Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 III 1



109 III 1

1. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 28. März 1983 i.S. X. (Rekurs) Regeste

    Zustellung eines Zahlungsbefehls (Art. 64 Abs. 1 SchKG).

    Ein Zahlungsbefehl gilt grundsätzlich auch dann als zugestellt, wenn
der Hausgenosse des Schuldners, dem der Betreibungsbeamte die Urkunde
übergeben will, die Annahme verweigert. (Frage offen gelassen, ob ein
Hausgenosse oder Angestellter des Schuldners unter gewissen Umständen
befugt sei, die Annahme einer Betreibungsurkunde zu verweigern und damit
eine rechtsgültige Zustellung zu verhindern.)

Sachverhalt

    A.- Nachdem verschiedene Gläubiger gegen X. Betreibungen eingeleitet
hatten, begab sich der Betreibungsbeamte von Z. am 8. Oktober 1982 zur
Wohnung des Betreibungsschuldners, um die Zahlungsbefehle zuzustellen. Er
traf hier einzig die Ehefrau des Schuldners, die sich weigerte, die
Zahlungsbefehle entgegenzunehmen. In der Folge sandte das Betreibungsamt
die Zahlungsbefehle per Post an die gleiche Adresse sowie an eine weitere
Adresse, die ihm von X. mitgeteilt worden war.

    Mit der Post am 1. November 1982 übergebener Eingabe vom gleichen
Datum liess X. Recht vorschlagen.

    Durch Verfügung vom 2. November 1982 wies das Betreibungsamt den
Rechtsvorschlag als verspätet zurück.

    Beide kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen bestätigten die betreibungsamtliche Verfügung.

    Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat X. an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert
mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid und die Verfügung
des Betreibungsamtes Z. vom 2. November 1982 seien aufzuheben und das
Betreibungsamt sei anzuweisen, den von ihm am 1. November 1982 erklärten
Rechtsvorschlag als rechtzeitig erfolgt zuzulassen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung
zugestellt; wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung
an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an
einen Angestellten geschehen (Art. 64 Abs. 1 SchKG). Dass sich sein
Wohnsitz in Z. befindet und dass er am 8. Oktober 1982, als ihm der
Betreibungsbeamte die Zahlungsbefehle übergeben wollte, nicht in seiner
Wohnung in Z. war, bestreitet der Rekurrent nicht. Er ist jedoch der
Ansicht, die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung im Sinne einer
Übergabe der Zahlungsbefehle an seine Ehefrau seien nicht erfüllt gewesen.

    a) Der Rekurrent weist darauf hin, dass gemäss Art. 64 Abs. 1 SchKG
das Betreibungsamt zwar die Möglichkeit habe, eine Betreibungsurkunde
durch Übergabe beispielsweise an die Ehefrau des Schuldners zuzustellen,
dass es hierzu jedoch keineswegs verpflichtet sei. Es trifft zu,
dass der Betreibungsbeamte ... die Zahlungsbefehle am 8. Oktober 1982
ohne vorgängigen Versuch, sie der Ehefrau des Rekurrenten zu übergeben,
wieder hätte mitnehmen können und dass er alsdann hätte versuchen können,
den Rekurrenten zu einem späteren Zeitpunkt persönlich zu erreichen. Wenn
er es vorzog, die Zahlungsbefehle der Ehefrau auszuhändigen (welche die
Annahme allerdings verweigerte) und so von einer im Gesetz ausdrücklich
vorgesehenen Zustellungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, hat er indessen
in keiner Weise Bundesrecht verletzt.

    b) Sodann macht der Rekurrent geltend, dass seine Ehefrau
nicht gehalten gewesen sei, die für ihn bestimmten Zahlungsbefehle
entgegenzunehmen; eine derartige Pflicht sehe das Gesetz nicht vor;
es dürfe zudem nicht in jedem Fall vermutet werden, dass die in Art. 64
Abs. 1 SchKG genannten Personen zur Entgegennahme von Betreibungsurkunden
zu Handen des Schuldners ermächtigt seien. Auch diese Vorbringen
sind unbehelflich. Dass der Schuldner eine ihm persönlich übergebene
Betreibungsurkunde anzunehmen habe, ergibt sich auch nicht ausdrücklich
aus dem Gesetz. Dennoch ist davon auszugehen, dass eine solche Pflicht
besteht, gilt doch eine Betreibungsurkunde, deren Annahme der Schuldner
verweigert, nach der Rechtsprechung grundsätzlich als zugestellt (vgl. BGE
91 III 44 E. 2 am Ende; 90 III 10 oben, je mit Hinweisen). Das gleiche
trifft auch bezüglich der in Art. 64 Abs. 1 SchKG genannten Hausgenossen
und Angestellten des Schuldners zu (vgl. BGE 96 III 6 E. 1; 91 III 44
E. 2). Erlangt der Schuldner im Falle der Übergabe an einen Hausgenossen
oder an einen Angestellten erst nach Ablauf der zehntägigen Frist des
Art. 74 SchKG von einem Zahlungsbefehl Kenntnis, steht ihm allenfalls der
Weg des nachträglichen Rechtsvorschlages im Sinne von Art. 77 SchKG offen.

    Ob eine der im Gesetz erwähnten Drittpersonen unter gewissen Umständen
befugt sei, die Annahme einer Betreibungsurkunde zu verweigern und damit
eine rechtsgültige Zustellung zu verhindern, braucht hier nicht erörtert
zu werden. Sollte der Rekurrent nämlich geltend machen wollen, seine
Ehefrau habe die Entgegennahme der Zahlungsbefehle deshalb verweigert,
weil sie ihn davon nicht rechtzeitig hätte in Kenntnis setzen können,
fänden seine Vorbringen in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
keine Stütze. Der Rekurrent führt in diesem Zusammenhang sodann aus,
die Vorinstanz habe ihm in willkürlicher Weise unterstellt, dass er
zwecks Zustellungsvereitelung seine Ehefrau angewiesen habe, keine
Betreibungsurkunden entgegenzunehmen. Dass er im kantonalen Verfahren
Gründe für die Annahmeverweigerung durch seine Ehefrau genannt und
entsprechende Beweise anerboten habe, bringt er indessen nicht vor.
Eine Verletzung von Bundesrecht (insbesondere von Art. 8 ZGB) ist unter
diesen Umständen nicht dargetan.

    c) Mit Recht hat die Vorinstanz festgehalten, die schriftliche
Mitteilung des Rekurrenten an das Betreibungsamt vom 2. September
1982, Gerichtsurkunden könnten ihm an eine bestimmte Adresse
... zugestellt werden, sei nicht geeignet gewesen, die gesetzlichen
Zustellungsvorschriften ausser Kraft zu setzen. Ein Betreibungsschuldner
kann nicht nach seinem Belieben verlangen, dass Zustellungen an einem
andern Ort vollzogen werden als am Wohnsitz. Eine Abweichung von diesem
Grundsatz sieht zwar Art. 66 SchKG vor, jedoch nur für den Fall, dass
der Schuldner nicht am Orte der Betreibung wohnt. Dies trifft nach den
für die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz hier nicht zu.