Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 161



108 IV 161

40. Urteil des Kassationshofes vom 2. November 1982 i.S. Schweizerische
Bundesanwaltschaft gegen T. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 179ter StGB.

    Die polizeiliche Befragung zur Abklärung eines Delikts ist nicht ein
durch Art. 179ter StGB geschütztes Privatgespräch.

Sachverhalt

    A.- Im Verlaufe des wegen Verletzung von Verkehrsregeln geführten
polizeilichen Ermittlungsverfahrens wurde der Beschuldigte, T., am
14. März 1981 in Andeer vom Polizeigefreiten P. einvernommen. Kurz nach
Beginn der Befragung holte T. ein Tonbandgerät aus seinem Wagen und nahm
damit das weitere Gespräch auf, obwohl ihn der Polizist aufforderte,
dies zu unterlassen. An der später auf dem Polizeiposten fortgeführten
Einvernahme beteiligte sich teilweise auch Korporal S.; T. hielt auch
hier an seiner Weigerung, das Tonbandgerät auszuschalten, fest.

    Die Ermittlungsbeamten P. und S. erhoben gegen T. Strafantrag wegen
unbefugten Aufnehmens von Gesprächen auf einen Tonträger.

    B.- Der Kreisgerichtsausschuss Rheinwald hat T. am 25. Februar 1982
unter anderem des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen gemäss Art. 179ter
Abs. 1 StGB schuldig befunden und ihn mit einer bedingt löschbaren Busse
von Fr. 800.-- bestraft.

    Auf Berufung hin hat der Kantonsgerichts-Ausschuss am 12. Mai 1982
T. von der Anklage des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen gemäss
Art. 179ter Abs. 1 StGB freigesprochen, die Busse (wegen anderer
Verfehlungen) auf Fr. 600.-- herabgesetzt und im übrigen die Berufung
abgewiesen.

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die
schweizerische Bundesanwaltschaft die Aufhebung des Urteils des
Kantonsgerichts-Ausschusses insoweit, als T. von der Anschuldigung
unbefugter Aufnahme von Gesprächen freigesprochen wurde.

    T. beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 179ter Abs. 1 StGB wird auf Antrag mit Gefängnis
bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft, wer als Gesprächsteilnehmer
ein nicht öffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung der andern daran
Beteiligten, auf einen Tonträger aufnimmt.

    Das Obergericht vertrat in seinem Entscheid die Ansicht, dass
Art. 179ter StGB nur den Geheim- oder Privatbereich der Gesprächsteilnehmer
schütze, weshalb bloss die Aufnahme derjenigen nichtöffentlichen Gespräche
strafbar sei, die den privaten Bereich des Einzelnen betreffen. Die
polizeilichen Einvernahmen könnten nicht der Privatsphäre zugeordnet
werden. Der Beschwerdegegner sei deshalb von der Anschuldigung des
unbefugten Aufnehmens von Gesprächen freizusprechen.

    Demgegenüber erachtet die Beschwerdeführerin die Strafbarkeit für
jedes nichtöffentliche Gespräch als gegeben. Nach ihrer Auffassung ist
der Rechtsschutz des Art. 179ter StGB, im Gegensatz zu Art. 179quater
StGB, wo der "Geheim- oder Privatbereich" ausdrücklich erwähnt sind,
nicht auf Gespräche des privaten Bereichs beschränkt. Der Schutz des
nichtöffentlichen Gesprächs stehe jedermann um seiner Persönlichkeit
willen zu, demzufolge auch dem die Untersuchung führenden Polizisten.

Erwägung 2

    2.- a) Art. 179ter StGB bedroht das unbefugte Aufnehmen von
Gesprächen mit Strafe. Die genannte Gesetzesbestimmung unterscheidet
lediglich zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Gesprächen, wobei nur
letztere, weil dem persönlichen Geheimnisbereich angehörend, geschützt sind
(vgl. BBl 1968, Bd. I, S. 593). Der Gesetzestext umschreibt den Begriff
"Gespräch" nicht. Weder der Wortlaut des Art. 179ter StGB noch der
Öffentlichkeitsbegriff - ein Gespräch ist öffentlich, "wenn es von jedem
beliebigen Dritten gehört werden kann oder wenn es von jedem Beliebigen
gehört werden soll" (SCHULTZ, Der strafrechtliche Schutz der Geheimsphäre,
SJZ 67 (1971) S. 303) - helfen bei der notwendigen Auslegung des weiten
Begriffs des nichtöffentlichen Gesprächs weiter. Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin sind deshalb die ebenfalls zum Gesetzestext gehörenden
Überschriften und Titel zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Vorschrift
heranzuziehen. Das Bundesgericht hat in BGE 94 IV 87 nur abgelehnt, den
sich aus dem Wortlaut ergebenden Sinn einer Vorschrift aufgrund der Titel
und Marginalien umzudeuten.

    b) Durch das Bundesgesetz betreffend Verstärkung des strafrechtlichen
Schutzes des persönlichen Geheimbereichs vom 20. Dezember 1968 wurden
die Art. 179bis-179septies in das Strafgesetzbuch eingefügt. Gleichzeitig
wurden die von der Revision betroffenen Überschriften geändert. So wurde
die bisherige Überschrift des Dritten Titels des Besonderen Teils des StGB
- "Vergehen gegen die Ehre; Verletzung des Schriftgeheimnisses" - durch
"Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich"
ersetzt. Der Untertitel in Ziff. 2 lautet nun neu "Strafbare Handlungen
gegen den Geheim- oder Privatbereich".

    Aus dem übereinstimmenden Wortlaut der massgebenden Überschriften
folgt, dass das geschützte Rechtsgut in Art. 179ter StGB der Geheim- oder
Privatbereich ist. Daran ändert nichts, dass dieser Schutzbereich nur im
Gesetzestext von Art. 179quater StGB nochmals ausdrücklich erwähnt wird
(vgl. HUBERT ANDREAS METZGER, Der strafrechtliche Schutz des persönlichen
Geheimbereichs gegen Verletzungen durch Ton- und Bildaufnahmen sowie
Abhörgeräte, Diss., Bern 1972, S. 49).

    c) Daraus ergibt sich, dass nicht jedes nichtöffentliche Gespräch
strafrechtlichen Schutz geniesst. Geschützt ist dieses nur, wenn es
sich um Äusserungen im privaten Bereich handelt. Derartige Gespräche
sind etwa Äusserungen persönlicher Natur, aber auch geschäftliche
Besprechungen. Anders verhält es sich dagegen u.a. bei der dienstlichen
Befragung durch einen Polizeibeamten oder Untersuchungsrichter,
soweit es sich um Äusserungen handelt, die im Rahmen des hängigen
Verfahrens gemacht werden (vgl. SCHULTZ, aaO, N. 6, S. 304). Ein aus
öffentlichrechtlicher Verpflichtung geführtes Gespräch fällt nicht in die
Privatsphäre der Gesprächsteilnehmer, da diese durch die Aufnahme nicht
in ihrer "persönlichen Freiheit in der Mitteilung an andere" (SCHULTZ,
aaO, S. 305) beeinträchtigt sind. Soweit die Ausführung des dienstlichen
Auftrags durch die Aufnahme des Gesprächs gestört oder verhindert wird,
betrifft dies nur den Schutzbereich der Rechtspflege. Letztere wird aber
durch Art. 179ter StGB nicht geschützt.

    d) Im vorliegenden Fall haben die Polizeibeamten P. und S. den
Beschwerdegegner im Rahmen eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens
befragt. Die zwei Gespräche bezogen sich nur auf die T. vorgeworfenen
SVG-Delikte. Die Polizisten führten mit der Einvernahme einen dienstlichen
Auftrag aus. Die polizeilichen Befragungen gehörten nicht zum Privatbereich
der am Gespräch teilnehmenden Personen. Das Tatbestandsmerkmal des zum
privaten Bereich gehörenden Gesprächs war somit nicht gegeben, so dass
der Beschwerdegegner von der Anschuldigung des unbefugten Aufnehmens
von Gesprächen im Sinne von Art. 179ter StGB freizusprechen war. Die
Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb abzuweisen.

Erwägung 3

    3.- Dies bedeutet indessen nicht, dass jeder Beschuldigte berechtigt
wäre, jede Einvernahme auf Tonband aufzunehmen. Tonbandaufnahmen
von Einvernahmen können bewirken, dass die Beteiligten (auch der
Einvernehmende) abgelenkt, im Ausdruck gehemmt, gereizt, nervös oder
unsicher gemacht werden, was die Durchführung und das Ergebnis der
Verhandlung beeinträchtigt. Es besteht zudem die Gefahr, dass Tonbänder
geschnitten oder ergänzt und in verfälschter Form missbräuchlich
verwendet werden. Ein Verbot von Tonbandaufnahmen bei Einvernahmen
kann daher im Interesse der ungestörten Verhandlungsführung und der
unbeeinflussten Rechtsfindung gerechtfertigt sein. Es kann im Rahmen der
sitzungspolizeilichen Befugnisse erlassen und durchgesetzt werden. Für
den Fall der Widerhandlung ist es zulässig, das Tonbandgerät während der
Dauer der Verhandlung sicherzustellen oder das bespielte Tonband nachher
zu beschlagnahmen.

    Die Sitzungspolizeigewalt steht im Rahmen einer Gerichtsverhandlung
dem Gerichtspräsidenten zu. Einzelne Kantone räumen sie in ihren
Prozessgesetzen auch den Untersuchungs- und Anklagebehörden
ein. Wo diesbezüglich eine gesetzliche Regelung fehlt, ist die
Sitzungspolizeigewalt den Untersuchungsbehörden mittels Analogie durch
Lückenfüllung zuzugestehen (dazu VOLLENWEIDER, Die Sitzungspolizei im
schweizerischen Strafprozess, Diss., Zürich 1980, insbesondere S. 31,
58/59 und 105/6). Tonbandaufnahmen der Art, wie sie im vorliegenden
Verfahren in Frage stehen, können also nötigenfalls auf dem Wege über
die Handhabung der sitzungspolizeilichen Gewalt unterbunden werden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.