzahlung noch Sicherheit ... zu verlangen". Würde der Ansicht
des Rekurrenten gefolgt, so hätte zudem die Bestimmung in Art. 45 Abs. 1
lit. e VZG keinen Sinn, wonach für den Fall, dass die Sicherheit an der
Steigerung selbst verlangt wird, der Zuschlag von ihrer Leistung abhängig
zu machen ist. Da der endgültige Zuschlagspreis vor dem Zuschlag nicht
genau bestimmbar ist, könnte dafür nie Sicherheit verlangt werden. Die
Auslegung des Rekurrenten würde demnach zu einer Aushöhlung der zwingenden
Vorschriften gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG und zu einem Circulus
vitiosus führen, wie er vom Verordnungsgeber sicher nicht beabsichtigt
war. Das einzig vernünftige, sowohl Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG als auch
Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen entsprechende Vorgehen besteht darin,
die mit dem Zuschlagspreis verbundenen Kosten zu schätzen und die zu
verlangende Sicherheit dementsprechend anzusetzen.

    c) Der Rekurrent beschwert sich auch darüber, dass die angefochtene
Auslegung von Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen nicht üblich sei. Er
unterlässt es jedoch, aufzuzeigen, worin das Unübliche am gerügten
Vorgehen liegen und was daran allenfalls bundesrechtswidrig sein
soll. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, können die vorgedruckten
Steigerungsbedingungen nicht als unüblich bezeichnet werden. Zudem
entsprechen sie den Art. 45 Abs. 1 lit. e und 60 Abs. 2 VZG, die sich
beide auf Art. 137 letzter Satz SchKG stützen.

Erwägung 4

    4.- Der Rekurrent macht weiter sinngemäss geltend, der Gantleiter
habe sein Ermessen missbraucht und gegen die Interessen von
Gläubiger und Schuldner gehandelt, weil er ihn als Höchstbietenden
beim Zuschlag übergangen habe. Von einer Verletzung der Gläubiger-
und Schuldnerinteressen könnte aber nur gesprochen werden, wenn der
Höchstbietende auch Gewähr für die Zahlung des Zuschlagspreises böte. Kann
dieser jedoch diesen Preis nicht bezahlen, so dass die Übertragung
der Liegenschaft rückgängig gemacht und eine neue Steigerung angesetzt
werden muss, sind die Interessen der Gläubiger und Schuldner durch die
sich daraus ergebenden Verzögerungen verletzt, und zwar selbst dann,
wenn der reuige oder insolvente Ersteigerer für den Ausfall und allen
weiteren Schaden samt Zinsen gemäss Art. 143 Abs. 2 SchKG aufkommen
könnte. Gerade um diese Nachteile zu vermeiden, sieht Art. 60 Abs. 2 VZG
vor, dass die Steigerung fortgesetzt wird, wenn der Höchstbietende die
Steigerungsbedingungen nicht erfüllt.

Erwägung 5

    5.- Der Rekurrent wirft dem Gantleiter auch vor, er habe sich beim
Entscheid, Sicherheit von ihm zu verlangen, auf sachfremde Kriterien
gestützt und sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Er dürfe nicht
mit "seinen Firmen", bei denen es sich um selbständige Aktiengesellschaften
handle, identifiziert werden. Die Kreditwürdigkeit dieser Firmen und
namentlich auch die Zahlungsunfähigkeit der betriebenen P. G. AG hätten
bei der Beurteilung seiner Solvenz keine Rolle spielen dürfen. Es liege
somit eine Ermessensüberschreitung vor.

    Weder das Betreibungsamt noch die beiden Aufsichtsbehörden
haben die vom Rekurrenten bestrittene Identität je angenommen. Die
behauptete Bundesrechtsverletzung ist deshalb gegenstandslos. Trotzdem
ist festzuhalten, dass die zweifelhafte Zahlungsfähigkeit der dem
Rekurrenten "gehörenden" Firmen ein Indiz für seine eigene zweifelhafte
Zahlungsfähigkeit sein kann. Der Gantleiter konnte dieses Indiz sehr
wohl mitberücksichtigen. Es verlöre nur dann an Bedeutung, wenn andere
Umstände die finanzielle Lage des Rekurrenten als derart gesichert
erscheinen liessen, dass er imstande wäre, kurzfristig mehr als zehn
Millionen Schweizerfranken zu bezahlen. Der Rekurrent unterlässt jedoch
entsprechende Hinweise. Er unterlässt es auch, im Rekurs darzulegen,
weshalb er gemäss den eigenen Steuererklärungen in den letzten Jahren
weder über Einkommen noch über Vermögen verfügte. Unter diesen Umständen
kann dem Gantleiter und den Aufsichtsbehörden nicht vorgeworfen werden,
sie hätten ihr Ermessen überschritten, wenn sie vom Rekurrenten vor
dem Zuschlag der Liegenschaft Sicherheit verlangten. Dem Bundesgericht
steht es im Rekursverfahren gemäss Art. 19 SchKG hinsichtlich der
Ermessensbetätigung der kantonalen Behörden nicht zu, mehr als dessen
Missbrauch oder Überschreitung zu prüfen. Insbesondere hat es nicht
darüber zu befinden, ob ein Entscheid angemessen sei (BGE 105 III 76,
104 III 78, 101 III 54 mit Verweisen).

Erwägung 6

    6.- Schliesslich beklagt sich der Rekurrent über ungleiche Behandlung,
weil von ihm Sicherheiten verlangt worden seien, von den Gebrüdern M. aber
nicht. Der Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung besagt, dass Gleiches
nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe
seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln ist (BGE 88 I 159, 86 I 279). Im
vorliegenden Fall wurde für das Bundesgericht verbindlich festgestellt,
dass der Gantleiter die Gebrüder M. kannte und namentlich auch wusste, dass
gegen die in seinem Betreibungskreis domizilierten Firmen, welche von ihnen
beherrscht werden, in den vergangenen Jahren nie betreibungsrechtliche
Massnahmen getroffen werden mussten. Im Vergleich dazu ergaben sich beim
Rekurrenten Anzeichen, die berechtigten Anlass gaben, an der Möglichkeit
des Rekurrenten zu zweifeln, innert zehn Tagen über zehn Millionen Franken
aufbringen zu können. Eine ungleiche Behandlung der Steigerer rechtfertigte
sich daher auch unter dem Gesichtspunkt der rechtsgleichen Behandlung.