Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IB 253



109 Ib 253

43. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4.
November 1983 i.S. Gemeinde Jenaz und Mitbeteiligte gegen Generaldirektion
PTT (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Begriff der Verfügung i.S. von Art. 97 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG.

    Organisatorische Anordnungen (hier: Umbenennung einer Poststelle)
gelten nicht als Verfügungen i.S. von Art. 5 Abs. 1 VwVG, weil niemandem
gegenüber Rechte und Pflichten begründet werden. Derartige Anordnungen
können daher nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

Sachverhalt

    A.- Im Prättigau gibt es unter der Postleitzahl 7299 zwei verschiedene
Poststellen, nämlich "Furna-Dorf" und "Furna-Station". Die erste bedient
Gebiet der Gemeinde Furna, die zweite Gebiet der Gemeinde Jenaz (neben
der Poststelle 7233 Jenaz). Einwohner von Furna-Dorf regten zur Behebung
einer geltend gemachten Verwechslungsgefahr an, für die Poststelle
"Furna-Station" auf den alten Ortsnamen "Pragmartin" zurückzukommen
und es für die Bezeichnung des Dorfes beim einfachen Namen "Furna"
bewenden zu lassen. Darauf schlug die Kreispostdirektion Chur folgende
Bezeichnungen vor:

    - 7231 Furna-Station (für die Fraktion der Gemeinde Jenaz im Gebiet
Planfieb/Pragmartin);

    - 7232 Furna (anstatt der Bezeichnung Furna-Dorf).

    Nachdem die Gemeindeversammlung von Furna diesen Vorschlag abgelehnt
hatte, forderte die Kreispostdirektion Chur die Gemeinde Jenaz auf,
zum Problem der Umbenennung der Poststelle Furna-Station Stellung zu
nehmen. In der Folge beantragte die Gemeinde Jenaz, auf eine Änderung der
Poststellen-Bezeichnung zu verzichten; eventuell sei der Name "Prag-Jenaz"
zu wählen.

    Hierauf teilte die Kreispostdirektion Chur dem Gemeindevorstand
Jenaz "Namens und im Auftrag der Generaldirektion der Schweizerischen
PTT-Betriebe" mit, die Poststelle Furna-Station werde auf den 1. Januar
1984 gemäss dem Eventualantrag in "7231 Prag-Jenaz" umbenannt.

    Gegen diese Umbenennung richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
der Gemeinde Jenaz und von zehn Einwohnern dieser Gemeinde im Gebiet
Furna-Station.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein, und zwar
u.a. aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des
Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG) vom 20. Dezember 1968
(Art. 97 Abs. 1 OG). Gemäss Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen
"Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht
des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
   a) Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;

    b) Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von
Rechten oder Pflichten;

    c) Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder
Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder Nichteintreten auf solche
Begehren".

    Daraus ergibt sich, dass eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1
VwVG die Begründung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten zur
Folge hat, also die Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mittels der
Verfügung wird eine konkrete Berechtigung oder eine bestimmte Verpflichtung
begründet bzw. festgestellt (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege,
2. Aufl. 1983, S. 128). Diese Definition entspricht auch der
Begriffsumschreibung der Verfügung, welche Praxis und Lehre ausserhalb
des Bereichs des VwVG getroffen haben, indem sie die Verfügung als
individuellen, an den einzelnen gerichteten Hoheitsakt definieren, durch
den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend
oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt wird
(BGE 104 Ia 29 E. d).

    b) Bei organisatorischen Anordnungen liegt keine Regelung eines
Rechtsverhältnisses vor, "weil niemandem gegenüber Rechte oder Pflichten
geregelt werden" (GYGI, aaO, S. 104). Um eine solche Anordnung handelt es
sich aber bei der Umbenennung einer Poststelle. Es werden dadurch keine
Rechte und Pflichten der Postbenützer oder der beteiligten Gemeinden
betroffen.

    Zwar kann eine solche Anordnung mittelbare Auswirkungen auf die
faktische Stellung der Benützer einer Poststelle haben. Und diese
mittelbaren Auswirkungen können durchaus dergestalt sein, dass sie
ein Rechtsschutzinteresse, d.h. die Legitimation zur Anfechtung einer
solchen Anordnung an sich begründen könnten. Das genügt aber nicht
für die Zulässigkeit einer Beschwerde, die per definitionem nur gegen
Verfügungen möglich ist (vgl. GYGI, aaO, S. 137). Man kann nicht von der
Beschwerdebefugnis her (die gemäss der Regelung in Art. 103 lit. a OG keine
Betroffenheit in einer Rechtsstellung voraussetzt) die Zulässigkeit der
Beschwerde an sich, d.h. die Anfechtbarkeit einer Anordnung herleiten. Wenn
und sofern dies in BGE 97 I 595 getan wurde, handelte es sich um einen
Trugschluss. GYGI (aaO, S. 137) macht denn auch gegenüber diesem Entscheid
mit Recht geltend, dass die Eröffnung einer Bahnhofsapotheke keine
Verfügung sei und dass das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses das
Erfordernis einer Verfügung nicht ersetze. Gleiches gilt für die Verlegung
einer Hochschulabteilung (anders: VPB 39 Nr. 59 S. 42; vgl. aber: BGE 98
Ib 461 ff.), die Aufhebung einer Poststelle (VPB 39 Nr. 102 S. 86) oder der
Frauenabteilung einer Strafanstalt (VPB 38 Nr. 18 S. 61 f.), die Bestimmung
des Standortes einer Zivilschutz-Sanitätshilfsstelle (VPB 42 Nr. 93 S. 413
ff.) oder die Modernisierung des Postzustelldienstes (VPB 38 Nr. 67 S. 14
ff.). Das Bundesgericht hat die Praxis der Verwaltungsbehörden betreffend
Aufhebung einer Postdienststelle (VPB 39 Nr. 102 S. 86) in einem nicht
publizierten Entscheid vom 24. März 1982 i.S. Komitee gegen die Aufhebung
der Haltestelle "Tivoli" der Trogenerbahn übernommen, indem es feststellte,
dass das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement zu Recht auf
eine Beschwerde gegen die Aufhebung einer Bahnhaltestelle nicht eintrat,
da es sich dabei nicht um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VwVG
handle. Wenn aber schon die Aufhebung einer Bahnhaltestelle bzw. einer
Poststelle keinen Verfügungscharakter hat, dann gilt dies erst recht für
die Umbenennung einer Poststelle.