Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IV 1



108 IV 1

1. Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1982 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau gegen K. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 StGB; Umwandlung einer Busse in Haft.

    Bussen und Bussenrestbeträge von weniger als Fr. 30.-- dürfen nicht
in Haft umgewandelt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    a) Nach Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 StGB werden im Falle der Umwandlung
"dreissig Franken Busse einem Tag Haft gleichgesetzt" (un jour d'arrêts
sera compté pour 30 fr. d'amende; un giorno d'arresto sara ragguagliato
ad ogni trenta franchi di multa). Zur Frage, was mit Bussen oder
Bussenrestbeträgen von weniger als Fr. 30.-- zu geschehen habe, äussert
sich das Gesetz nicht. Es liegt indessen auf der Hand, dass für diese
beiden Fälle dieselbe Regelung gelten muss.

    Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass im Falle der Umwandlung
Fr. 30.-- Busse einem Tag Haft gleichzusetzen sind. Dass ein niedrigerer
Bussen- oder Bussenrestbetrag ebenfalls in einen Tag Haft umzuwandeln
sei, sagt es nicht. Die Umwandlung von Bussen und demzufolge auch
von Bussenrestbeträgen von weniger als Fr. 30.-- ist also vom Gesetz
nicht vorgesehen und daher nicht zulässig (in diesem Sinne: SCHULTZ,
Einführung in den allg. Teil des Strafrechts, Bd. II, 3. A. S. 112;
LOGOZ, Allg. Teil, 2. A. S. 292; Praxis des Kantons Zürich gemäss SJZ
1972 S. 378/79; Praxis des Kantons Waadt gemäss JdT 1975 IV S. 96; Praxis
des Kantons Thurgau gemäss RB TG 1976 Nr. 28; vgl. dazu auch die deutsche
Praxis, SCHÖNKE/SCHRÖDER, N. 4 zu § 43 StGB).

    b) In der Literatur und von Gerichten wurden allerdings auch andere
Meinungen vertreten. Das Obergericht des Kantons Aargau empfahl am
23. Dezember 1971 den ihm untergeordneten Instanzen, Bussen von weniger
als Fr. 30.-- in einen Tag Haft umzuwandeln, Bussenrestbeträge von
weniger als Fr. 30.-- dagegen bei der Festsetzung der Umwandlungsstrafe
unberücksichtigt zu lassen. Das Obergericht des Kantons Bern beschloss
am 14. Mai 1981, Bussen- und Bussenrestbeträge von weniger als Fr. 30.--
seien in einen Tag Haft umzuwandeln. Unter der früheren, vor 1971 geltenden
Regelung, wonach Fr. 10.-- Busse einem Tag Haft gleichzusetzen waren,
hatte der bernische Oberrichter Kehrli postuliert, dass Fr. 5.-- in einen
halben Tag Haft umzuwandeln seien (ZBJV 1944 S. 156 Ziff. IV). Dieselbe
Lösung schlug auch ELSA TANNENBLATT vor, allerdings mit der Bemerkung,
dass sich eine solche Praxis bisher nicht durchgesetzt habe. Sie hielt
deshalb als Regel fest, dass Bussen und Bussenrestbeträge von weniger
als Fr. 10.-- in einen Tag Haft umzuwandeln seien (Die Umwandlung einer
Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe, Bern, Diss. 1945 S. 48 f.). BRENN
(Die Busse und ihr Vollzug nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch, Bern,
Diss. 1945 S. 98) vertrat dagegen dieselbe Meinung wie das Obergericht
des Kantons Aargau in seiner erwähnten Empfehlung vom 23. Dezember 1971.

    Diese verschiedenen Meinungen finden indessen im Gesetz keine
hinreichende Stütze. Aus BGE 105 IV 16 kann weder zugunsten der einen noch
zugunsten der andern Lösung etwas abgeleitet werden. Dass ein Ständerat bei
der Vorbereitung des Gesetzes im Jahre 1931 einmal äusserte, wer die Busse
schuldhaft nicht bezahle, dürfe nicht straflos ausgehen, spricht ebenfalls
für keine der verschiedenen Möglichkeiten. Wohl wollte der Gesetzgeber
verhindern, dass ein Zahlungsunwilliger seiner Strafe entgehe. Er setzte
für die Umwandlungsstrafe aber auch ein Höchstmass fest, so dass selbst
höchste Bussen nur in drei Monate Haft umgewandelt werden können. Wo
ein Höchstmass angesetzt wurde, ist die Ansetzung eines Mindestmasses
jedenfalls nicht systemwidrig.

    c) Die Vorinstanz verletzte demnach das Bundesrecht nicht, wenn sie
davon ausging, dass Bussen und Bussenrestbeträge von weniger als Fr. 30.--
nicht in Haft umgewandelt werden können. Die Beschwerde ist demnach als
unbegründet abzuweisen.