Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IB 177



109 Ib 177

29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. August 1983 i.S. Demir gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichts- und staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Fremdenpolizei; Nichterneuerung bzw. Verweigerung der
Aufenthaltsbewilligung.

    1. Die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug (Art. 38 StGB)
verschafft dem Ausländer keinen Rechtsanspruch auf Erteilung
bzw. Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung (E. 1).

    2. Der in der Sache selbst nicht legitimierte Ausländer kann nur
die Verletzung jener Parteirechte geltend machen, die ihm aufgrund des
kantonalen Rechts zustehen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Fahri Demir reiste am 6. Januar 1973 in die Schweiz ein und
erhielt in der Folge befristete Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen
für den Kanton Zürich. Letztmals wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung
am 24. Dezember 1975 bis 6. Januar 1977 verlängert. Im Dezember 1976
wurde er wegen eines Tötungsdeliktes verhaftet. Mit Urteil vom 10. Mai
1978 sprach ihn die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons
Zürich der vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB sowie
eines Nebendeliktes schuldig und bestrafte ihn mit 10 Jahren Zuchthaus,
abzüglich erstandener Untersuchungs- und Sicherheitshaft, sowie einer
Busse von Fr. 100.--. Seither befindet er sich im Strafvollzug.

    Am 20. August 1982 traf die Fremdenpolizei des Kantons Zürich folgende
Verfügung:

    "Die am 24. Dezember 1975 erteilte und bis 6. Januar 1977 gültige

    Aufenthaltsbewilligung wird nicht mehr erneuert. Fahri Demir hat das
   zürcherische Kantonsgebiet auf das Datum der Entlassung aus der

    Strafanstalt - voraussichtlich am 22. Mai 1983 - zu verlassen."

    Einen Rekurs gegen diese Verfügung wies der Regierungsrat des Kantons
Zürich mit Beschluss vom 20. April 1983 ab.

    Demir führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie staatsrechtliche
Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben,
die mit Datum vom 24. Dezember 1975 erteilte Aufenthaltsbewilligung
zu erneuern und längstmöglich zu erstrecken, eventuell die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht tritt auf beide Beschwerden nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid stützt sich auf öffentliches Recht
des Bundes im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VwVG und unterliegt deshalb der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 97 f. OG, sofern diese kraft
besonderer Bestimmungen nicht unzulässig ist. Laut Art. 100 lit. b Ziff. 3
OG kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ergriffen werden gegen die
Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
keinen Anspruch einräumt. Das Bundesrecht stellt den Entscheid über die
Zusicherung, Erteilung oder Erneuerung einer Aufenthaltsbewilligung - im
Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland - ins
freie Ermessen der Behörde (Art. 4 ANAG); der Ausländer hat grundsätzlich
keinen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz (BGE 106 Ib 127 E. 2a).

    Auf eine staatsvertragliche Sonderregelung kann sich der
Beschwerdeführer unbestrittenermassen nicht berufen. Dagegen will er einen
Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung aus dem Umstand
ableiten, dass er nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug
gemäss Art. 38 StGB eine vollständige Resozialisierung inkl. Betreuung und
Beratung während der bedingten Entlassung in der Schweiz verlangen könne.

    Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 14 Abs. 8
ANAV gilt eine bereits erteilte Bewilligung solange weiter, als
sich der Ausländer im Straf- oder Massnahmenvollzug bzw. in einer
Heil- oder Pflegeanstalt befindet. Auf die Entlassung hin sind die
fremdenpolizeilichen Verhältnisse zu regeln. Anders als Art. 38
StGB unterscheidet Art. 14 Abs. 8 ANAV nicht zwischen bedingter und
endgültiger Entlassung, sondern knüpft einzig an das faktische Ende des
Anstaltsaufenthaltes an. Ab diesem Zeitpunkt unterliegt der Betreffende
somit den allgemeinen fremdenpolizeilichen Vorschriften, die für alle
Ausländer gelten. Da strafrechtliche und fremdenpolizeiliche Massnahmen
grundsätzlich voneinander unabhängig sind (vgl. BGE 105 Ib 168 mit
Hinweisen), steht die bedingte Entlassung aus dem Strafverhaft der
Ergreifung fremdenpolizeilicher Massnahmen nicht entgegen. Bei dieser
Sachlage besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
gestützt auf Art. 38 StGB, abgesehen davon, dass selbst der Aufschub einer
strafrechtlichen Landesverweisung eine Ausweisung im Sinne von Art. 10
ff. ANAG gegebenenfalls nicht zu verhindern vermag. Im übrigen ist nicht
einzusehen, warum ein aus dem Strafverhaft entlassener Ausländer mehr
Rechte haben soll als derjenige, dem trotz unbescholtener Lebensführung
die Erneuerung einer Aufenthaltsbewilligung aus welchen Gründen auch
immer nicht zuerkannt werden kann.

    Die übrigen Einwände des Beschwerdeführers halten ebenfalls nicht
stich. Eine befristete Aufenthaltsbewilligung schliesst keineswegs die
Zusicherung deren Erneuerung ein. Gerade aus arbeitsmarktpolitischen
Überlegungen sind die Fremdenpolizeibehörden heute vielfach gezwungen,
trotz einwandfreien Verhaltens des Betreffenden die nachgesuchte
Bewilligung zu verweigern. Sodann trifft zwar zu, dass sowohl die
Ausweisung nach Art. 10/11 ANAG als auch die Wegweisung zufolge
Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung (Art. 12 Abs. 3 ANAG)
unter gleichzeitiger Verhängung einer Einreisesperre (Art. 13 ANAG)
die gleichen Wirkungen für den Betroffenen entfalten: In beiden Fällen
hat er die Schweiz zu verlassen und kann selbst als Tourist nicht wieder
einreisen. Das ist jedoch kein Grund, von der klaren gesetzlichen Ordnung
abzuweichen, die die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich nur
gegen die Ausweisung im Sinne von Art. 10/11 ANAG zulässt. (...)

    Kann der Beschwerdeführer somit keinen Anspruch auf Erteilung
der anbegehrten Aufenthaltsbewilligung nachweisen, ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
ausgeschlossen. Diesbezüglich ist auf die Beschwerde daher nicht
einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung, so kann auch auf die staatsrechtliche Beschwerde
mangels eines rechtserheblichen Interesses des Beschwerdeführers nicht
eingetreten werden (Art. 88 OG; BGE 106 Ib 132 E. 3 mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, der Regierungsrat habe Vorschriften
des kantonalen Rechts, die seine Parteirechte betreffen, willkürlich
verletzt. Im übrigen kann er sich nicht auf die direkt aus Art. 4 BV
fliessenden bundesrechtlichen Minimalgarantien berufen, denn nach der
neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts kann in Abweichung von BGE 106 Ib
132 E. 3 der in der Sache selbst nicht legitimierte Beschwerdeführer nur
die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm aufgrund des kantonalen
Rechts zustehen (BGE 107 Ia 185 E. c). Solche Bestimmungen werden in der
Beschwerde indes nicht angerufen.