Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 152



108 IV 152

37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Dezember 1982 i.S.
Generalprokurator des Kantons Bern gegen H. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 41 Ziff. 2 StGB.

    Die Anordnung einer speziellen Arbeitsleistung als Sühne ist kein
zulässiger Weisungsinhalt.

Sachverhalt

    A.- In Bestätigung eines Urteils des Gerichtspräsidenten VIII von Bern
vom 2. März 1982 hat das Obergericht des Kantons Bern (II. Strafkammer)
am 17. August 1982 H. wegen eines im Migros-Markt in Hinterkappelen
begangenen Diebstahls zu zwölf Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug
verurteilt. Die Probezeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt, Schutzaufsicht
angeordnet und der Verurteilten die Weisung erteilt, während zwölf
vollen Arbeitstagen im Inselspital Bern halb- oder ganztagsweise eine
ihr zugeteilte Arbeit zu verrichten.

    B.- Gegen diesen Entscheid führt der Generalprokurator
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei in bezug auf die
Weisung aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Gesetz gibt dem Richter die Freiheit, jede denkbare Weisung
zu erteilen, welche geeignet ist, nach der ratio legis von Art. 41 StGB
der Resozialisierung zu dienen, und vom Betroffenen nicht mehr als eine
zumutbare, verhältnismässige Anstrengung verlangt.

    a) Die Weisung kann und darf aber nicht ausschliesslich die Funktion
einer Strafe (Ersatz für die aufgeschobene Freiheitsstrafe) haben
(vgl. BGE 94 IV 12). Auch von der nach dem Verschulden bemessenen Strafe
wird eine resozialisierende Wirkung erwartet; doch Spezialprävention
durch eigentliche Strafen kann nicht die Aufgabe von Weisungen sein
(vgl. SCHULTZ, Allgem. Teil, 2. Band, 3. Aufl., S. 98). Dass einzelne
zulässige Weisungen - wie etwa das Verbot, ein Motorfahrzeug zu führen oder
der Verzicht auf Alkohol - für den Betroffenen einen pönalen Einschlag
haben mögen, ist kein Argument gegen die grundsätzliche Schranke des
Weisungsrechtes, welche dann überschritten ist, wenn der Richter eine
als Ersatz der verwirkten (und aufgeschobenen) Freiheitsstrafe gemeinte,
nach dem Verschulden bemessene Leistung anordnet.

    b) Im vorliegenden Fall geht es um eine solche "Weisung": Die
von der Staatsanwaltschaft angefochtene Verpflichtung, zwölf Tage im
Inselspital zu arbeiten, hat mit dem Delikt keinen Zusammenhang und
ist auch nicht dazu bestimmt oder geeignet, die Bewährungssituation
zu verbessern, sondern es handelt sich um eine dem Sühnebedürfnis der
Täterin entsprechende Arbeitsleistung, die sinnvollerweise an Stelle
der ausgefällten Freiheitsstrafe treten sollte, aber nach geltendem
Recht keine gesetzlich mögliche Sanktion darstellt. Wollte man dem
Postulat, dass kurze Freiheitsstrafen durch eine Verpflichtung zur
Arbeitsleistung sollten ersetzt werden können, auf dem hier von den
kantonalen Instanzen eingeschlagenen Weg durch entsprechende Weisungen beim
bedingten Strafvollzug Rechnung tragen, so hätte dies faktisch im Falle
der Nichtbewährung eine "doppelte Bestrafung" zur Folge; denn trotz der
bereits erbrachten, die Freiheitsstrafe nicht formell, aber der Idee nach
ersetzenden Arbeitsleistung müsste bei Nichtbewährung (z.B. bei Begehung
neuer Delikte in der Probezeit) die bedingt aufgeschobene Freiheitsstrafe
allenfalls doch vollzogen werden.

    Die Idee der Verpflichtung zur Arbeitsleistung als Sanktion ist denn
auch richtigerweise im Jugendstrafrecht (Art. 87 Abs. 1/95 Ziff. 1 StGB) in
der Form einer möglichen "Hauptstrafe" - nicht als Modalität (Auflage) bei
bedingtem Strafvollzug - vorgesehen und wird für das Erwachsenenstrafrecht
de lege ferenda als möglicher Ersatz kurzer Freiheitsstrafen gefordert
(M. BOEHLEN, Ist Strafe unbedingt notwendig? Aarau 1974, S. 59 ff.,
SCHULTZ, Dreissig Jahre schweiz. StGB, ZStR 88/1972 S. 59/63). Nach
geltendem Recht kann jedoch eine Freiheitsstrafe nicht in dieser
Weise durch die Verpflichtung zu einer angemessenen Arbeitsleistung
abgelöst werden. Die Pflicht zu sühnender Arbeitsleistung ist aber aus
den dargelegten Gründen auch nicht ein zulässiger Weisungsinhalt. Die
angefochtene Weisung verstösst somit gegen Art. 41 StGB und muss aufgehoben
werden. Der Beschwerdegegnerin steht es selbstverständlich frei, sich aus
eigenem Antrieb durch Vermittlung des Schutzaufsichtsorgans für bestimmte
Arbeitsleistungen in einem Spital zur Verfügung zu halten. Sie muss aber
wissen, dass diese persönliche Sühnehandlung, welche der charakterlichen
Reifung und Festigung dienen mag, bei erneutem Versagen während der
Bewährungsfrist den Vollzug der bedingten Strafe nicht hindert.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, und die Weisung, während zwölf
vollen Arbeitstagen im Inselspital Bern halb- oder ganztagsweise eine
Arbeit zu verrichten, wird aufgehoben.