Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 71



108 IV 71

17. Urteil des Kassationshofes vom 20. April 1982 i.S. V. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 54 LMG; Art. 449 LMV.

    Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung der Gesetzmässigkeit
einer auf Gesetzesdelegation beruhenden Verordnung des Bundesrates.

    Art. 449 LMV, wonach aus Metall bestehendes Koch- und Essgeschirr und
-besteck, etc., nicht aus Zink hergestellt sein darf, hält sich im Rahmen
der dem Bundesrat durch Art. 54 LMG erteilten Kompetenz zum Erlass der
nötigen Vorschriften zum Schutz der Gesundheit.

Sachverhalt

    A.- Im Jahre 1979 kaufte V. in seiner Eigenschaft als verantwortlicher
Geschäftsführer der Firma X. bei einem Unternehmen in Italien grössere
Posten Besteckteile und Tafelgeräte. Darunter befanden sich mindestens 851
Teile aus vernickeltem Zinkspritzguss, auf denen der für die Bezeichnung
des Mindestfeingehalts von massiven Silberwaren bestimmte Stempel "800"
angebracht war. V. führte in der Zeit vom 1. Juni bis Oktober 1979
diese Gegenstände in die Schweiz ein und liess sie in der Folge in den
Verkaufsstellen seines Geschäfts zum Zwecke der Veräusserung feilbieten.

    B.- Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt sprach V. am 29. Juni 1981
der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Kontrolle des Verkehrs
mit Edelmetallen und Edelmetallwaren vom 20. Juni 1933 (SR 941.31) sowie
der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit
Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (SR 817.0)
schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 2'000.--, bedingt
vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von 1 Jahr. Dieses Urteil wurde
vom Appellationsgerichtsausschuss des Kantons Basel-Stadt am 22. Dezember
1981 bestätigt.

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt V. die
Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichtsausschusses zur
Freisprechung, eventuell zur Neubeurteilung.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt hat sich nicht
vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zu prüfen ist einzig die Rechtmässigkeit der Verurteilung des
Beschwerdeführers wegen Widerhandlung gegen die Lebensmittelgesetzgebung.
Die Verurteilung wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die
Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen und Edelmetallwaren war bereits
im Appellationsverfahren unangefochten geblieben.

Erwägung 2

    2.- Ganz oder teilweise aus Metall bestehende Koch-, Ess- und
Trinkgeschirre sowie andere bei der Zubereitung oder beim Genuss
von Lebensmitteln zur Verwendung gelangende Werkzeuge usw. dürfen
(unter anderem) nicht aus Zink hergestellt sein (Art. 449 Abs. 1 der
Lebensmittelverordnung), auch wenn sie mit einem unschädlichen Metall
überzogen sind (Art. 449 Abs. 2 LMV).

    a) Der Beschwerdeführer macht geltend, das in der bundesrätlichen
Verordnung erlassene, strafrechtlich sanktionierte (Art. 487 LMV in
Verbindung mit Art. 38 LMG) Verbot der Verwendung von Zink in Essgeschirr
und Essbesteck halte sich nicht im Rahmen der Ermächtigung von Art. 54
LMG, wonach der Bundesrat die nötigen Vorschriften unter anderem zum
Schutze der Gesundheit erlässt; das Verbot und die Bestrafung bei dessen
Missachtung seien somit gesetzwidrig. Zur Begründung führt er an, dass
Zink und Zinkverbindungen für den menschlichen Körper unerlässlich und
erst in hohen Dosen toxisch seien. Mengen, die von Essgeschirren in den
Körper übergingen, seien geradezu erwünscht und dem Organismus nützlich;
es handle sich um Mengen von wenigen Milligrammen. Demzufolge sei es
"völlig unmöglich", dass Essgeräte beim Essen, bei der Vorbereitung oder
Lagerung von Speisen dem menschlichen Körper gesundheitsschädigende Dosen
vermitteln könnten.

    b) Art. 54 Abs. 1 LMG bestimmt bloss den Zweck, den die zu erlassenden
Ausführungsvorschriften zu verfolgen haben, und überlässt es dem Ermessen
des Bundesrates, über Art und Umfang der Massnahmen zu befinden, die er zur
Erreichung des gesetzten Zieles für geeignet und nötig hält. Der Richter
darf dabei nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates
treten lassen, sondern er hat sich im vorliegenden Fall auf die Prüfung zu
beschränken, ob sich der Bundesrat mit dem Erlass von Art. 449 LMV eines
Mittels bedient habe, das objektiv dem durch Art. 54 Abs. 1 LMG verfolgten
Zweck dient, d.h. ob das Verbot der Verwendung von Zink in Koch-, Ess- und
Trinkgeschirr und -besteck zum Schutze der Gesundheit überhaupt geeignet
ist (s. BGE 104 IV 273, 101 IV 343 E. 4, 98 IV 135, 92 IV 109/110).

    Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend davon ab, ob die
Verwendung solchen Essgeschirrs und Essbestecks etc. wegen des darin
enthaltenen Zinks prinzipiell die Gesundheit des Menschen gefährden
kann. Trifft dies zu, dann hält sich Art. 449 LMV im Rahmen der dem
Bundesrat in Art. 54 LMG erteilten Kompetenz und ist die auf Art. 449
LMV gestützte Verurteilung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.

Erwägung 3

    3.- Es ist unbestritten und wurde von der Vorinstanz nicht übersehen,
dass der Mensch täglich eine gewisse Dosis des Spurenelements Zink
benötigt. Der Tagesbedarf liegt bei ca. 10-15 mg (ULLMANN, Enzyklopädie der
technischen Chemie, S. 144) bzw. bei rund 20 mg (PSCHYREMBEL, Klinisches
Wörterbuch, 154-184. Auflage, S. 969). Ebenso steht fest, dass zu hohe
Zinkdosen Schleimhautreizungen und Erbrechen bewirken können, mithin
gesundheitsgefährdend sind. Laut MEYERS Enzyklopädischem Lexikon, Bd. 25,
führen höhere als die notwendigen - hier auf 6 mg pro Tag festgelegten -
Zinkmengen, die z.B. durch das Aufbewahren von sauren Speisen in verzinkten
Gefässen in die Nahrung gelangen können, zu Vergiftungserscheinungen
mit Erbrechen und zur Entzündung der Verdauungsorgane. Heisses Wasser
und Dampf greifen Zink rasch an, weshalb dieses nicht längere Zeit mit
Wasser von über 70o in Berührung kommen soll; Zink ist unter anderem auch
empfindlich gegen säurehaltige Nahrungs- und Genussmittel wie z.B. Bier,
Wein, Essig, Obst, Salate (HERMANN RÖMPP, Chemie-Lexikon, 1958, Bd. II
Sp. 4990). Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass bei der
Benützung von aus Zink hergestelltem Essgeschirr und Essbesteck Zink in den
menschlichen Körper gelangen kann. Seine Behauptung, dass nur geringe, dem
Organismus nützliche Mengen auf diese Weise in den menschlichen Organismus
übergingen, ist nicht belegt. Die bei den Akten liegenden Ausführungen
von Wissenschaftlern, auf die der Beschwerdeführer sich beruft, nehmen zur
Frage der Gefährlichkeit der Verwendung von Essgeschirr und Essbesteck aus
Zink mit keinem Wort Stellung. Weitere Abklärungen in dieser Richtung
brauchte die Vorinstanz nicht zu treffen; aus einem wissenschaftlichen
Gutachten, dessen Einholung vom Beschwerdeführer bereits im kantonalen
Verfahren beantragt wurde, liessen sich ohnehin keine zwingenden Schlüsse
ziehen, da der Grad der Gefährlichkeit für die Gesundheit namentlich auch
von der Art und Häufigkeit der Benützung solcher Essgeräte und nicht
zuletzt von deren genauer Zusammensetzung und Verarbeitung sowie deren
allfälliger Abnützung und Beschädigung abhängt.

    Steht fest, dass Zink bereits bei einer Tagesdosis von über 10-20
mg die Gesundheit zu gefährden vermag und dass anderseits beim Gebrauch
zinkhaltiger Essgeräte Zink in den menschlichen Körper gelangen kann,
dann ist die Verwendung solchen Essbestecks prinzipiell geeignet, die
Gesundheit zu gefährden. Ist dem aber so, dann dient das in Art. 449 LMV
erlassene Verbot der Verwendung von Zink zur Herstellung von Essbesteck
dem von Art. 54 LMG verfolgten Zweck des Gesundheitsschutzes. Auf den
Grad der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Gesundheitsschädigung,
der unter anderem von der Art und Häufigkeit des Gebrauchs solcher
Geräte sowie deren Verarbeitung und Abnützung abhängt, kommt es nicht
an. Über die Zweckmässigkeit der Gleichstellung von Essbesteck mit
Geschirr zur Zubereitung und Aufbewahrung von Nahrungsmitteln hat der
Kassationshof nicht zu befinden. Es ist daher unerheblich, dass in der
wissenschaftlichen Literatur vor allem die Aufbewahrung von Nahrungsmitteln
in zinkhaltigen Gefässen als gefährlich bezeichnet und die Benützung
von aus Zink hergestelltem Essbesteck in diesem Zusammenhang nicht
erwähnt wird. Angesichts der Tatsache, dass der menschliche Organismus
Zink nicht allein bei der Benützung von aus diesem Element hergestelltem
Essgeschirr und Essbesteck, sondern noch auf verschiedenen anderen, zum
Teil unvermeidbaren Wegen aufnimmt, wäre das strafrechtlich sanktionierte
Verbot der Verwendung von Zink bei der Herstellung solcher Geräte mit
Rücksicht auf das weite Ermessen des - in der Regel von Experten beratenen
- Verordnungsgebers selbst dann nicht zu beanstanden, wenn man annehmen
wollte, dass die bei der Benützung solchen Essbestecks in den menschlichen
Körper übergehenden Zinkdosen für sich allein die für den Organismus
nötigen und nützlichen Mengen nicht überstiegen. Dass allenfalls andere,
bei der Herstellung von Koch- und Essgeräten zugelassene Stoffe nicht
weniger gefährlich sind als Zink, wie der Beschwerdeführer ohne nähere
Begründung behauptet, ist in diesem Zusammenhang belanglos.

    Das in Art. 449 LMV erlassene Verbot der Verwendung von Zink zur
Herstellung von Essbesteck ist demnach durch Art. 54 Abs. 1 LMG, der den
Schutz der Gesundheit bezweckt, gedeckt. Die auf Art. 449 LMV gestützte
Verurteilung des Beschwerdeführers, der zinkhaltiges Essbesteck zwecks
Veräusserung feilhielt, ist somit nicht zu beanstanden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.