Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IB 156



109 Ib 156

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
4. Mai 1983 i.S. S. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich (staatsrechtliche bzw. Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Internationale Rechtshilfe in Strafsachen.

    1. Rechtsmittel für den Weiterzug an das Bundesgericht; intertemporales
Recht (Erw. 1).

    2. Tragweite der Rechtskraft von Entscheiden im Gebiet der Rechtshilfe
(Erw. 3b).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Indem der Beschwerdeführer am 27. Dezember 1982 gegen den
Rekursentscheid vom 20. Dezember 1982 staatsrechtliche Beschwerde
erhob, ergriff er das in jenem Zeitpunkt für die Weiterziehung an das
Bundesgericht gegebene Rechtsmittel. Am 1. Januar 1983 trat indessen
das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG)
in Kraft (SR 351.1., S. 31). Nach Art. 25 Abs. 1 IRSG unterliegen
Verfügungen letztinstanzlicher kantonaler Behörden, soweit das Gesetz
nichts anderes bestimmt, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Art. 110
IRSG sieht in Abs. 1 vor, dass die beim Inkrafttreten des IRSG
hängigen Auslieferungsverfahren nach den Verfahrensvorschriften des
Auslieferungsgesetzes zu Ende geführt werden. Für das Verfahren
bei Rechtshilfegesuchen fehlt eine Übergangsbestimmung. Aus der
Rechtsprechung ergibt sich aber, dass für diese das bei Fällung des
angefochtenen Entscheides geltende Recht anwendbar ist, ausser wenn
das neue Recht für den Beschwerdeführer günstiger ist (vgl. zum Bau-
und Planungs- bzw. Gewässerschutzrecht BGE 102 Ib 69 und spätere
unveröffentlichte Entscheide). Die Eingabe des Beschwerdeführers ist daher
als staatsrechtliche Beschwerde, wie sie eingereicht und aufrechterhalten
(Ergänzung vom 20. Januar 1983) worden ist, entgegenzunehmen. Dass ihre
Behandlung als Verwaltungsgerichtsbeschwerde für den Beschwerdeführer
nicht günstiger wäre, wird am Ende der Erwägungen zu zeigen sein.

Erwägung 3

    3.- An verschiedenen Stellen macht der Beschwerdeführer Willkür
geltend, weil auf das zweite Rechtshilfegesuch eingetreten wurde, obschon
das erste Gesuch abgewiesen worden war, und weil die Staatsanwaltschaft die
Durchführung der Rechtshilfe anordnete, im Widerspruch zu ihrer Anweisung
an die BAZ, das erste Gesuch abzuweisen.
   ...

    b) Die Vorbringen des Beschwerdeführers können ... aufgefasst werden
als Rüge, über das Rechtshilfegesuch sei am 11. Mai 1982 rechtskräftig
entschieden worden.

    Auf dem Gebiet der Rechtshilfe kommt dem Begriff der Rechtskraft
nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu. Das Rechtshilfeverfahren
ist nicht ein Strafverfahren, sondern ein Verwaltungsverfahren im
Rahmen der völkerrechtlichen Beziehungen der Schweiz (DE CAPITANI,
S. 378 mit Hinweisen; BGE 105 Ib 213). Im Verwaltungsrecht ist aber die
Unabänderlichkeit einer Verfügung eher die Ausnahme (IMBODEN/RHINOW,
Nrn. 41-45). Im Rechtshilferecht kann genau dasselbe Begehren auf genau
denselben Grundlagen nicht nochmals eingebracht werden; aber schon jeder
kleine Unterschied, jeder einzelne neu entdeckte Umstand reicht für ein
neues Begehren aus, weil - im Gegensatz zum Freispruch im Strafverfahren -
kein rechtlich schützenswertes Interesse an der definitiven Verweigerung
der Rechtshilfe besteht. Gerade die Verweigerung wegen Ungenügens der
Unterlagen hat das Bundesgericht schon mehrmals als nicht definitiv
bezeichnet. So wird in BGE 106 Ib 265 von "vorläufiger Verweigerung" der
Rechtshilfe mit nachträglicher Aufforderung an den ersuchenden Staat zur
Ergänzung des Gesuches gesprochen, und in BGE 103 Ia 212 ist ausgeführt
worden: "Ist das Rechtshilfegesuch ungenügend, so folgt daraus nur das
Recht der Schweiz, ohne Verletzung des Staatsvertrages die Rechtshilfe
zu verweigern, bis ein rechtsgenügendes Gesuch eingereicht wird."

    Der Beschwerdeführer legt der Formulierung der Staatsanwaltschaft, das
Rechtshilfegesuch sei "endgültig abzuweisen", zuviel Gewicht bei. Sie ist
sicher etwas unglücklich gewählt. Der I. Staatsanwalt des Kantons Zürich
wollte damit nach den Umständen nur sagen, das mit dem ersten Gesuch
eingeleitete Rechtshilfeverfahren sei nicht pendent zu halten, sondern
abzuschliessen. Angesichts der Tatsache, dass eine Strafuntersuchung
notwendigerweise fortschreitet und in der Regel immer neue Erkenntnisse
liefert, wäre eine andere Betrachtungsweise lebensfremd.

    Da zwischen dem ersten und dem zweiten Gesuch wesentliche Unterschiede
bestehen, liegt nicht eine Erneuerung desselben Gesuches unter denselben
Voraussetzungen vor. Eine materielle Rechtskraft ist nicht eingetreten.