Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 V 270



108 V 270

59. Urteil vom 18. Oktober 1982 i.S. Spaar gegen Ausgleichskasse des
Schweizerischen Baumeisterverbandes und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG. Eine Parteientschädigung kann nicht
deswegen verweigert werden, weil der obsiegende Beschwerdeführer auf
Kosten seiner Gewerkschaft durch einen frei praktizierenden Rechtsanwalt
vertreten war.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 25. März 1981 hob die Ausgleichskasse des
Schweizerischen Baumeisterverbandes die Hugo Spaar bisher gewährte
halbe Invalidenrente auf. Dagegen liess der Versicherte Beschwerde
erheben. Hiebei war er vertreten durch die Gewerkschaft Bau und Holz,
substituiert durch die frei praktizierende Rechtsanwältin lic. iur. X.

    B.- Nach ergänzenden Abklärungen zog die Ausgleichskasse ihre Verfügung
vom 25. März 1981 in Wiedererwägung und gewährte die halbe Rente auch
weiterhin... Der Präsident der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
schrieb daraufhin die Beschwerde als gegenstandslos ab. Das Begehren um
Parteientschädigung wies er mit der Begründung ab, Hugo Spaar seien aus
der Prozessvertretung keine Kosten entstanden.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Hugo Spaar durch
Rechtsanwältin lic. iur. X beantragen, in Abänderung der Präsidialverfügung
sei ihm eine Prozessentschädigung zuzusprechen, unter Kosten- und
Entschädigungsfolge ...

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG hat der im kantonalen
AHV-Prozess obsiegende Beschwerdeführer Anspruch auf Ersatz der Kosten
der Prozessführung und -vertretung nach gerichtlicher Festsetzung. Diese
Bestimmung gilt gemäss Art. 69 IVG auch für IVG-Streitsachen. Nach der
Rechtsprechung ist die Entschädigungspflicht gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. f
AHVG nicht nur auf die anwaltsmässige Vertretung beschränkt (ZAK 1980
S. 123 f. Erw. 4). Das Eidg. Versicherungsgericht hat weiter Art. 85
Abs. 2 lit. f in dem Sinne ausgelegt, dass die Beschwerdeinstanz auch bei
Gegenstandslosigkeit der Beschwerde eine Parteientschädigung zuzusprechen
hat, wenn die prozessuale Situation dies rechtfertigt (BGE 106 V 124 und
107 V 127).

Erwägung 2

    2.- In der Praxis zu Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ist unbestritten, dass
dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zuzugestehen
ist, wenn er den Prozess durch einen frei praktizierenden Rechtsanwalt
führen liess. Hievon ist im Sinne einer Ausnahme nur dann abzuweichen,
wenn die Gewährung einer Parteientschädigung unbillig wäre.

    Die Vorinstanz erblickt einen hinreichenden Grund für die Verweigerung
darin, dass der Beschwerdeführer die Bemühungen seiner Anwältin
nicht abgelten musste, weil die Gewerkschaft für die betreffenden
Kosten aufkam. In der Tat kann die Unentgeltlichkeit des Anwalts die
Nichtgewährung einer Parteientschädigung rechtfertigen. So spricht das
Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen des Art. 159 OG einer durch eine
Organisation vertretenen Partei für das letztinstanzliche Verfahren eine
Entschädigung dann zu, wenn eine qualifizierte (anwaltsmässige) Vertretung
vorliegt und nicht erstellt ist, dass die Dienstleistung kostenlos
erfolgt ... Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht von Unentgeltlichkeit
gesprochen werden, auch wenn dem Beschwerdeführer aus dem Beizug eines
Anwalts unmittelbar keine Kosten erwachsen sind. Für den Dienst des
Rechtsschutzes hatte der Beschwerdeführer über seine Mitgliederbeiträge
aufzukommen. Es kann deshalb nicht gesagt werden, dass die Zuerkennung
einer Parteientschädigung unbillig wäre. Das Gegenteil trifft zu. Die
Rechtsschutzgarantie der Gewerkschaft kann vernünftigerweise nur dahin
verstanden werden, dass sie die Verfahrens- und Vertretungskosten lediglich
im Falle des Unterliegens übernimmt; eine Begünstigung der unterliegenden
Gegenpartei im Sinne eines Verzichts auf die Parteientschädigung kann
darin nicht erblickt werden.

Erwägung 3

    3.- Unbehelflich ist der Hinweis der Rekursinstanz auf die Praxis
des Eidg. Versicherungsgerichts, den Rechtsuchenden, die durch die
Redaktion des "Schweizerischen Beobachters" vertreten sind, für das
letztinstanzliche Verfahren keine Parteientschädigung zu gewähren... Hiebei
handelt es sich weder um die Vertretung durch einen Anwalt noch durch
einen auf dem Gebiet der Sozialversicherung besonders ausgewiesenen
und hierin mehr oder weniger berufsmässig tätigen Fachmann. In diesen
Fällen spricht das Eidg. Versicherungsgericht für das letztinstanzliche
Verfahren keine Parteientschädigung für Arbeit und Umtriebe zu. Hingegen
besteht Anspruch auf Ersatz der Auslagen (Porti, Telephonspesen usw.),
sofern diese erheblich und nachgewiesen sind ... Hinzu kommt das Merkmal
der Unentgeltlichkeit. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der
Abonnementspreis des "Schweizerischen Beobachters" den Mitgliederbeiträgen
an die Gewerkschaft nicht gleichgestellt werden. Der "Schweizerische
Beobachter" gibt keine Rechtsschutzgarantie ab und lässt seine Hilfe
offenbar auch nicht bloss seinen Abonnenten zuteil werden ...

Entscheid:

      Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Ziffer 2 der
      Verfügung des Präsidenten der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
      vom 9. Februar 1982 aufgehoben und die Sache an die Rekurskommission
      zurückgewiesen, damit im Sinne der Erwägungen verfahren werde.
II. Die Gerichtskosten ... werden der Ausgleichskasse des
      Schweizerischen Baumeisterverbandes auferlegt.
III. Die Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes hat
      dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidg.
      Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 300.--
       zu bezahlen.