Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 52



108 IV 52

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Januar 1982 i.S. S.
gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 32 Abs. 2, 106 Abs. 1 SVG, Art. 115 SSV.

    Die Anordnung des Versuchs "Tempo 50" und dessen Signalisierung
sind gesetzmässig.

Sachverhalt

    A.- a) Gemäss Art. 32 Abs. 2 SVG beschränkt der Bundesrat die
Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen. Die vom Bundesrat
festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken
von der zuständigen kantonalen Behörde und auf den Nationalstrassen vom
EJPD herab- oder hinaufgesetzt werden (Abs. 3 von Art. 32 SVG).

    In Art. 4a Abs. 1 VRV hat der Bundesrat in Ausführung von
Art. 32 Abs. 2 SVG die zulässigen allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten
festgelegt. Danach gilt zur Zeit in Ortschaften die Limite von 60 km/h,
soweit nicht eine abweichende Höchstgeschwindigkeit signalisiert ist
(Art. 4a Abs. 5 VRV).

    b) Gestützt auf Art. 32 Abs. 2 SVG erliess der Bundesrat am
8. November 1978 eine Verordnung über die Durchführung eines zeitlich
und örtlich beschränkten Versuches mit Tempo 50 innerorts (SR 741.121.1,
im folgenden als VoBR 1978 bezeichnet). In Art. 1 dieser Verordnung wird
das EJPD ermächtigt, "anstelle der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von
60 km/h innerorts, im Einvernehmen mit den Kantonen in einer beschränkten
Zahl von Ortschaften und Regionen für eine beschränkte Zeit versuchsweise
eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einzuführen". Dieser Versuch ist
wissenschaftlich auszuwerten. - Die Verordnung trat am 8. November 1978
in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 1982 (Art. 2).

    c) Gestützt auf diese "Ermächtigung", die einem eigentlichen Auftrag
gleichkommt, hat das EJPD am 21. April 1980 (in einer Verordnung, SR
741.121.11) die Einzelheiten des Versuchs geregelt und insbesondere die
Versuchsgebiete in einer Liste festgelegt.

    d) Für die Signalisation des Versuchs hat das EJPD gestützt auf
Art. 115 Abs. 1 und 2 SSV in einem an die kantonalen Behörden gerichteten,
nicht veröffentlichten Kreisschreiben vom 2. Juni 1980 folgende Anordnung
getroffen:

    "Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/Std. in den

    Ortschaften, die sich am Versuch "Tempo 50" beteiligen, wird durch das

    Signal "Höchstgeschwindigkeit 50 km/Std." (2.30) angezeigt, das
im oberen

    Feld des roten Signalrandes die Aufschrift "GENERELL" bzw. "Limite
   générale" in weissen, 7 cm hohen Buchstaben (Höhe des grossen
   Buchstabens) ... trägt."

    (Diese Regelung wird im Kreisschreiben durch Abbildungen des speziellen
Signals in deutscher und französischer Sprache ergänzt.)

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Es ist unbestritten, dass das angefochtene Bussenurteil nicht zu
beanstanden ist, sofern die Anordnung der versuchsweisen zeitlich und
örtlich beschränkten Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf einer
genügenden Rechtsgrundlage beruht und in gültiger Weise signalisiert
wurde. Die mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwände richten
sich nicht gegen die Auslegung der Vorschriften im konkreten Fall,
sondern gegen die rechtliche Zulässigkeit des Versuchs an sich und die
Art der Signalisierung.

    Innerhalb eines kurzen Zeitraumes gingen beim Bundesgericht vier
Beschwerden ein, die weitgehend die gleichen rechtlichen Fragen aufwerfen
und zu einem grossen Teil gleiche oder ähnliche Argumente enthalten. Die
nachfolgenden Erwägungen über die Rechtsgültigkeit des Versuchs "Tempo
50" und der entsprechenden Signalisierung beziehen sich sinngemäss auf
alle vier Beschwerden und behandeln die Gesamtheit der vorgebrachten
Einwendungen in systematischer Reihenfolge.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 32 Abs. 2 SVG hat der Bundesrat für alle Strassen
Höchstgeschwindigkeiten festzusetzen. Diese Weisung des Gesetzgebers an die
Vollzugsbehörde umfasst vor allem auch den Auftrag, Vorschriften über die
zulässige Höchstgeschwindigkeit in den Ortschaften (innerorts) zu erlassen.
In der frühern Fassung enthielt das Gesetz selber die Regel, dass in
Ortschaften die Geschwindigkeit unter Vorbehalt besonderer Anordnungen 60
km/h nicht übersteigen dürfe. Der neue Abs. 2 von Art. 32 SVG (gemäss BG
vom 20. März 1975) überlässt dem Bundesrat die Bestimmung der generellen
Höchstgeschwindigkeiten, während die Anordnung örtlicher Ausnahmen von
der allgemeinen Limitierung in die Kompetenz der zuständigen kantonalen
Behörde bzw. für die Nationalstrassen in die Kompetenz des EJPD fällt.

    In Art. 4a VRV hat der Bundesrat gemäss dem gesetzlichen Auftrag
allgemeine Höchstgeschwindigkeiten festgesetzt. Indem er im November
1978 beschloss, eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts
von 60 km/h auf 50 km/h zu prüfen, und zu diesem Zweck die versuchsweise
Einführung der herabgesetzten Limite in bestimmten Gebieten anordnete,
handelte er in dem ihm vom Gesetz delegierten Bereich der Festsetzung
der Höchstgeschwindigkeit. Die Abgrenzung des Versuchsgebietes kann nicht
einer durch die örtlichen Gegebenheiten begründeten Abweichung (Art. 32
Abs. 3 SVG) von der allgemein geltenden Limite gleichgestellt werden. Es
geht dabei nicht um die Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter
Strassenstrecken, die gemäss Art. 32 Abs. 3 SVG in die Zuständigkeit
kantonaler Behörden (bzw. des EJPD) fallen würde, sondern um die Gewinnung
von Entscheidungsgrundlagen für eine eventuelle Änderung der allgemeinen
Höchstgeschwindigkeit innerorts. Die Rüge, der Bundesrat greife mit dem
Versuch "Tempo 50" in die den Kantonen vorbehaltene Zuständigkeit zur
Anordnung abweichender Höchstgeschwindigkeiten innerorts (auf bestimmten
Strecken) ein, ist unbegründet. Die VoBR 1978 bleibt durchaus im Rahmen der
dem Bundesrat übertragenen Bestimmung allgemeiner Höchstgeschwindigkeiten
und verletzt die kantonale Zuständigkeit zur Anordnung lokaler Abweichungen
nicht.

Erwägung 4

    4.- Es bleibt jedoch zu prüfen, ob der Bundesrat gestützt auf die
ihm durch Art. 32 Abs. 2 SVG übertragene Befugnis zur Festsetzung der
allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten auch örtlich und zeitlich begrenzte
Versuche durchführen darf.

    a) In diesem Zusammenhang wird von den Beschwerdeführern gerügt, der
Versuch verletze die Rechtsgleichheit, auf gleichartigen Innerortsstrecken
dürfe im Versuchsgebiet höchstens mit 50 km/h und in andern Ortschaften
mit 60 km/h gefahren werden.

    Die Rechtsgleichheit verlangt, dass jeder Automobilist bei der
Benützung der gleichen Strecke gleich beurteilt wird. Dieser Grundsatz
wird durch den "Tempo 50" - Versuch nicht verletzt. Aus Art. 4 BV
lässt sich nicht ableiten, die zulässige Höchstgeschwindigkeit müsse auf
gleichartigen Strecken gleich sein. In dieser Beziehung können sich schon
durch die jeweilige Abgrenzung des Innerortsgebietes (Signalisierung)
und durch die Anordnungen der zuständigen Behörden gemäss Art. 32 Abs. 3
SVG Unterschiede ergeben. Wohl ist eine möglichst einheitliche Praxis
anzustreben. Wer aber eine gültig signalisierte Höchstgeschwindigkeit
überschreitet, kann sich nicht mit dem Argument auf Art. 4 BV berufen,
auf einer oder mehreren vergleichbaren Strecken sei die Geschwindigkeit
nicht in gleicher Weise beschränkt. Rechtsungleich wäre es, wenn bei
gleichen Überschreitungen der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ohne
sachlichen Grund unterschiedliche Strafen ausgefällt würden. Hingegen
verstösst die unterschiedliche Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf
vergleichbaren Strassen nicht gegen das Gebot der Rechtsgleichheit; denn
dieses Gebot bezieht sich auf die Gleichbehandlung der Rechtsunterworfenen,
nicht auf die Gleichheit nicht personenbezogener, sachlicher Anordnungen
(wie Signalisation der Höchstgeschwindigkeit) im ganzen Staatsgebiet.

    b) Der Satz in Art. 32 Abs. 2 SVG, dass der Bundesrat die
Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen beschränke, ist
sinngemäss als Auftrag zu einer Regelung zu verstehen, die für gleichartige
Strassen in der ganzen Schweiz gleiche allgemeine Höchstgeschwindigkeiten
festlegt. Welche Strassenkategorien zu unterscheiden und wie die Limiten zu
fixieren sind, bleibt dem Ermessen des Bundesrates überlassen (vgl. zur
frühern Regelung BGE 100 IV 252). Eine Dauerlösung, welche nach andern
Kriterien als solchen der Verkehrssicherheit differenzieren, z.B. nach
Landesgegenden unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten einführen
wollte, würde der ratio legis von Art. 32 Abs. 2 SVG nicht entsprechen;
denn damit würde die (zwar nicht durch Art. 4 BV verfassungsrechtlich
geforderte, aber) vom Gesetzgeber gewollte Einheitlichkeit der allgemeinen
Höchstgeschwindigkeiten nicht verwirklicht, sondern durch sachfremde
Unterscheidungen verhindert. Wäre die angefochtene, örtlich begrenzte
Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h - etwa im Sinne einer
Konzession an die in der betroffenen Gegend herrschende Auffassung - als
dauernde Sonderregelung gedacht, so würde sie zwar nicht dem Wortlaut,
aber dem Sinn und Zweck von Art. 32 Abs. 2 SVG widersprechen.

    Mit der VoBR 1978 hat der Bundesrat nicht für gleichartige Verhältnisse
(innerorts) eine zweite Höchstgeschwindigkeit als Dauerlösung für bestimmte
Gebiete eingeführt. Dass die allgemeine Höchstgeschwindigkeit einheitlich
zu regeln sei, wurde nie in Frage gestellt. Die vom geltenden Art. 4a
Abs. 1 VRV abweichende, zeitlich und örtlich beschränkte Ordnung ist
unmissverständlich als Versuch konzipiert, um zahlenmässige Unterlagen
über die Auswirkungen einer Herabsetzung der in Ortschaften geltenden
Höchstgeschwindigkeit zu gewinnen. Nach Abschluss des Versuches wird
wiederum eine einheitliche Limite (wie bisher 60 km/h oder neu 50 km/h)
gelten. Die Ergebnisse des Versuchs sollen einen Beitrag zur Klärung
der Frage leisten, welche allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts
den praktischen Bedürfnissen (Verkehrsfluss und Sicherheit) am besten
entspricht.

    Art. 32 Abs. 2 SVG sieht die Möglichkeit der Anordnung
unterschiedlicher Höchstgeschwindigkeiten zu Vergleichszwecken
nicht ausdrücklich vor, schliesst einen derartigen Versuch jedoch
auch nicht aus. Der gesetzliche Auftrag zur Festsetzung allgemeiner
Höchstgeschwindigkeiten darf sinngemäss so verstanden werden, dass zwar
grundsätzlich eine einheitliche Regelung getroffen werden muss, dass aber
versuchsweise zur Abklärung von Änderungen das Erproben abweichender
Lösungen in bestimmten Gebieten erlaubt ist. Ein derartiger Versuch
dient ja der Erfüllung des in Art. 32 Abs. 2 SVG enthaltenen Auftrages.
Der einzelne Verkehrsteilnehmer wird durch die versuchsweise, örtlich
beschränkte Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts nicht stärker
betroffen als durch eine entsprechende für das ganze Gebiet der Schweiz
geltende Änderung oder durch gemäss Art. 32 Abs. 3 SVG angeordnete örtliche
Reduktionen der Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Strassenstrecken. Es
besteht daher kein Grund, die Zulässigkeit unterschiedlicher Lösungen
zu Versuchszwecken von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung
abhängig zu machen. Die in Art. 32 Abs. 3 SVG umschriebene Delegation an
den Bundesrat umfasst sinngemäss auch die Befugnis, zu Versuchszwecken
zeitlich und örtlich beschränkte Regelungen zu treffen, welche von der
zur Zeit geltenden allgemeinen Norm abweichen, aber der Vorbereitung
einer sachgerechten Neuordnung dienen.

    c) Von einzelnen Beschwerdeführern wird auch geltend gemacht, der
in Frage stehende Versuch "Tempo 50" sei von vornherein nicht geeignet,
schlüssige Resultate zu liefern, welche für oder gegen die Herabsetzung
der Höchstgeschwindigkeit zu verwerten wären.

    Ob ein temporärer Versuch in einem bestimmten Gebiet schlüssige
Ergebnisse verspricht, hat der Bundesrat als zuständige Behörde
zu beurteilen. Die Rechtsgültigkeit entsprechender Anordnungen
(Signalisation einer abweichenden Höchstgeschwindigkeit) kann nicht
mit Einwänden gegen die Schlüssigkeit der zu erwartenden Resultate
angefochten werden. Die rechtliche Zulässigkeit eines Versuchs hängt
nicht von der Überzeugungskraft der Resultate ab; es genügt, dass die
Versuchsanordnung auf sachlich vertretbaren Überlegungen beruht und
dass mit guten Gründen von den Ergebnissen eine Entscheidungshilfe
erwartet werden darf. Dass der Bundesrat aus vertretbaren Gründen vom
angeordneten Versuch brauchbare Resultate erwartet und nicht willkürlich
die versuchsweise Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit beschlossen hat,
kann nicht ernstlich bestritten werden. Die gegen die Zweckmässigkeit
des Versuchs vorgebrachten Bedenken tangieren die Gültigkeit der vom
Bundesrat im Rahmen seiner Zuständigkeit getroffenen Anordnungen und
damit die Grundlage der Bestrafung der Beschwerdeführer nicht. Auch die
Behauptung, die Mehrheit der Automobilisten sei gegen solche Versuche, ist
für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des angeordneten Versuchs
ohne Belang, sondern betrifft ausschliesslich die von der Exekutive zu
entscheidende Frage der Opportunität solcher Versuche, wobei noch zu
bemerken wäre, dass die Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts
nicht nur die Automobilisten, sondern auch die Nicht-Automobilisten
(Fussgänger, Velofahrer) in elementarer Weise berührt.

Erwägung 5

    5.- In der VoBR 1978 überlässt es der Bundesrat dem EJPD, die
Versuchsgebiete im Einvernehmen mit den Kantonen zu bestimmen und die
weitern Durchführungsmassnahmen zu treffen. In den Nichtigkeitsbeschwerden
wird gerügt, diese "Ermächtigung" des EJPD sei eine unzulässige, gegen
Art. 106 Abs. 1 SVG verstossende Subdelegation.

    a) Art. 106 Abs. 1 SVG bestimmt ausdrücklich, dass der Bundesrat
als Vollzugsbehörde "die ihm übertragenen Aufgaben, unter Vorbehalt
allgemein verbindlicher Anordnungen, seinen Departementen zuweisen"
kann. Diese ausdrückliche Regel macht eine generelle Erörterung des
Problems der Subdelegation überflüssig. Der Bundesrat darf grundsätzlich
die ihm durch das SVG übertragenen Aufgaben an seine Departemente
delegieren. Ausdrücklich ausgenommen von dieser Delegationsbefugnis
sind "allgemein verbindliche Anordnungen". Die Zulässigkeit des für die
Durchführung des Versuchs "Tempo 50" gewählten Vorgehens hängt somit davon
ab, ob der in Art. 1 VoBR 1978 enthaltene Auftrag an das EJPD allgemein
verbindliche Anordnungen umfasst, die gemäss Art. 106 Abs. 1 SVG von
der Delegationsmöglichkeit ausgenommen sind.

    b) Der Bundesrat hat in der VoBR 1978 selber bestimmt, dass in
einem örtlich und zeitlich beschränkten Versuch die Auswirkungen
einer Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h untersucht
werden sollen. Das Wesentliche wurde damit festgelegt: abweichende
Höchstgeschwindigkeit innerorts, Prinzip der räumlichen Begrenzung,
zeitliche Begrenzung bis 31. Dezember 1982. Dem EJPD übertragen wurde die
Durchführung des Versuchs, insbesondere die Abgrenzung des Versuchsgebietes
im Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen, die Regelung der speziellen
Signalisierung sowie die wissenschaftliche Auswertung. Es geht dabei
ausschliesslich um den konkreten Vollzug des vom Bundesrat angeordneten
Versuchs, nicht um allgemein verbindliche Anordnungen, welche unter den
Vorbehalt des Art. 106 Abs. 1 SVG fallen. Die Zuweisung von Aufgaben an
Departemente kann sich sinngemäss nicht nur auf konkrete Verfügungen gegen
Einzelpersonen beziehen. Soweit allgemein verbindliche Anordnungen - wie
hier die Abklärung der Folgen unterschiedlicher Höchstgeschwindigkeiten
- beim Vollzug Allgemeinverfügungen erfordern - etwa zur örtlichen
Abgrenzung des Versuchsgebietes oder betreffend Signalisierung -,
darf auch der Erlass der notwendigen Allgemeinverfügungen an das
Departement delegiert werden. Der Begriff der "allgemein verbindlichen
Anordnungen" ist sachgerecht dahin abzugrenzen, dass die dem Bundesrat
übertragene Kompetenz zur Aufstellung allgemeiner Regeln (Verkehrsregeln,
Höchstgeschwindigkeiten, Zulassungsvorschriften, Signalisationsvorschriften
usw.) nicht an ein Departement delegiert werden kann, dass aber
ein Departement mit der Durchführung der vom Bundesrat getroffenen
Anordnungen betraut werden darf und in diesem Rahmen dann auch befugt ist,
konkretisierende Allgemeinverfügungen zu erlassen.

    Die VoBR 1978 enthält alle wesentlichen Entscheidungen allgemeiner
Natur und überträgt dem Departement lediglich die Ausführung. Diese
Regelung verletzt Art. 106 Abs. 1 SVG nicht.

Erwägung 6

    6.- Angefochten wird auch die Gültigkeit der Signalisation von "Tempo
50", wie sie vom EJPD durch Kreisschreiben angeordnet worden ist.

    a) Art. 5 Abs. 1 SVG schreibt vor, dass Beschränkungen und
Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr durch Signale
oder Markierungen angezeigt werden müssen, sofern sie nicht für das
ganze Gebiet der Schweiz gelten (vgl. BGE 100 IV 74). Die Einführung
der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in den Versuchsgebieten bedurfte
also der Bekanntmachung durch Signale. Gemäss Art. 5 Abs. 3 SVG dürfen
nur die vom Bundesrat vorgesehenen Signale und Markierungen verwendet
werden. In der Signalisationsverordnung (Verordnung des Bundesrates
vom 5. September 1979 - SSV) ist kein spezielles Signal zum Anzeigen
von Beginn und Ende der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts
vorgesehen. Beginn und Ende der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von
60 km/h sind gemäss Art. 22 Abs. 3 SSV mit den entsprechenden Signalen
zur Begrenzung der Geschwindigkeit auf einer Strassenstrecke jeweilen am
Eingang bzw. Ausgang einer Siedlung anzuzeigen. Nach dem Kreisschreiben des
EJPD sind in den Versuchs-Ortschaften diese 60 km-Tafeln durch 50 km-Tafeln
ersetzt worden. Um klar anzuzeigen, dass es sich um die versuchsweise
in der betreffenden Ortschaft geltende, allgemeine Höchstgeschwindigkeit
und nicht etwa um eine nur auf dem anschliessenden Strassenstück bis zur
nächsten Verzweigung geltende lokale Beschränkung handelt, wurde das 50
km-Signal im roten Rand durch das Wort "generell" ("Limite générale")
ergänzt. Diese spezielle Signalisierung ordnete nicht der Bundesrat
an, sondern das EJPD gestützt auf den Vollzugsauftrag und die in Art.
115 SSV enthaltene Ermächtigung.

    b) Art. 115 SSV gibt dem EJPD eine sehr weitgehende Kompetenz, in
besondern Situationen Abweichungen von den Signalisationsvorschriften
des Bundesrates zu bewilligen; insbesondere ist das Departement nach
dieser Vorschrift befugt, "für besondere Fälle veränderte Symbole sowie
versuchsweise neue Symbole, Signale und Markierungen zu bewilligen, ebenso
Tafeln für Flussnamen, Wanderwege und dergleichen". Die zur praktischen
Durchführung des Versuchs "Tempo 50" in durchaus zweckmässiger Weise
angeordnete Verwendung eines ergänzten Signals "Höchstgeschwindigkeit
50 km/h" überschreitet den weiten Rahmen der durch Art. 115 SSV dem EJPD
eingeräumten Befugnisse offensichtlich nicht.

    c) Zu prüfen bleibt, ob Art. 115 SSV den Bestimmungen des SVG
entspricht oder ob darin eine unzulässige Subdelegation liegt.

    Art. 5 Abs. 3 SVG bestimmt, dass nur die Verwendung der vom Bundesrat
vorgesehenen Signale und Markierungen zulässig sei. Mit dieser Bestimmung
werden im Sinne der Einheitlichkeit private, kommunale oder kantonale
Schöpfungen auf dem Gebiete der Strassensignalisation untersagt. Hingegen
ist aus dieser Formulierung nicht abzuleiten, jedes zulässige Signal
schlechthin müsse vom Bundesrat direkt bewilligt sein. Die in Art. 115 SSV
enthaltene Ermächtigung des Departementes zur Bewilligung von Abweichungen
und Neuerungen für besondere Zwecke oder zur Erprobung steht zur Grundregel
von Art. 5 Abs. 3 SVG nicht im Widerspruch. Letztere Vorschrift verbietet
nicht-bewilligte Signale, sie bezweckt jedoch nicht den Ausschluss jeder
Subdelegation im Bereich der Bewilligung sachlich begründeter Abweichungen
und Ausnahmen.

    Auch zu Art. 106 Abs. 1 SVG steht Art. 115 SSV nicht im Widerspruch;
denn die dem EJPD übertragene Befugnis zur Bewilligung von Abweichungen,
Neuerungen und speziellen Lösungen betrifft nicht die dauernde, allgemein
verbindliche Ordnung der Strassensignalisation, sondern erlaubt lediglich
gewisse sachlich begründete Sonderregelungen (zu Versuchszwecken oder um
zeitlich begrenzten, speziellen Bedürfnissen entsprechen zu können). Mit
der den Erfordernissen des beschlossenen Versuchs entsprechenden Ergänzung
des Signals "Höchstgeschwindigkeit 50 km/h" hat das EJPD nicht in die
durch Art. 106 Abs. 1 SVG dem Bundesrat zwingend vorbehaltene Zuständigkeit
für allgemein verbindliche Anordnungen eingegriffen, sondern gestützt auf
eine zulässige Subdelegation eine den besondern Bedürfnissen des Versuchs
"Tempo 50" entsprechende Lösung getroffen.

    d) Der Versuch "Tempo 50" wurde nicht nur durch die Signale,
sondern auch durch Mitteilungen in der Presse hinreichend in der
Öffentlichkeit bekannt gemacht. Dass in den Versuchsgebieten die
reduzierte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Stelle der ordentlichen
Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h tritt und für die ganze Ortschaft gilt
(vgl. Art. 16 Abs. 2/Art. 22 SSV), konnte und kann aufgrund der Information
für einen in der Schweiz wohnenden Motorfahrzeugführer nicht zweifelhaft
sein. Dementsprechend war auch stets klar, dass das Signal "Tempo 50
generell" nicht eine Beschränkung anzeigt, die nur bis zur nächsten
Verzweigung gilt, sondern die Grenze des Innerortsbereichs markiert.

    Dass einer der Beschwerdeführer geltend macht, zwischen dem Signal
und dem Ort seiner Geschwindigkeitsüberschreitung befinde sich eine
Verzweigung, ist daher unbehelflich. Selbst dieser Beschwerdeführer
behauptet nicht, er habe das Signal "Tempo 50 generell" falsch verstanden
und gemeint, die Beschränkung gelte nach der Verzweigung nicht mehr. Die
Argumentation ist vielmehr rein formalistisch. Wenn es aber in Art. 16
Abs. 2 letzter Satz SSV heisst, das Signal "Höchstgeschwindigkeit" (2.30),
das den Beginn der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h innerorts
anzeige (Art. 22 Abs. 3 SSV), gelte in der ganzen Ortschaft, so kann daraus
gewiss nicht der unsinnige Schluss gezogen werden, bei versuchsweiser
Reduktion der Höchstgeschwindigkeit innerorts auf 50 km/h sei diese Regel
nicht analog anzuwenden, sondern - e contrario - anzunehmen, die nächste
Verzweigung hebe (wie bei andern Geschwindigkeitssignalen) die Wirkung
der Beschränkung "Tempo 50 generell" auf. Es ist selbstverständlich und
dürfte aufgrund der Orientierung durch die Medien jedem Fahrzeugführer
klar sein, dass mit der Ergänzung "generell" die Geltung der signalisierten
Beschränkung für die ganze Ortschaft angezeigt wird.

    e) Ob ausländische Fahrzeugführer dieses ergänzte Signal ohne weiteres
richtig verstehen oder durch zusätzliche Orientierung an der Grenze
auf dessen Bedeutung hingewiesen werden (bzw. werden sollten), ist hier
nicht zu untersuchen. Auch wenn einzelnen (ausländischen) Automobilisten
zugute gehalten werden müsste, dass sie die Bedeutung des Signals "Tempo
50 generell" nicht erfassen konnten, so würde dies die Rechtsgültigkeit
der signalisierten Höchstgeschwindigkeit nicht in Frage stellen und die
Bestrafung von Übertretungen in den hier zu beurteilenden Fällen nicht
hindern.

Erwägung 7

    7.- Gegen die Bestrafung wegen Überschreitung der signalisierten
Höchstgeschwindigkeit wird noch eingewendet, da erst die Verordnung des
EJPD den Verkehrsteilnehmer zur Beachtung von "Tempo 50" im Versuchsgebiet
habe verpflichten können, fehle eine anwendbare Strafbestimmung; denn
gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG sei strafbar, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes
oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletze; hier aber
sei höchstens die Vollziehungsvorschrift eines Departementes verletzt.

    Die Bestrafung erfolgte richtigerweise wegen Verletzung der
gesetzlichen Regel von Art. 27 Abs. 1 SVG, nicht wegen eines Verstosses
gegen die Verordnung des EJPD vom 21. April 1980. Verletzt wurde das Gebot
der Beachtung von Signalen, Markierungen und Weisungen. Gemäss Art. 90
Ziff. 1 SVG ist wegen Verletzung dieser grundsätzlichen, im SVG selber
statuierten Regel jeder strafbar, der eine rechtmässig getroffene, durch
Signal, Markierung oder Weisung bekannt gegebene Anordnung missachtet;
jeder derartige Verstoss verletzt eine gesetzliche Verkehrsregel (Beachtung
der Signale usw.). Die dem missachteten Signal zugrunde liegende Anordnung
(z.B. Geschwindigkeitsbeschränkung, Einbahnverkehr usw.) wird meistens
nicht von einer Bundesbehörde (vermutlich nie vom Bundesrat), sondern
von den zuständigen kantonalen Instanzen getroffen worden sein. Der
Wortlaut von Art. 90 Ziff. 1 SVG nimmt Bezug auf die allgemeine Regel,
die verletzt worden ist (hier: Art. 27 Abs. 1 SVG), und schliesst
selbstverständlich die Strafbarkeit jener häufigen Fälle nicht aus,
in denen die Verletzung der Verkehrsregel in der Nichtbeachtung einer
Vollzugsmassnahme (z.B. Signalisierung) liegt, welche kantonale Behörden
oder das EJPD getroffen haben. Mit dem Begriff "Vollziehungsvorschriften"
in Art. 90 Ziff. 1 SVG sind die in den Ausführungserlassen enthaltenen
Rechtssätze gemeint, nicht die konkretisierenden Vollzugsmassnahmen (wie
die Signalisierung von Geschwindigkeitslimiten), die selbstverständlich
nicht vom Bundesrat getroffen werden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.