Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 V 95



108 V 95

24. Urteil vom 13. Mai 1982 i.S. Walker gegen Arbeitslosenkasse des Kantons
Zürich und Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 24 Abs. 2 lit. c, 26 Abs. 2 und 28 Abs. 1 AlVG. Ein
Versicherter, der mit einer Organisation für temporäre Arbeit einen
"festen Arbeitsvertrag" abschliesst und in den Zeiten zwischen den
befristeten Arbeitseinsätzen ohne Beschäftigung ist, hat in der Regel
keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

Sachverhalt

    A.- Edgar Walker stand von anfangs 1980 bis zum 6. März 1981 in einem
Vertragsverhältnis mit der Temporärfirma Batec emplois. Er wurde während
dieser Zeit in verschiedenen Unternehmungen als Maschinenmechaniker
beschäftigt. Ab 1. Dezember 1980 lag der Anstellung ein vom 21. November
1980 datiertes, als "Arbeitsvertrag" bezeichnetes Schriftstück
zugrunde. Nachdem die Firma Sch. AG Edgar Walker ab 24. Dezember 1980 keine
Arbeit mehr zuweisen konnte und sich für ihn erst auf den 21. Januar 1981
wieder eine Einsatzmöglichkeit in einem anderen Betrieb fand, bescheinigte
die Temporärfirma am 2. Februar 1981 für die Zeit vom 5. bis 20. Januar
1981 einen Arbeitsausfall von 12 ganzen Tagen (106 Stunden). Am 10. März
1981 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich das Begehren des Edgar
Walker um Ausrichtung von Taggeldern ab 5. Januar 1981 verfügungsweise
mit der Begründung ab, der Versicherte stehe im Dienste einer Organisation
für Temporärarbeit, weshalb der Verdienstausfall nicht anrechenbar sei.

    B.- Die Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des
Kantons Zürich wies die von Edgar Walker hiergegen erhobene Beschwerde
am 26. Juni 1981 ab. Sie ging in ihrem Entscheid davon aus, der von
Edgar Walker zwecks Erhalt gewisser Sozialleistungen auf 1. Dezember 1980
getätigte Abschluss eines "festen Arbeitsvertrages" mit der Firma Batec
emplois ändere aus arbeitslosenversicherungsrechtlicher Sicht nichts
an dem Umstand, dass der Versicherte im Dienste einer Organisation für
Temporärarbeit stehe.

    C.- Edgar Walker lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und
beantragen, es sei ihm in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides der
Arbeitsausfall von 106 Stunden zu vergüten.

    Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und
Arbeit schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die vom Beschwerdeführer
für die Zeit vom 5. bis 20. Januar 1981 geltend gemachte 100%ige
Teilarbeitslosigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gibt.

    a) Der vom Beschwerdeführer mit der Firma Batec emplois abgeschlossene
"Arbeitsvertrag" umfasst sogenannte Temporärarbeit in dem Sinne, dass
die "Arbeitgeberin" den Arbeitnehmer nicht selber beschäftigt, sondern
ihn an Drittfirmen "ausleiht" oder - nach dem Wortlaut des Vertrages -
"vermietet". Das vorliegende Temporärverhältnis weist die Besonderheit
auf, dass gemäss Art. 3 des Vertrages der "Anstellungs-Modus" derjenige
eines "Festangestellten im Stundenlohn" ist. Aus Art. 4 in Verbindung mit
den übrigen Vertragsbedingungen betreffend Salär und Sozialleistungen ist
zu schliessen, dass das im Wesen der Sache liegende Risiko des temporären
Arbeitsausfalles nicht beim Arbeitnehmer, sondern bei der Temporärfirma
liegt, welche sich andererseits vorbehält, "bei der zuständigen Behörde
"Kurzarbeit' anzumelden", falls es ihr "trotz aller seriösen Anstrengungen"
nicht möglich sein sollte, "den Arbeitnehmer in seinem angestammten oder
erlernten Beruf einzusetzen bzw. zu vermieten". Für den Fall von Kurzarbeit
ist die Firma verpflichtet, "die Differenz zwischen dem Stempelgeld
und dem vorhergegangenen Salärniveau zu bezahlen". Andererseits ist der
Arbeitnehmer gehalten, "bei Arbeitsmangel (sc. im angestammten Beruf)
auch eine andere ihm zumutbare Tätigkeit auszuüben", für welchen Fall ihm
"die vorhergegangene Salärposition" garantiert wird.

    b) Verwaltung und Vorinstanz stützten sich bei ihrer ablehnenden
Haltung auf die in der AlVV für temporär beschäftigte Versicherte
vorgesehene Ordnung (Art. 27 Abs. 4 lit. c in Verbindung mit Abs. 1 bis
3 AlVV). Der Beschwerdeführer wendet ein, Art. 27 Abs. 4 AlVV sehe die
Anwendung von Abs. 1 bis 3 jener Bestimmung nur sinngemäss und deshalb
nicht schlechthin für alle Fälle von Angestellten einer Temporärfirma
vor. Die Geltung von Art. 27 Abs. 1 bis 3 AlVV sei auf jene temporär
tätigen Versicherten zu beschränken, welche eine für die Verwaltung
nur schwerlich überprüfbare Tätigkeit ausüben würden. So lägen die
Verhältnisse bei ihm jedoch nicht. Mit seiner festen Anstellung bei der
Firma Batec habe er nicht den Vorteil des typischen Temporärangestellten,
die Arbeitsstelle praktisch jederzeit verlassen zu können, erreichen
wollen. Vielmehr sei es ihm um die Sicherheiten einer festen Anstellung
gegangen, was insbesondere durch die im Vertrag vom 21. November 1980
vereinbarte zweimonatige Kündigungsfrist unterstrichen werde.

    Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit räumt
ein, dass sich die bestehenden gesetzlichen Grundlagen für die
arbeitslosenversicherungsrechtliche Behandlung der Temporärarbeiter nur
auf die Ganzarbeitslosigkeit und nicht auf die - hier allein in Frage
stehende - Teilarbeitslosigkeit beziehen. Das Bundesamt führt hierzu im
weiteren aus:

    "Betrachtet man aber die Gegebenheit, dass einerseits

    Temporärarbeitnehmer aus der Sicht der Arbeitslosenversicherung nicht
   vermittlungsfähig sind und anderseits Einsatzlücken das einzige und
   typische Betriebsrisiko einer Temporärorganisation darstellen, das die

    Arbeitslosenversicherung nicht decken darf (vgl. Art. 26 Abs. 2 AlVG),
   so erübrigt sich verständlicherweise eine ausdrückliche gesetzliche

    Regelung der Teilarbeitslosigkeit bei den Temporärarbeitnehmern."

    Diesen Überlegungen ist beizupflichten, soweit sie sich auf das
typische Temporärarbeitsverhältnis beziehen, bei welchem der Arbeitnehmer
das dieser Gattung eigene Risiko des Beschäftigungsausfalles zwischen
zwei von der Temporärfirma vermittelten Arbeitsstellen selber zu tragen
hat. Vorliegend steht jedoch der atypische Fall zur Beurteilung, dass der
Beschwerdeführer in einem festen Anstellungsverhältnis zur Temporärfirma
steht, welche ihrerseits das Risiko zwischenzeitlicher Einsatzlücken zu
tragen hat, so wie der "normale" Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung auch
dann verpflichtet ist, wenn er dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen
kann. Es fragt sich daher, ob in einem solchen Fall bei Eintritt von
Teilarbeitslosigkeit die gleiche von der Rechtsprechung entwickelte
Regelung gelten soll wie bei Vorliegen eines gewöhnlichen Arbeitsvertrages.

    c) Gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. c AlVG hat der Versicherte Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung, wenn er einen anrechenbaren Verdienstausfall
erleidet. Nach Art. 28 Abs. 1 AlVG ist der Verdienstausfall nicht
anrechenbar während Arbeitstagen, für welche dem Versicherten Ansprüche
gegenüber dem Arbeitgeber zustehen. Es soll dadurch grundsätzlich vermieden
werden, dass die Arbeitslosenversicherung für Leistungen aufkommt, auf
die der Versicherte einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber besitzt
(BGE 105 V 236 Erw. 1a, ARV 1981 Nr. 6 S. 34 Erw. 1, je mit Hinweisen).

    Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht
geleistet werden oder kommt er aus andern Gründen mit der Annahme der
Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er gemäss Art. 324 Abs. 1 OR zur
Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur
Nachleistung verpflichtet ist. Der Arbeitgeber kann sich dabei nicht
auf sein Betriebsrisiko berufen; auch wenn die Aufträge ausbleiben,
schuldet er den Lohn bis zum Kündigungstermin (BGE 107 V 178 Erw. 1a und
105 V 236 Erw. 1a i.f. mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin).
Diese Bestimmung ist insofern zwingend, als von ihr durch Abrede, Normal-
oder Gesamtarbeitsvertrag zuungunsten des Arbeitnehmers nicht abgewichen
werden darf (Art. 362 Abs. 1 OR).

    Nach der Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 1 AlVG in Verbindung
mit alt Art. 332 OR führt der Verzicht auf die Lohnzahlung seitens
des Arbeitnehmers nicht regelmässig zum Verlust des Anspruchs auf
Arbeitslosenentschädigung. Dies namentlich dann nicht, wenn es bei
konjunkturbedingten Arbeitsunterbrüchen oder vorübergehenden Kürzungen
der Arbeitszeit darum geht, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu
vermeiden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat,
vermag eine solche Regelung das Interesse des Arbeitnehmers wie auch
dasjenige der Arbeitslosenversicherung besser zu wahren als ein Beharren
auf alt Art. 332 OR, was die permanente Gefahr der Kündigung in sich
schliessen würde. Dies gilt in gleicher Weise unter der Herrschaft des
seit dem 1. Januar 1972 geltenden Art. 324 OR. Zu beachten ist indessen,
dass der Arbeitnehmer nicht beliebig auf den Lohnanspruch gegenüber dem
Arbeitgeber verzichten und statt dessen die Arbeitslosenentschädigung
beanspruchen darf. Wenn es nicht darum geht, eine bevorstehende
gänzliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verhüten, muss dem
Versicherten zugemutet werden, seinen Lohnanspruch gegenüber dem
Arbeitgeber durchzusetzen (BGE 107 V 178 Erw. 1b, 105 V 237 Erw. 1b,
je mit Hinweisen).

    d) In sinngemässer Weiterführung dieser Rechtsprechung sind im
vorliegenden Fall eines atypischen Temporärarbeitsverhältnisses die
Voraussetzungen einer entschädigungsberechtigten Teilarbeitslosigkeit
sowohl unter Würdigung der speziellen Situation des Arbeitnehmers als
auch der Verhältnisse beim Temporärarbeitgeber nicht erfüllt.

    Der Beschwerdeführer ist gelernter Maschinenmechaniker. In dieser
Branche hat anfangs 1981 im Kanton Zürich keine allgemeine Gefahr von
Arbeitslosigkeit bestanden ("Die Volkswirtschaft", 1981, S. 64 und
182). Dem Beschwerdeführer wäre es somit sicherlich möglich gewesen,
eine normale Dauerstelle bei einem ihn direkt beschäftigenden Arbeitgeber
zu bekleiden. Wenn er statt dessen einen Temporärarbeitgeber bevorzugte,
nahm er zum vornherein das dieser Art von Anstellung innewohnende erhöhte
Risiko in Kauf, bei Schwierigkeiten der Temporärfirma, für geeignete
Arbeitsstellen zu sorgen, die Kündigung zu erhalten. Diese in den
vorliegenden besonderen Verhältnissen begründete, nicht konjunkturbedingte
Möglichkeit des Stellenverlustes rechtfertigt aber unter den im Januar
1981 gegebenen Umständen nicht die Annahme, dass der Beschwerdeführer im
Kündigungsfall mit Arbeitslosigkeit hätte rechnen müssen. Da gegenteils
vorausgesetzt werden darf, dass er innerhalb der Kündigungsfrist -
während welcher ihm der Lohnanspruch gegenüber der Batec emplois zustand
- einen normalen Arbeitsplatz auf seinem Beruf hätte finden können,
wäre ihm - selbst um den Preis einer voraussichtlichen Auflösung
des Temporärverhältnisses - zuzumuten gewesen, seinen Lohnanspruch
gegenüber der Temporärfirma in vollem Umfang geltend zu machen, anstatt
Arbeitslosenentschädigung für Teilarbeitslosigkeit zu verlangen.

    Unter Würdigung der den Temporärarbeitgeber betreffenden Verhältnisse
erweist sich der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung
für Teilarbeitslosigkeit als missbräuchlich. Der Eintritt von
Beschäftigungslücken ist das normale, branchenspezifische Unternehmerrisiko
der Firma Batec emplois, das nicht auf die Arbeitslosenversicherung
abgewälzt werden darf. Solche Lücken fallen zwar nicht unter den
Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 AlVG, wonach u.a. Verdienstausfälle infolge
von kurzfristigen Betriebsunterbrechungen, die üblicherweise und in
wiederkehrenden Zeitabständen vorgenommen werden, nicht anrechenbar
sind; Ausfälle zwischen befristeten Arbeitseinsätzen sind aber den
Betriebsunterbrechungen im Sinne jener Bestimmung gleichzustellen. Im
übrigen würde die Anerkennung des Anspruches auf Vergütung einer solchen
Teilarbeitslosigkeit offensichtlich der Umgehung der für den typischen
Temporärarbeiter (welcher die Gefahr von Beschäftigungslücken selber
zu verantworten hat) geltenden Regelung Vorschub leisten, wenn dieses
Risiko durch Abschluss eines sogenannten "festen" Temporärarbeitsvertrages
auf die Unternehmerebene verlegt werden könnte, um es auf dem Weg über
versicherte Teilarbeitslosigkeit abzudecken.

Erwägung 2

    2.- Somit ist festzustellen, dass es vorliegend an der Anrechenbarkeit
des geltend gemachten Verdienstausfalles fehlt. Bei diesem Ergebnis
kann offen bleiben, ob das Taggeldbegehren nicht auch, wie das
Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit bemerkt, wegen fehlender
Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers abgewiesen werden müsste.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.