Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 109 IA 128



109 Ia 128

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15.
Juli 1983 i.S. Q. gegen Kantonspolizeiamt und Regierungsrat des Kantons
Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gastwirtschaftswesen; Patenterteilung "auf Zusehen und Wohlverhalten
hin"

    - Die Patenterteilung "auf Zusehen und Wohlverhalten hin" stellt
eine resolutiv bedingte Verfügung dar (E. 5b, c). Voraussetzungen einer
solchen Einschränkung (E. 5d, e, f).

    - Die Behörde darf in einem derartigen Fall auf ihren Entscheid
zurückkommen, wenn sich neue Tatsachen ergeben, die gegen die
Patenterteilung sprechen. Sie kann ohne Bindung an den früheren
Entscheid die bei der Patenterteilung bereits bekannten zusammen mit
den neu eingetretenen Tatsachen frei würdigen (E. 7a). Ein sofort
wirksamer Patententzug muss aber dem öffentlichen Interesse entsprechen
und darf nicht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu widerlaufen
(E. 7b). Verhältnisse des vorliegenden Falles (E. 7c).

Sachverhalt

    A.- Mit Schreiben vom 23. September 1982 eröffnete das
Kantonspolizeiamt Appenzell A.Rh. dem Q., das von ihm beantragte
Wirtschaftspatent für das Gasthaus X. werde ihm demnächst zugestellt
werden. Ferner ist im erwähnten Brief folgendes festgehalten:

    "Wie Ihnen bereits mündlich eröffnet worden ist, teilen wir Ihnen im

    Auftrage der Polizeidirektion von Appenzell Ausserrhoden mit, dass
Sie mit
   dem sofortigen Entzug des Wirtschaftspatentes zu rechnen haben, falls
   Sie zu irgend einer Klage Anlass geben.

    Die Patenterteilung erfolgt deshalb auf Zusehen und Wohlverhalten hin."

    Q. weist drei Vorstrafen auf, die auch der kantonalen
Bewilligungsbehörde im Zeitpunkt der Erteilung des Wirtschaftspatentes
bekannt waren. Es handelt sich dabei um Verurteilungen wegen verbotenen
wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (1976), fortgesetzter Unzucht mit
einem Kind (1979), Fahrens in angetrunkenem Zustand, grober Verletzung
von Verkehrsregeln und Vereitelung der Blutprobe (1981).

    Nach Aufnahme des Wirtschaftsbetriebes musste Q. im Zeitraum zwischen
20. Oktober 1982 und 14. Dezember 1982 dreimal wegen Übertretung
wirtschaftspolizeilicher Vorschriften (wiederholtes Überwirten;
Nichteintragen von Gästen in die Hotelkontrolle; widerrechtliche
Publikation einer nicht bewilligten Verlängerung) bestraft werden.

    Mit Verfügung vom 21. Dezember 1982 entzog die Polizeidirektion des
Kantons Appenzell A.Rh. Q. das Wirtschaftspatent. Auf Rekurs des Q. hin
bestätigte der Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. die angefochtene
Verfügung mit Beschluss vom 22. Februar 1983.

    Q. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und
31 BV.

    Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- (...) Art. 36 Wirtschaftsgesetz/AR lautet wie folgt.

    1 Die Polizeidirektion kann nach Anhörung des Gemeinderates und des

    Patentinhabers ein Patent jederzeit entziehen, wenn

    a) die Voraussetzungen, unter denen es erteilt worden ist, wegfallen
oder
   sich wesentlich ändern;

    b) den Behörden erst nachträglich Tatsachen zur Kenntnis kommen, auf

    Grund derer es hätte verweigert werden müssen;

    c) die Wirtschaftsgebühren nicht bezahlt sind.

    2 Bevor ein Patent entzogen wird, ist dem Inhaber eine angemessene

    Frist anzusetzen, innert der er die Missstände abstellen kann, es
sei denn,
   er biete wegen seines bisherigen Verhaltens überhaupt nicht mehr die
   nötige Gewähr für eine korrekte Wirtschaftsführung.

    Dem Hauseigentümer und den Grundpfandgläubigern, soweit ihr Adressen
   bekannt sind, ist von der Androhung des Bewilligungsentzuges Kenntnis
   zu geben.

    Sodann legt Art. 23 Wirtschaftsgesetz fest, welche persönlichen
Voraussetzungen ein Wirt erfüllen muss:

    Ein Patent wird nur erteilt, wenn der Bewerber

    a) handlungsfähig ist und in bürgerlichen Ehren und Rechten steht;

    b) einen guten Leumund besitzt und mit den mit ihm in gemeinsamer

    Haushaltung lebenden Personen volle Gewähr für die Handhabung guter
Ordnung
   und eine einwandfreie Betriebsführung bietet;

    c) geistig und körperlich zur Führung und Beaufsichtigung des Betriebes
   geeignet erscheint;

    d) in der betreffenden Gemeinde niedergelassen ist...;

    e) sich über genügende Fachkenntnisse zur Führung des Betriebes
   ausweist.

Erwägung 5

    5.- Der Regierungsrat misst der Tatsache entscheidendes Gewicht bei,
dass dem Beschwerdeführer das Wirtschaftspatent nur "auf Zusehen und
Wohlverhalten hin" erteilt und dessen Entzug für den Fall irgendeiner Klage
angedroht worden war. Der Beschwerdeführer bestreitet die Zulässigkeit
der Patenterteilung "auf Zusehen und Wohlverhalten hin", weil das Gesetz
einen solchen Vorbehalt nicht vorsehe.

    a) Die Rüge ist zulässig. Auch wenn sich der Beschwerdeführer
anlässlich der Patenterteilung mit dieser Einschränkung abgefunden hatte,
muss im vorliegenden Verfahren vorfrageweise geprüft werden, welche
Bedeutung diesem Zusatz beizumessen ist.

    b) Das Wirtschaftspatent gilt nach Lehre und Rechtsprechung als
Polizeierlaubnis, egal ob die Voraussetzungen für dessen Erteilung
polizeilich oder gewerbepolitisch motiviert sind (vgl. MANGISCH, Die
Gastwirtschaftsgesetzgebung der Kantone im Verhältnis zur Handels-
und Gewerbefreiheit, Diss. Bern 1982, S. 102 ff.). Die Patenterteilung
schliesst die Feststellung ein, dass der Aufnahme des Wirtschaftsbetriebes
keine öffentlichrechtlichen Hindernisse im Wege stehen. Auf die
Erteilung einer solchen Bewilligung besteht nach allgemeinen Grundsätzen
ein Rechtsanspruch, soweit sich der Bewerber über alle geforderten
Voraussetzungen auszuweisen vermag. Das heisst indes nicht, dass die
Bewilligung nur frei von Einschränkungen, wie z.B. Bedingungen oder
Auflagen, erteilt werden darf.

    c) Generell bedingungsfeindliche Verfügungen bilden vielmehr die
Ausnahme. So kann statt einer negativen Verfügung eine mit Bedingungen
und Auflagen versehene positive erlassen werden (vgl. IMBODEN/RHINOW,
Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 39 B I, II, S. 232/3). Als
Beispiel einer resolutiv bedingten ist die Verfügung mit Widerrufsvorbehalt
zu nennen (BGE 99 Ia 458 E. cc).

    Als solche qualifiziert sich auch die Erteilung des Wirtschaftspatents
"auf Zusehen und Wohlverhalten hin". Gleich wie ein (suspensiv) bedingt
ausgesprochener Entzug des Wirtschaftspatentes, dessen Vollzug aufgeschoben
wird, weil dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden soll, sich während
eines bestimmten Zeitraums zu bewähren, kann auch die (erstmalige oder
erneute) Patenterteilung in dem Sinne bedingt ausgesprochen werden,
dass der Betroffene damit rechnen muss, die Behörde werde im Falle von
Beanstandungen die Bewilligung widerrufen.

    d) Voraussetzung einer solchen bedingten Bewilligung ist jedoch
ein sachlich vertretbares öffentliches Interesse. Ein solches ist dann
vorhanden, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, dass der Bewerber alle
Erfordernisse erfüllt, weshalb die anbegehrte Polizeierlaubnis sogar
ganz verweigert werden könnte (vgl. HANGARTNER, Widerruf und Änderung von
Verwaltungsakten aus nachträglich eingetretenen Gründen, Diss. St. Gallen
1959, S. 161). Der Situation des Betroffenen trägt eine solche Bewilligung
mit Widerrufsvorbehalt gebührend Rechnung: er wird dadurch günstiger
gestellt als bei einer gänzlichen Verweigerung der Bewilligung; so kann
er seine Berufstätigkeit frei ausüben, und er hat es in der eigenen Hand,
den Beweis zu erbringen, dass er die geforderten Voraussetzungen erfüllt.

    e) Zu beachten ist aber auch, dass eine solche probeweise
Patenterteilung nicht unbeschränkt lange aufrechterhalten werden
kann. Insbesondere das Interesse des Patentinhabers an einer Klärung
der Rechtslage verlangt nämlich, dass innert angemessener Frist
Gewissheit darüber geschaffen wird, ob das Patent definitiv und ohne
Widerrufsvorbehalt gewährt ist. Eine zeitlich bestimmte Probezeit braucht
hiefür indes nicht angesetzt zu werden. Vielmehr genügt es, wenn nach
einem den Umständen angemessenen Zeitraum beginnend ab der Aufnahme
des Wirtschaftsbetriebes die Behörde prüfen kann, ob die bestehenden
Zweifel beseitigt sind, mithin die Voraussetzungen der definitiven
Patenterteilung erfüllt sind. Wie lange ein solches Provisorium von
Verfassungs wegen dauern darf, braucht im vorliegenden Verfahren indes
nicht näher geprüft zu werden, folgten doch die dem Beschwerdeführer
vorgeworfenen Übertretungen praktisch unmittelbar im Anschluss an die
Aufnahme des Wirtschaftsbetriebes. Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls war
der Widerrufsvorbehalt zweifellos wirksam.

    f) Stellt aber die Bewilligung mit Widerrufsvorbehalt einen milderen
Eingriff dar als die Patentverweigerung, deren Voraussetzungen im
Gesetz enthalten sind, so bedarf sie keiner ausdrücklichen gesetzlichen
Grundlage. Dass auf der andern Seite das ausserrhodische Wirtschaftsgesetz
eine solche Bewilligung ausdrücklich verbiete, wird vom Beschwerdeführer
nicht behauptet und ist dem Gesetz im übrigen nicht zu entnehmen.

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdeführer weist drei Vorstrafen aus, wovon insbesondere
diejenigen wegen Unzucht mit einem Kind und Fahrens in angetrunkenem
Zustand sowie den damit zusammenhängenden Delikten den Leumund des
Beschwerdeführers trüben. Unter diesen Umständen bestanden von Anfang
an erhebliche Zweifel an seinen persönlichen Erfordernissen im Sinne
von Art. 23 lit. b Wirtschaftsgesetz. Diese Unsicherheit hätte ohne
Verfassungsverletzung zu einer gänzlichen Ablehnung des Patentgesuches
führen können. Wenn aber die kantonalen Behörden dem Beschwerdeführer
Gelegenheit geben wollten, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen,
war es nach dem Gesagten vertretbar, den jederzeitigen Widerruf
vorzubehalten. Das öffentliche Interesse an dieser Einschränkung war
angesichts dieser Umstände zweifellos gegeben.

Erwägung 7

    7.- a) Eine andere Frage ist jedoch, welche Wirkungen mit dem
Widerrufsvorbehalt verbunden sind und unter welchen Voraussetzungen er zum
Tragen kommt. Der Widerrufsvorbehalt hat zur Folge, dass die Behörde auf
ihre ursprüngliche Verfügung zurückkommen durfte, ohne daran gebunden zu
sein (vgl. IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 41 B Ib, S. 249). Im Lichte der neuen
Vorkommnisse durfte der Regierungsrat die bereits bekannten Tatsachen,
insbesondere die Vorstrafen, neu gewichten.

    b) Das entband ihn nicht von der Prüfung, ob das öffentliche
Interesse und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit den sofortigen
Entzug des Patentes geboten (vgl. HANGARTNER, aaO, S. 162/3). Dabei
kommt jedoch Art. 36 Abs. 2 Wirtschaftsgesetz nur zweitrangige Bedeutung
zu. Die Bestimmung hat den Fall im Auge, wo dem Betroffenen das Patent
ohne Vorbehalt erteilt worden ist. In einem solchen Fall rechtfertigt
es sich in der Tat, besonders hohe Anforderungen an den sofortigen
Patententzug zu stellen. Anders verhält es sich, wenn, wie vorliegend, von
vornherein Zweifel an der Befähigung des Wirtes bestehen und das Patent
berechtigterweise nur "auf Zusehen und Wohlverhalten hin" erteilt worden
ist: diesfalls ist das Vertrauen des Betroffenen in den Rechtsbestand
des Patentes weit geringer zu veranschlagen, denn er muss aufgrund des
Vorbehalts damit rechnen, dass ihm das Patent im Falle berechtigter Klagen
ohne weiteres entzogen wird.

    c) Zu prüfen bleibt demnach, ob im vorliegenden Fall die Vorkommnisse,
die sich seit der Eröffnung des Wirtschaftsbetriebes ereignet hatten,
in Verbindung mit den bereits bekannten Tatsachen ohne weiteres den
Patentwiderruf zu rechtfertigen vermochten.

    Das ist zu bejahen. Allein die bereits mehrfach erwähnten Vorstrafen
boten zwingenden Anlass zur Vermutung, dass der Beschwerdeführer
die persönlichen Voraussetzungen im Sinne von Art. 23 lit. b
Wirtschaftsgesetz nicht erfüllte. Die drei neuen Strafen sind ihrem
gesamten Gewicht nach keine blossen Bagatellstrafen und betreffen,
was von Bedeutung ist, ausnahmslos Übertretungen berufsspezifischer
Vorschriften. Ausserdem ergingen sie innerhalb einer relativ kurzen
Zeitspanne und praktisch unmittelbar im Anschluss an die Aufnahme des
Gastwirtschaftsbetriebs. Der Beschwerdeführer war zudem kein Neuling in der
Branche, hatte er doch bereits früher gewirtet. Es kann daher nicht gesagt
werden, der Beschwerdeführer habe blosse Anfangsschwierigkeiten gehabt.
Angesichts dieser Tatsachen durfte die kantonale Behörde mit guten Gründen
annehmen, der Beschwerdeführer sei zum Wirten ungeeignet. Aufgrund des
Widerrufsvorbehaltes war es aber auch nicht geboten, dem Beschwerdeführer
eine Frist zur Behebung der Missstände anzusetzen. Der sofortige Widerruf
des Patentes verletzt deshalb keine Verfassungsrechte, was zur Abweisung
der Beschwerde führen muss.