Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 142



108 IV 142

34. Urteil der Anklagekammer vom 27. September 1982 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    Art. 346 Abs. 2 und Art. 350 Ziff. 1 StGB.

    Bestimmung des Gerichtsstandes beim Zusammentreffen eines einfachen
Betrugs mit gewerbsmässig begangenen Betrügereien.

Sachverhalt

    A.- L. wird beschuldigt, am 3./24. Juli 1981 in Hegnau- Volketswil
einen Betrug und in der Zeit vom 9. Oktober bis 26. November 1981 acht
vollendete und versuchte Kreditbetrüge begangen zu haben, welch letztere
nach der gegenwärtigen Aktenlage als gewerbsmässige Betrugshandlungen
erscheinen. Des weiteren werden L. siebzehn Diebstähle zur Last gelegt.

    Wegen des in Hegnau-Volketswil verübten Betrugs war am 14. August 1981
bei der Polizei in Winterthur-Töss Strafanzeige erstattet worden, während
die die übrigen Delikte betreffenden Ermittlungen später einsetzten und
von der Kantonspolizei Aargau geführt wurden.

    B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, die sich erfolglos um
die Übernahme des Verfahrens durch die Zürcher Behörden bemüht hatte,
stellt mit Eingabe vom 10. September 1982 bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts das Gesuch, es seien die Strafbehörden des Kantons Zürich
gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zur Verfolgung und Beurteilung der
L. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zuständig zu erklären.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung des
Gesuchs.

Auszug aus den Erwägungen:

             Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Fall ist für die Bestimmung des Gerichtsstandes
von den gewerbsmässig verübten Betrugshandlungen auszugehen, die ein
Kollektivdelikt bilden und als solche mit schwererer Strafe bedroht sind
als alle übrigen dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten (Art. 350 Ziff.
1 Abs. 1 StGB). Da das gewerbsmässige Delikt - unbesehen seiner rechtlichen
Einheit - sich aus mehreren Handlungen zusammensetzt, die an verschiedenen
Orten in verschiedenen Kantonen begangen worden sein können, gilt es als
überall dort verübt, wo der Täter Ausführungshandlungen vorgenommen hat
(Art. 346 StGB, BGE 91 IV 170).

    Im vorliegenden Fall wurden die nach der Aktenlage als gewerbsmässig
erscheinenden acht Kreditbetrüge teils im Kanton Aargau, teils im Kanton
Zürich verübt.

    In Anwendung von Art. 346 Abs. 2 StGB sind deshalb die Behörden des
Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde (s. BGE 86
IV 63 E. 2). Das war hier - sofern man nur die acht in der Zeit von
Oktober bis November 1981 verübten und wegen der Gewerbsmässigkeit ihrer
Ausführung als Einheit zu erfassenden Kreditbetrüge in Betracht zieht -
unzweifelhaft im Kanton Aargau der Fall.

Erwägung 2

    2.- Die aargauische Staatsanwaltschaft stellt sich indessen auf den
Standpunkt, der am 3./24. Juli 1981 im Kanton Zürich begangene Betrug
(betrügerisches Erlangen und nachheriger Verkauf eines Mietwagens) falle
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ebenfalls in den Rahmen des
Kollektivdelikts, und es seien damit die Behörden des Kantons Zürich zur
Verfolgung und Beurteilung von L. zuständig, weil wegen dieses Deliktes
schon am 14. August 1981 bei der Kantonspolizei Winterthur-Töss Anzeige
erstattet worden sei.

    Es trifft zu, dass das Bundesgericht hinsichtlich der gewerbsmässigen
Abtreibung erklärt hat, diese umfasse auch die vereinzelten Fälle,
in denen der Täter nicht wegen des Erwerbs, sondern aus Gefälligkeit
abgetrieben oder abzutreiben versucht habe, und es sei für eine besondere
Schuldigerklärung wegen vollendeter und versuchter einfacher Abtreibung
neben derjenigen wegen gewerbsmässiger Begehung kein Raum (BGE 71 IV
237). Dieser Grundsatz wurde in der Folge in einem Betrugsfall mit
der Feststellung bestätigt, dass ein Kollektivdelikt sowohl alle
gewerbsmässigen wie auch einzelne nicht gewerbsmässige Handlungen
umfasse und dass diese Einheit des Kollektivdelikts sich schon bei der
Gerichtsstandsbestimmung auswirken müsse (BGE 105 IV 159 E. 2). Das
will aber nicht heissen, dass jedes Mal, wenn in einem Verfahren wie
hier ein einfacher, die Qualifikationsmerkmale der Gewerbsmässigkeit
nicht aufweisender Betrug mit gewerbsmässig begangenen Betrügereien
zusammentrifft, der erstere immer und ohne weiteres in den Rahmen
des Kollektivdelikts falle. Vom Kollektivdelikt werden die nicht
gewerbsmässigen Handlungen nur erfasst, wenn sie mit den gewerbsmässigen
eine Einheit bilden, wenn sie - wie das in BGE 71 IV 237 zum Ausdruck
kommt - als Teilhandlungen des Gewerbes erscheinen. Das aber setzt
einen zumindest äusseren Zusammenhang zwischen den gewerbsmässig und
den vereinzelten nicht gewerbsmässig verübten Handlungen voraus. Daran
gebricht es hier.

    Der am 3./24. Juli 1981 in Hegnau-Volketswil begangene Betrug hat
keine erkennbare Beziehung zu der im Oktober/November 1981 zum Nachteil
von Banken begangenen Betrugsserie. Nach der gegenwärtigen Aktenlage
steht er vielmehr zeitlich und nach der Art seines Gegenstandes isoliert
da. Bildet er demnach keine Einheit mit den im Herbst 1981 gewerbsmässig
verübten Betrugshandlungen, so kommt ihm für die Gerichtsstandsbestimmung
gemäss Art. 346 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zu. Als einfacher Betrug mit
geringerer Strafe bedroht als der gewerbsmässige Betrug, fällt er auch
als Ansatzpunkt für die örtliche Zuständigkeit nach Art. 350 Ziff. 1
Abs. 1 StGB ausser Betracht. Der Kanton Aargau ist daher zur Verfolgung
und Beurteilung der L. zur Last gelegten Straftaten zuständig.