Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IB 198



109 Ib 198

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21.
Dezember 1983 i.S. Konsortium Gewerbe- und Sporthallen gegen Gemeinde
Bassersdorf, Freizeitorganisation des Personals der Swissair, Regierungsrat
und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichts- und
staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG, § 5 Einführungsverordnung zum RPG des
Kantons Zürich, Art. 103 lit. a OG.

    Ein Gewerbetreibender wird durch das Bauvorhaben eines
Konkurrenten nicht in seinen schutzwürdigen Interessen im Sinne von
Art. 103 lit. a OG berührt. Die Legitimation eines Konkurrenten zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde setzt eine vom einschlägigen Bundesrecht
erfasste spezifische Beziehungsnähe voraus (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Der Gemeinderat Bassersdorf erteilte am 1. Dezember 1981 der
Freizeitorganisation des Personals der Swissair für die Erweiterung der
bestehenden Freizeitanlage "im Häuli-Störchelwiesen" in Bassersdorf die
Baubewilligung. Die Gesellschafter der einfachen Gesellschaft "Konsortium
Gewerbe- und Sporthallen", welche auf dem Grundstück Grindelstrasse 11 in
Bassersdorf als Leasingnehmer eines grossen Gebäudes neun Tennisplätze
im Dachgeschoss, drei Squashplätze und eine Minigolfanlage betreibt,
erhoben dagegen Rekurs. Ihr Interesse an der Anfechtung der Bewilligung
begründeten sie damit, dass diese der Freizeitorganisation einen
unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die Freizeitorganisation
überlasse ihre Anlagen stundenweise gegen Entgelt auch Nichtmitgliedern
und trete daher mit ihrem Konsortium in ein Konkurrenzverhältnis.

    Die Baurekurskommission I trat jedoch auf den Rekurs nicht ein, und das
Verwaltungsgericht, das die Gesellschafter in der Folge wegen Verweigerung
des rechtlichen Gehörs anriefen, bestätigte diesen Entscheid. Die dagegen
von den Gesellschaftern erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vom
Bundesgericht als staatsrechtliche Beschwerde behandelt und abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Zürcher Einführungsverordnung zum Raumplanungsgesetz umschreibt
in § 5 die Zulassung zum Rekurs oder zur Beschwerde wie folgt:

    "In Streitigkeiten über die Anwendung des Bundesgesetzes über die

    Raumplanung oder des Planungs- und Baugesetzes ist abweichend von §
21 des

    Verwaltungsrechtspflegegesetzes die Legitimation im vorgeschriebenen

    Mindestumfang von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG gegeben; danach ist
zum Rekurs
   oder zur Beschwerde berechtigt, wer durch den angefochtenen Erlass
   oder die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges
   Interesse an der

    Aufhebung oder Änderung des Anfechtungsobjektes hat."

    Der Ausgang der Sache hängt somit davon ab, ob das Verwaltungsgericht
mit Recht annehmen durfte, die Beschwerdeführer würden die Voraussetzungen
für die Beschwerdebefugnis im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
für die Anfechtung der der Beschwerdegegnerin erteilten Baubewilligung
nicht erfüllen. Diese stützt sich auf Zonenvorschriften des kantonalen
Rechts, welche im Sinne des Raumplanungsgesetzes der zweckmässigen
Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes dienen. Sie
erging somit in Anwendung kantonaler Ausführungsbestimmungen zum
Raumplanungsgesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG (EJPD/BRP,
Erläuterungen, N. 16 zu Art. 33, S. 346).

    a) Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht vor, sein
Entscheid mache im Ergebnis die Rekursbefugnis von der Schutzrichtung der
als verletzt bezeichneten Norm abhängig, was das Bundesgericht ausdrücklich
verneint habe (BGE 104 Ib 248 ff., E. 5-7, insbesondere 255). In der Tat
sind die Erwägungen des Gerichts geeignet, diesen Eindruck zu erwecken.

    Die Beispiele, die das Verwaltungsgericht anführt, um darzulegen,
auf welche Entfernung sich ein Bauvorhaben im Sinne des geltend
gemachten Anfechtungsinteresses auszuwirken vermöge, beziehen sich
im Regelfall auf Rügen, mit denen die Verletzung einer den Nachbarn
schützenden Bauvorschrift geltend gemacht wird (Verletzung von
Regeln über Lichteinfall, Beschattungsdauer, Gebäudehöhe, Abstand,
Immissionsschutz usw.). In gleicher Weise werden allgemeine oder
spezielle Immissionsschutzvorschriften angerufen, wenn ein Gebäude
oder seine Bewirtschaftung auf das nachbarliche Grundstück oder dessen
Bewohner nachteilig einwirkt. Sollte das Verwaltungsgericht nur die
Abwehr solcher schädigenden Auswirkungen von Bauten als schützenswert
erachten, würde es die Rekursbefugnis im Sinne von Art. 103 lit. a OG
zu stark einschränken. Doch ist es nicht ausgeschlossen, bei richtigem
Verständnis die Erwägungen des Gerichts als mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichts vereinbar zu bezeichnen.

    b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt es ausdrücklich zu,
dass derjenige, der von einer Verfügung berührt ist, die Verletzung
öffentlichen Rechts geltend machen kann, das seine Interessen nicht
zu schützen bezweckt. So kann etwa ein Nachbar ein ihm missliebiges
Bauvorhaben, obschon es den nachbarschützenden Bauvorschriften entspricht,
mit der Begründung anfechten, es verstosse gegen Gewässerschutzrecht
oder Forstrecht (BGE 108 Ib 93 E. 3b aa, 104 Ib 253 ff. E. 7; BGE vom
24. November 1978, ZBl 80/1979 S. 480; BGE 108 Ib 509, nicht publizierte
Erwägung 1).

    Doch genügt auch für das Bundesgericht zur Bejahung des "Berührtseins"
in schutzwürdigen Interessen im Sinne von Art. 103 lit. a OG nicht
jedes beliebige Interesse. Mit den Worten der Rechtsprechung muss eine
besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zur Streitsache vorliegen (BGE
104 Ib 249 E. 5c mit Verweisungen). Besondere und andere Interessen als
das allgemeine öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung und
einheitlichen Anwendung des Bundesrechts müssen gegeben sein, damit das
"unmittelbare" Berührtsein bejaht werden kann (BGE 105 Ib 359 E. 5a, 101
Ib 185 E. 4a). Der Beschwerdeführer muss in höherem Masse als jedermann
berührt sein (BGE 106 Ib 175 E. 1a).

    Es ist zuzugeben, dass aus diesen Formulierungen nicht ohne weiteres
präzis hergeleitet werden kann, wann das geforderte "höhere Mass" an
Betroffenheit in schutzwürdigen Interessen gegeben ist. Es bleibt in
Grenzfällen ein Beurteilungsspielraum, bei dessen Ausübung einerseits eine
kaum mehr zu begrenzende Öffnung des Beschwerderechts vermieden werden muss
und andererseits die Schranken auch nicht zu eng gezogen werden dürfen,
um nicht die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Überprüfung der richtigen
Rechtsanwendung in Fällen, in denen der Beschwerdeführer ein aktuelles
Rechtsschutzinteresse besitzt, auszuschliessen.

    c) Die vorliegende Konkurrentenbeschwerde lässt diese Problematik
deutlich erkennen. Geht man im Sinne der Formulierung von BGE 107 Ib
45 f. E. 1c mit der Minderheit des Verwaltungsgerichts davon aus, das
"Berührtsein" in schutzwürdigen Interessen sei stets gegeben, "wenn der
Ausgang des Verfahrens, in das der Beschwerdeführer sich einmischen will,
seine Interessensphäre zu beeinflussen vermag, er also einen praktischen
Nutzen hat bzw. einen Nachteil abwenden kann, den der angefochtene
Verwaltungsakt für ihn zur Folge hätte", so ist eine Abgrenzung gegenüber
der nach wie vor verpönten Popularbeschwerde kaum mehr möglich. Es
träfe in der Tat zu, dass "beispielsweise sämtliche Hotelbesitzer in
der weiteren Umgebung gegen ein Hotelprojekt oder sämtliche Apotheker
gegen die Errichtung einer Apotheke Einsprache erheben (könnten), ja alle
Hauseigentümer, welche um die Vermietbarkeit ihrer Wohnungen fürchten,
gegen den Neubau eines Wohnhauses".

    d) Eine Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit
einer Konkurrentenbeschwerde lässt erkennen, dass ihr ein engeres
Verständnis des "Berührtseins" eines Konkurrenten in schützenswerten
Interessen zugrunde liegt. Bei konkurrenzierenden Gewerbegenossen dürfe
der Kreis der Berechtigten zur Anfechtung von Verwaltungsverfügungen,
welche angeblich Konkurrenten rechtswidrig begünstigen, nicht zu weit
gespannt werden, wird in BGE 101 Ib 185 f. E. 4a mit Verweisung auf BGE
100 Ib 337 ausdrücklich festgehalten.

    Soweit das Bundesgericht auf Konkurrentenbeschwerden eintrat, ging es
stets um eine von der einschlägigen gesetzlichen Regelung des Bundesrechts
erfasste spezielle Beziehung. Einmal war die Beförderung von Zeitungen und
Zeitschriften nach Postverkehrsgesetz umstritten (BGE 101 Ib 185 E. 4). Ein
anderes Mal ging es um die Anfechtung wirtschaftspolitischer Vorschriften
über die Butterversorgung (BGE 101 Ib 89 E. 2), oder es war die Erteilung
eines neuen Einfuhrkontingentes für Mahlhafer bzw. die Kontingentszuteilung
gemäss den Statuten der Genossenschaft für Getreide- und Futtermittel zu
beurteilen (BGE 100 Ib 423 E. 1b, 97 I 297 E. 1c). Umstritten war ferner
die Anerkennung von Treuhandgesellschaften als Revisionsstellen gemäss
Bankengesetz (BGE 99 Ib 105 E. 1) und die Einrichtung einer Apotheke im
Bahnhofgebäude gestützt auf die Eisenbahngesetzgebung (BGE 98 Ib 229 E. 2,
97 I 592 E. 2).

    Aus allen diesen Fällen ergibt sich, dass nicht jedes beliebige
wirtschaftliche Interesse das erforderliche "Berührtsein" für die
Anfechtung einer Verfügung zu begründen vermag. Vielmehr muss eine
"spezifische Beziehungsnähe", wie sie etwa durch eine Kontingentsordnung
geschaffen wird (BGE 100 Ib 424 E. 1b), vorliegen. Dabei lassen
die angeführten Fälle erkennen, dass diese Nähe durch die spezielle
wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ordnung, welcher die Konkurrenten
unterworfen sind, begründet wird, nicht jedoch durch die blosse
Befürchtung, verstärkter Konkurrenz ausgesetzt zu sein (BGE 100 Ib 338).

    Auch ist zu beachten, dass der Vollzug wirtschaftsrechtlicher
Ordnungen vielfach ausserhalb der Verwaltung stehenden Körperschaften
wie der Genossenschaft für Getreide- und Futtermittel übertragen
wird. "Unerlässliches Korrelat einer solchen Auftragsverwaltung bildet
eine umfassende Verwaltungsrechtspflege, wie sie mit der Novelle zum
Bundesrechtspflegegesetz von 1968 weitgehend verwirklicht worden ist"
(LEO SCHÜRMANN, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bern 1978, S. 332). Die
einer derartigen Ordnung unterworfenen Konkurrenten haben ein besonderes
Interesse am richtigen Gesetzesvollzug, was sie in höherem Masse als
jedermann berührt erscheinen lässt.

    e) In der vorliegenden Sache geht es um keine derartige spezifische
Beziehungsnähe. Was die Beschwerdeführer zu den baurechtlichen
Voraussetzungen der Bewilligung, die der Beschwerdegegnerin für die
Erweiterung ihrer bereits bestehenden Anlagen erteilt wurde, vorbringen,
vermag diese Nähe nicht zu begründen. Jeder Bauherr hat die für sein
Baugrundstück geltenden Anforderungen zu erfüllen. Dass Wert, Lage,
Grösse und Gestaltung des Grundstücks zu Wettbewerbsunterschieden führen
können, ist verständlich, vermag jedoch keine besondere Betroffenheit des
Konkurrenten im Sinne von Art. 103 Abs. 1 lit. a OG auszulösen. Dieser
wird in seiner allgemeinen wirtschaftlichen Stellung als Gewerbegenosse
berührt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die wirtschaftliche
Tätigkeit, die im geplanten Bau betrieben werden soll, in Konkurrenz
zu wenigen oder zu zahlreichen Gewerbetreibenden tritt. Diese Art von
"Berührtsein" liegt im Prinzip des freien Wettbewerbs.

    Wer als Eigentümer - wie hier - von seinem Recht Gebrauch macht,
einen Bau zur Ausübung einer auch wirtschaftlich orientierten Tätigkeit
zu erstellen, greift nicht in besonderer Weise in die Interessen
des Konkurrenten ein. Der Konkurrent kann daher nicht im Sinne von
Art. 103 lit. a OG geltend machen, er werde durch die Baubewilligung
in seinen schützenswerten Interessen in höherem Masse als jedermann
berührt. Für jeden Bürger gilt grundsätzlich das Prinzip des freien
Wettbewerbs. Wollte man die Legitimation bejahen, so müsste jedem
Gewerbetreibenden, der befürchtet, der neue Betrieb könnte mit ihm in
Konkurrenz treten, die Beschwerdelegitimation gegen die Erteilung einer
Baubewilligung zuerkannt werden. Damit würde - wie dies in BGE 100 Ib
338 zur Anfechtung der Bewilligung zum Verkauf einer Ware, welche die
Milchproduzenten konkurrenzieren könnte, gesagt wurde - der Kreis der
Beschwerdeberechtigten derart erweitert, dass die Verwaltungsbeschwerde und
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Popularbeschwerde angenähert würden.

    Der Entscheid des Verwaltungsgerichts widerspricht daher der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG nicht, weshalb
die Beschwerde abzuweisen ist.