Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 170



108 IV 170

42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. November
1982 i.S. C. gegen Sch. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 217 StGB; Art. 350 StGB; Vernachlässigung von
Unterstützungspflichten.

    Wo die grundsätzlich am Gläubigerwohnsitz bestehende Verfolgungspflicht
(Art. 346 Abs. 1 StGB) wegen eines anderen, vom nämlichen Täter
begangenen schwereren Delikts oder infolge Prävention gemäss Art. 350
StGB der Behörde eines andern Kantons obliegt, ist der vom Verletzten
dort gestellte Strafantrag gültig, sofern er den Formerfordernissen des
betreffenden kantonalen Verfahrensrechtes genügt (E. 2b).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- b) Bezüglich der von seiner geschiedenen Frau am 2.  August
1979 und am 21. Dezember 1981 in Winterthur gestellten Strafanträge
wendet C. ein, sie seien am falschen Ort angebracht worden, weil die
Geschädigte seit März 1979 in Minusio wohne und der Begehungsort bei
der Vernachlässigung von Unterstützungspflichten der Wohnsitz des
Unterhaltsberechtigten sei. Die genannten Anträge hätten deshalb in
Minusio gestellt werden sollen.

    Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung von Kassationshof und
Anklagekammer das Delikt des Art. 217 StGB am Wohnsitz des Gläubigers
zu verfolgen ist (BGE 98 IV 207 E. 1 mit Verweisungen). Dies ist der
Begehungsort im Sinne des Art. 346 Abs. 1 StGB, an dem der Antrag bei
der dort zuständigen Behörde zu stellen ist. In Schrifttum und kantonaler
Rechtsprechung wird weiter anerkannt, dass der Verletzte in jedem Falle
Art. 29 StGB genügt, wenn er an jenem Ort frist- und formgerecht Antrag
stellt; er habe sich nämlich nicht darum zu kümmern, ob die zuständige
Behörde des Begehungsortes dann auch das Verfahren führt. Und in der
Tat kann vom Verletzten nicht verlangt werden, dass er in Fällen, wo die
Verfolgungspflicht wegen eines anderen, vom nämlichen Täter begangenen
schwereren Delikts oder infolge Prävention gemäss Art. 350 StGB der
Behörde eines andern Kantons obliegt, dieser Eventualität Rechnung trage,
die nach der letztgenannten Bestimmung zuständige Behörde ermittle und
fristgerecht einen den Formen aller kantonalen Strafprozessgesetze
genügenden Strafantrag stelle (s. SCHULTZ, AT 4. Aufl. I S. 240;
WAIBLINGER, ZBJV 85/1947, S. 425; RStrS 1953 Nr. 84). Das will aber
nicht heissen, dass dort, wo der Verletzte sich die Mühe nimmt, die
nach Art. 350 StGB zuständige Behörde ausfindig zu machen, um bei
dieser Strafantrag zu stellen, sein Antrag ungültig sei, selbst wenn
er von der betreffenden kantonalen Instanz als im Sinne des kantonalen
Verfahrensrechts formgültig befunden wird (s. BGE 98 IV 248 E. 2 mit
Verweisungen). Von Bundesrechts wegen besteht jedenfalls kein sachlicher
Grund zu einem solchen Schluss. Vielmehr liegt die gegenteilige Lösung
in der vom Gesetzgeber mit Art. 350 StGB vorgezeichneten Linie sowie im
Interesse einer wirksamen und verfahrensökonomischen Durchsetzung des
materiellen Strafanspruchs. Im vorliegenden Fall ist daher von seiten
des Bundesrechts nichts dagegen einzuwenden, dass die Vorinstanz die von
der geschiedenen Frau des Beschwerdeführers bei der Bezirksanwaltschaft
Winterthur als der nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zur Verfolgung von
C. zuständigen Behörde gestellten Strafanträge für gültig erachtet hat.